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Auch Stadttauben verdienen Frieden

Stadttaubenprojekt Berlin e. V. leistet sinnvolle Arbeit

Stadttauben benötigen artgerechtes Körnerfutter. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.
Stadttauben benötigen artgerechtes Körnerfutter. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.
Erschienen in Gazette Wilmersdorf August 2025

Zwischen 10.000 und 19.000 Stadttauben leben in Berlin. Doch dem friedlichen Miteinander von Tauben und Menschen schadet der unverdient schlechte Ruf dieser ebenso anpassungsfähigen wie liebenswerten Tiere. So werden sie nicht selten unbarmherzig verscheucht oder durch unüberlegte Abwehrmaßnahmen sogar verletzt, wenn sie an Bahnhöfen, in Fußgängerzonen, unter Brücken oder auf Dachböden Quartier bezogen haben und nach Futter suchen. Verständnis und Fachkenntnis aber finden sie bei Tierschutzorganisationen wie dem Stadttaubenprojekt Berlin e. V.. Hier setzen sich Tierfreunde in jeder freien Minute ehrenamtlich dafür ein, über bessere Aufklärung die domestizierte Stadttaube zu einer akzeptierten anstatt bekämpften Mitbewohnerin der Stadt werden zu lassen. Dabei arbeitet der aus Spenden finanzierte Verein mit rund 50 Mitgliedern darauf hin, dass Bezirke und Senat über ein berlinweites Stadttaubenmanagement die bis jetzt eher vernachlässigten Konzepte weiterentwickeln, um der standorttreuen Stadttaube mit Taubenhäusern oder -türmen dann artgerechte Plätze zu bieten, an der sie fachgerecht betreut und tierärztlich kontrolliert geeignetes Futter, frisches Wasser und überwachte, regulierte Brutmöglichkeit findet. – Denn da unsere Stadttauben Nachkommen von ausgesetzten und ent­flogenen Haustauben und damit im eigentlichen Sinne Fundtiere sind, liegt die Zuständigkeit für sie sowohl beim Senat als auch bei den Bezirken.

Vom Stadttaubenprojekt Berlin e. V. gerettet, haben verletzte Tauben gute Chancen. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.
Vom Stadttaubenprojekt Berlin e. V. gerettet, haben verletzte Tauben gute Chancen. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.

Füttern, Pflegen, Schützen

Ramona Wittek vom Stadttaubenprojekt-Verein setzt sich seit Jahren für diese gefiederten Tiere in Not ein, die sie an Ballungsorten verletzt aufsammelt oder die ihr Vogelfreunde gebracht haben. Der immerhin mit einem der drei Tierschutz-Sonderpreise zum Stadttaubenschutz vom Land Berlin ausgezeichnete Verein ist 2018 aus der einstigen AG Berliner Stadttauben entstanden. Ramona Wittek hatte damals verzweifelt über das vorhandene Stadttaubenleid Veterinärämter angeschrieben. Über deren Vermittlung fand sie zur Projekt-AG Stadttauben. Inzwischen hat sie an der Seite von Gleichgesinnten schon etlichen gepeinigten Kreaturen das Leben gerettet, sie durch hingebungsvolle Pflege vor einem qualvollen Tod bewahrt oder ihr Leiden schmerzlos beim Tierarzt beenden lassen. Füttern, Pflege und Schutz dieser gefiederten Schützlinge bestimmen ihren Alltag und den ihrer aktiven Vereinsmitglieder. Kann ein Vogel nach seiner Genesung frisch beringt nicht zurück zum Fundort und zu seinem alten Schwarm oder Partner gebracht werden, weil eine körperliche Einschränkung ein Leben in Freiheit nicht mehr zulässt, vermittelt der Verein das Tier bestenfalls in die Voliere eines großherzigen Züchters oder Kleintiervereins weiter.- Deutschlandweit ein immer schwierigeres Unterfangen: „Denn es gibt kaum noch freie Plätze“, erklärt Ramona Wittek, schließlich sei das Taubenleid auch in anderen Städten groß. So ist Ramona mit Vereinsgenossen täglich stadtweit zu Futterstellen unterwegs, um den Tauben artgerechtes Futter bieten zu können und sie so widerstandsfähiger werden zu lassen. In der Stadt in der Regel auf sich allein gestellt, ernähren sie sich von ungeeigneten Abfällen und Essensresten an Mülleimern, Imbissbuden, Cafés oder auf Schulhöfen. Folge dieser Fehlernährung ist der sogenannte dünnflüssige „Hungerkot“, über dessen Verschmutzungen sich so viele Menschen unwissend aufregen.

Geeignetes Körner- und Taubenfutter aus Getreide, Sämereien, Kernen, Hülsenfrüchten und Grit bieten die Vereins-Vogelfreunde den Stadttauben daher in zeitintensivem täglichen Einsatz an festen Futterplätzen und eingerichteten Taubenschlägen in der Stadt, wie beispielsweise am Bahnhof Südkreuz. Weitere Schläge und Taubenhäuser würden es deutlich erleichtern, Stadttauben rund um die Brücken und Bahnhöfe Bülowbogen, Zehlendorf, Hallesches Tor oder Nollendorfplatz gesund satt zu bekommen.

Taube
Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.

Besser als ihr Ruf

Was die Wenigsten wissen: Das Füttern von Stadttauben ist nicht verboten, vielmehr verringert das Angebot von artgerechtem Futter das Tierleid fehlernährter Tauben. Fütterungsverbote hingegen würden nicht zu einer Verringerung der Populationen, sondern zu einer weiteren Verelendung der Tiere führen. Dennoch sollte man darauf achten, artgerechtes Futter nur in der Menge auszustreuen, wie es unmittelbar aufgepickt werden kann. Denn Bezirke können das Füttern in bestimmten Bereichen wie z. B. an Bahnhöfen oder in Grünanlagen einschränken, wenn es dort zu einer zu starken Verschmutzung des öffentlichen Raumes kommt.

Auch wird den gefiederten „Streunern der Lüfte“ immer wieder vorgeworfen, dass sie Krankheiten verbreiten. Doch sowohl das Bundesgesundheitsamt als auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin stellten fest, dass eine gesundheitliche Gefährdung durch Tauben nicht höher sei als die durch andere Vögel, Ziervögel eingeschlossen. Und auch die angeblich schädigende Wirkung von Taubenkot auf Baustoffe konnte widerlegt werden: So ergab ein 2004 von der TU Darmstadt durchgeführtes Baugutachten, dass „Taubenkot mit Ausnahme von normaler Korrosion an Blech nachweislich keine schädigende Wirkung auf Baustoffe“ hat. Durch angebrachte Spikes und Netze unter Brücken und auf Mauervorsprüngen kommt es immer wieder zu Verletzungen der Tauben. Aufmerksame Passanten und Vereinsmitglieder sind dann gefragt, die geschädigten Tiere in ihre Obhut zu nehmen. Um diese wichtigen Fakten bereits Kindern näherzubringen und ihnen schon in jungen Jahren Respekt für die Stadttaube zu vermitteln, auch darauf zielt der Stadttaubenprojekt-Verein mit Informationsveranstaltungen und Kursen zum richtigen Umgang mit Stadttauben, die er auch im Schulbereich ausbauen will. Regelmäßig informieren die Vereinsmitglieder auf Ehrenamtsbörsen, Umweltfestival und Bezirksveranstaltungen über ihre ehrenamtliche Arbeit zum Wohle der Tiere. Neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind im Verein ebenso willkommen wie Förderer und finanzielle Spenden oder die Unterstützung mit gespendeten Artikeln von der Vereins-Wunschliste – von der Heizmatte bis zum Vitamin-B-Komplex.

Die Taube – Symbol für Frieden und Liebe. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.
Die Taube – Symbol für Frieden und Liebe. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.

Stadttauben brauchen unsere Hilfe

Was können wir also tun? Selbstverständlich ist es, Tauben mit demselben Respekt zu begegnen wie jedem anderen Lebewesen auch. Findet man eine verletzte oder aufgeplustert dasitzende Taube, kann der Stadttaubenprojekt-Verein informiert werden oder man setzt das mit einem Tuch vorsichtig gegriffene Tier in einen Pappkarton mit Luftlöchern und stellt es einem Tierarzt vor. Genesene Tiere sollten wieder am Fundort ausgesetzt werden, da dort ihr Schwarm bzw. Partner zu vermuten ist.

Auf Spikes oder Netze an Gebäuden oder Balkonen sollte verzichtet werden, da die Tiere sich in der Regel Ausweichquartiere in direkter Nähe suchen und eine hohe Verletzungsgefahr von diesen „Schutzvorrichtungen“ ausgeht. Als Nachkommen von Felsenbrütern sind Stadttauben auch heute noch auf Gebäudestrukturen angewiesen.

Dachbodenfenster und Luken sollten geöffnet bleiben, wenn regelmäßiger „Flugverkehr“ stattfindet. – Ansonsten droht Jungtieren jämmerliches Verhungern.

Auch eine kranke Taube braucht unsere helfende Hand. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.
Auch eine kranke Taube braucht unsere helfende Hand. Foto: Stadttaubenprojekt Berlin e. V.

Tauben sind reine Körnerfresser – also niemals Brot und Haferflocken füttern!

Über Jahrtausende hat der Mensch aus der wilden Felsentaube die Haustaube gezüchtet, die ihn mit Federn, Fleisch und Eiern versorgte, aber auch zur Übermittlung von Nachrichten diente. Etwa ab der zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Haustauben sich selbst überlassen, weil ihre Haltung aus der Mode gekommen war. – Längst ist es an der Zeit, ihnen durch Fürsorge an ihren Nachkommen, den Stadttauben, unseren Dank zu erweisen.

Weitere Informationen zum Stadttaubenprojekt Berlin e. V. sowie Anlaufadressen bei Notfällen unter www.stadttaubenprojekt-berlin.de. Kontakt unter E-Mail stadttaubenprojekt.berlin@gmail.com

Spendenkonto Berliner Sparkasse, IBAN DE58 1005 0000 0190 7622 17, BIC BELADEBEXXX oder über PayPal:stadttaubenprojekt.berlin@gmail.com, Verwendungszweck: „Spende für Stadttaubenprojekt Berlin e. V.“

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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