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Ein Konzert zur Versöhnung

Yehudi Menuhin gilt als einer der größten Geigen-Virtuosen

Enthüllung der Stele im Yehudi-Menuhin-Park – v.l.n.r.: Autor Dr. W. Ellerbrock, Künstlerin K. Rosenberg und stellv. Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin C. Richter-Kotowski. Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf
Enthüllung der Stele im Yehudi-Menuhin-Park – v.l.n.r.: Autor Dr. W. Ellerbrock, Künstlerin K. Rosenberg und stellv. Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin C. Richter-Kotowski. Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf
Erschienen in Gazette Zehlendorf September 2022
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Berlin lag in Trümmern, als in Düppel eine Geige erklang. Der berühmte Virtuose Yehudi Menuhin spielte in dem Camp für „Displaced Persons“ sein erstes Versöhnungskonzert. Der in Amerika geborene Menuhin hegte trotz seiner jüdischen Wurzeln keinen Hass. Er war der Auffassung, dass Versöhnung der Weg zum Frieden ist. An der Stelle, an der sich damals ein Camp befand, ist heute ein Park. Am 19. September 2009 bekam dieser den Namen Yehudi-Menuhin-Park. Seit Juli dieses Jahres erinnert eine Stele an die Geschichte des Geländes.

Text der Informationsstele „Yehudi-Menuhin-Park“

„Rittergut, Lagerstandort, Gartenstadt – mit seiner bewegten Geschichte der vergangenen 100 Jahre spiegelt das Gebiet um den heutigen Yehudi-Menuhin-Park die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. Ursprünglich gehörte das Areal zum Rittergut Düppel. 1928 wurde es in die 1920 gebildete Stadtgemeinde Berlin eingegliedert.

Wehrmachtsquartier und Kriegsgefangenenlager

Die erste flächendeckende Bebauung des Gebietes erfolgte im Zweiten Weltkrieg. Ab 1941 entstand ein großer Barackenkomplex, der angesichts der zunehmenden Bombardierung deutscher Innenstädte als Ausweichquartier für das Oberkommando des Heeres (OKH) gedacht war. Die Bürobaracken wurden auch vom Allgemeinen Heeresamt (AHA) genutzt. Offiziere des AHA wie General Olbricht (Chef des AHA) und Graf von Stauffenberg (Stabschef) gehörten zum Kreis des Widerstands des 20. Juli 1944. Im Vorfeld des Attentats auf Hitler fanden auch in Düppel konspirative Treffen statt.

In direkter Nachbarschaft wurden 18 Baracken für das Kriegsgefangenenlager Wiesengrund gebaut. Der Name des Lagers ging auf ein Ausflugslokal am Königsweg zurück. Interniert waren in erster Linie Kriegsgefangene aus Westeuropa, die unter anderem zur Beseitigung von Bombenschäden eingesetzt wurden. Es war Teil des Stammlagers III D in Lichterfelde.

DP-Lager für jüdische Überlebende des Holocausts

Nach dem Krieg übernahm die US-Armee den bei einem Bombenangriff schwer beschädigten Barackenkomplex des OKH und richtete in den verbliebenen Gebäuden ein Durchgangslager für jüdische Überlebende des Holocausts ein, die, im Wesentlichen bedingt durch antisemitische Ausschreitungen in Osteuropa, in Berlin Zuflucht suchten. Das „Düppel Center“ war mit zeitweise mehr als 5000 Geflüchteten das größte von drei DP-Lagern (Camps for Displaced Persons) in Berlin und entwickelte sich rasch zu einer selbstverwalteten „jüdischen Stadt“. Im Oktober 1947 besuchte der weltberühmte Geiger Yehudi Menuhin das Camp, der zuvor mehrere Konzerte in Berlin gegeben hatte. Der Name des Parks erinnert heute an diesen Besuch und das Bemühen Menuhins, den demokratischen Neuanfang in Deutschland zu unterstützen.

Unter dem Druck der sowjetischen Blockade Berlins lösten die Amerikaner das Camp 1948 auf. Die Bewohner wurden nach Westdeutschland ausgeflogen. Danach bezogen geflüchtete Bürger aus der DDR die Gebäude.

Die Entwicklung nach 1970

Nach dem Abriss der Baracken war eine Siedlung für 2.500 Wohnungen geplant. Aufgrund massiver Proteste gegen die Errichtung einer großangelegten Wohnstadt wurde in den 1980er-Jahren die urbane Siedlung „Gartenstadt Düppel“ gebaut.

Nördlich der Potsdamer Chaussee, wo sich im Zweiten Weltkrieg mit dem Lager der Organisation Todt in der Wasgenstraße und dem Lager der Generalbauinspektion in der Tewsstraße zwei weitere Zwangsarbeiterlager befanden, entstand ab 1957 das Studentendorf Schlachtensee. Der erste deutsche Studentencampus wurde aus Mitteln des Re-Education-Programms der US-Regierung finanziert, das die Vermittlung demokratischer Grundwerte im Nachkriegsdeutschland förderte.“

Wunderkind Yehudi

Gute Musik war dem Wunderkind Yehudi Menuhin schon früh wichtig – so soll er bereits im Alter von vier Jahren eine Spielzeug-Geige zertrampelt haben, weil die Töne in seinen Ohren schrecklich klangen. Daraufhin bekam der 1916 geborene Musiker seine erste, richtige Violine und Unterricht bei Siegmund Anker, einem Geiger aus Österreich, der in Menuhins Heimatstadt San Francisco lebte. Als der Junge sechs Jahre alt war, nahm der Konzertmeister Louis Persinger ihn als Schüler an. Mit sieben Jahren trat Menuhin erstmals öffentlich auf und im Alter von neun Jahren spielte er sein erstes Solokonzert. Die Familie folgte seinem Lehrer nach New York und zog nur wenig später nach Paris, wo Yehudi bei dem Ausbilder von Louis Persinger weiter lernen sollte. Weitere Umzüge folgten, Yehudi lernte neben der immer perfekteren Beherrschung seines Instruments die Sprachen Deutsch und Italienisch. Im Zweiten Weltkrieg gab er Konzerte für Soldaten, nach Kriegsende gab er Versöhnungskonzerte. Nach einem Zusammenbruch nahm Yehudi Menuhin eine Auszeit, bei der er zum Yoga fand, das er von da an regelmäßig praktizierte. In einer Anekdote aus dem Jahr 1949 wird erzählt, wie Yehudi Menuhin einem Berliner Drehorgelspieler eine größere Summe gibt, mit der Bemerkung „Wir Musiker müssen zusammenhalten.“ Der Künstler engagierte sich auch für den Nachwuchs. 1963 gründete er eine Schule für Violinenunterricht in England. Er rief einen Wettbewerb für junge Violinenkünstler im Alter bis zu 22 Jahren ins Leben und gründete eine internationale und eine deutsche Yehudi-Menuhin-Stiftung. Queen Elisabeth zeichnete ihn mit dem Ritterorden aus und er bekam, neben vielen anderen Ehrungen, das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Yehudi Menuhin starb kurz vor seinem 83. Geburtstag während einer Konzertreise in Berlin an einer Lungenentzündung.

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