Was bedeutet der vom Register festgestellte starke Anstieg diskriminierender und rassistischer Vorfälle?
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juni 2025
Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die B‘90/Grünen-Fraktion das Thema vorgeschlagen.
CDU-Fraktion
Das Berliner Register leistet einen Beitrag zur Sichtbarmachung extremistischer Vorfälle und Entwicklungen. Der Anstieg entsprechender Vorfälle ist besorgniserregend – die CDU-Fraktion nimmt diesen Trend ernst. Doch die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen: Die Daten beruhen auf subjektiven Meldungen ohne Verifikation. Zudem sind Vorfälle aus dem linksextremen, islamistischen und antichristlichen Spektrum deutlich untererfasst – das heißt aber nicht, dass sie nicht existieren. Eine fehlende Sensibilität der Akteure lässt sich hier nicht ausschließen. Es braucht mehr Ausgewogenheit im Auftrag und eine stärkere Einbindung in die Strafverfolgung und Präventionsarbeit. Nur eine objektive Analyse, die alle Formen von Extremismus und Menschenfeindlichkeit einbezieht, kann einen echten Beitrag für unseren Bezirk leisten.
Sean Zielinski
B‘90/Grünen-Fraktion
Das Register Charlottenburg-Wilmersdorf als zivilgesellschaftliche Dokumentationsstelle für extrem rechte und diskriminierende Vorfälle verzeichnet auch in 2024 eine hohe Fallzahl. Insbesondere rassistische und queerfeindliche Bedrohungen und Beleidigungen haben zugenommen. Im Rahmen der Aktionswochen gegen Rassismus kam es in diesem Jahr vermehrt zu rechter Hetze, Fake-Anmeldungen, Bedrohungen, Störaktionen und Diffamierungen gegen Akteure der Zivilgesellschaft. Dies sind gezielte Angriffe auf das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft, die darauf abzielen, Angst durch Bedrohung bei marginalisierten Gruppen und Engagierten der Zivilgesellschaft zu schüren. Die „Mobile Beratung gegen Rechts“, das „Demokratiebüro“, „ReachOut“ u. a. unterstützen und beraten betroffene Institutionen, NGOs und Privatpersonen und zeigen rechtliche Möglichkeiten auf. Der Bericht des Registers zeigt sehr deutlich, dass die Werte Freiheit, Toleranz und Vielfältigkeit, auf denen unsere Demokratie basiert, von rechten Gruppen bekämpft werden. Die Zivilgesellschaft in Charlottenburg-Wilmersdorf ist stark, mutig und vielfältig, darauf können wir stolz sein. Diese zu stärken, ist unser Ziel.
Anja Kraus und Sebastian Weise
SPD-Fraktion
Seit 2013 gibt es das bezirkliche Register Charlottenburg-Wilmersdorf im Rahmen des Projektes Berliner Register zur Dokumentation von diskriminierenden und rassistischen Vorfällen im Alltag. Im jährlich vom Register Charlottenburg-Wilmersdorf erstellten Bericht werden die gemeldeten Vorfälle dokumentiert. Die Vorfälle von Diskriminierungen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen im Alltag haben leider auch in Charlottenburg-Wilmersdorf zugenommen und sind Ausdruck des politischen Klimas und öffentlicher politischer Debatten über aktuelle Themen wie z. B. der Flüchtlingspolitik und dem Nahost-Konflikt. Umso wichtiger ist es, dass der Bezirk zivilgesellschaftliches Engagement und Initiativen unterstützt, die sich gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen. Es ist daher auch Aufgabe der in der BVV vertretenen demokratischen Fraktionen, hier eine klare Haltung zu zeigen und u. a. auch die wichtige Arbeit des Registers weiterhin zu unterstützen.
Constanze Röder
Linksfraktion
Die über 300 an das Register gemeldeten Fälle von Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Behindertenfeindlichkeit zeigen: Wir haben ein riesiges Problem mit steigender Menschenfeindlichkeit. Schuld daran hat vor allem die AfD, die das Schüren von Hass und Hetze als einzige politische Strategie verfolgt. Weil die gesichert rechtsextreme Partei regelmäßig in den Berichten des Registers auftaucht, attackiert sie dieses, wo sie nur kann. Der Anstieg von diskriminierenden und rassistischen Fällen veranschaulicht die Bedeutung der Arbeit gegen jedwede Ausgrenzung. Durch Sparmaßnahmen des Senats wird sie jedoch verunmöglicht. Das Register muss seit 2024 gekürzte Förderungen mit Spenden auffangen. Auf unsere Forderung will sich das Bezirksamt für eine Sicherung der Förderung gegenüber dem Berliner Senat einsetzen. Andere nötige Anlaufstellen für Betroffene werden unter dem Kürzungsdruck erst gar nicht geschaffen, wie die von uns geforderte Stelle zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus. Der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus steht und fällt mit den dafür nötigen Geldern.
Annetta Juckel
FDP-Fraktion
Der Anstieg diskriminierender und rassistischer Vorfälle ist ein alarmierendes Signal für die gesellschaftliche Entwicklung und das demokratische Miteinander in der Stadt. Die Ursachen sind vielfältig. Die Folgen von Radikalisierung im Internet und auch die weltpolitischen Ereignisse und die Berichterstattung darüber, bekommen auch die Bezirke in der Stadt zu spüren. Um diese Entwicklungen zu stoppen und den öffentlichen Diskurs wieder in demokratische Bahnen zu lenken, bedarf es vielfältiger Maßnahmen. Das Entscheidende für eine Reduzierung dieser Vorfälle ist aber ein struktureller Kulturwandel in der Gesellschaft. Dieser kann nur durch klare Zuständigkeiten und Kompetenzen, rechtlich verankerte Pflichten, Sanktionen und die konsequente Einbindung von Betroffenenorganisationen gelingen. Auch kann es bedeuten politische Radikalisierung sichtbar zu machen und zu evaluieren. Über die Berichte muss in der BVV öffentlich und transparent debattiert werden.
Dr. Felix Recke-Friedrich
AfD-Fraktion
Gar nichts! Das sogenannte Berliner Register ist ein gewiefter Profiteur der Kampf-gegen-Rechts-Industrie. Die gemeldeten „Vorfälle“ sind nicht etwa Gesetzesverstöße, nein, sondern völlig legale Meinungsäußerungen, die ungeprüft an den Pranger gestellt werden. Denunzianten-Portale wie das Register müssen ständig Nachschub liefern, damit das Geschäftsmodell floriert, mit dem man Millionen von Steuergeldern abgreifen kann.
So wird ein steter Anstieg von Rassismus und Diskriminierung vorgetäuscht – und dabei ist kein „Vorfall“ zu absurd. Beispiele:
Aufkleber „Deutsche Patrioten mit Migrationshintergrund“; die Zeitung Junge Freiheit veranstaltet ein Sommerfest; Aufkleber „Unsere Heimat, unsere Zukunft!“; AfD-Antrag in der BVV „Kein Hissen der Regenbogenfahne vor dem Rathaus“.
Patriotismus, Pressefreiheit und staatliche Neutralität sind kein Grund für Denunziation!
Auf Antrag der Linken wird auch der Bezirk das Register finanziell fördern – zusätzlich zu den Senats-Millionen und trotz leerer Bezirkskasse. Die AfD stimmte gegen die Finanzierung. Die CDU hatte nichts dagegen.
Martin C. T. Kohler