Gazette Verbrauchermagazin

Bier aus Pest’schen Dampfbraupfannen

Als in Schöneberg noch gebraut wurde

Hinein ins Vergnügen – hinter diesem Tor befand sich der Biergarten der Schöneberger Brauerei.
Hinein ins Vergnügen – hinter diesem Tor befand sich der Biergarten der Schöneberger Brauerei.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau September 2021
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Das Bier von hier – das galt in Schöneberg noch bis 1975. An der Dominicusstraße stand Berlins modernste Brauerei. Die Anfänge des Bierbrauens in Schöneberg liegen in grauer Vorzeit – bereits im 14. Jahrhundert wurde das beliebte Getränk im Schöneberger Dorfkrug hergestellt.

Ab 1867 begann Heinrich Schlegel in größerem Rahmen zu brauen. Er gründete die „Schloss-Brauerei Schlegel & Co. Berliner Bären-Brauerei“. 1886 gehörte sie zu den größten Brauereien Berlins. Mit einem großen Biergarten war sie ein beliebtes Ausflugsziel für Berliner, die die hier gebrauten Biere genossen: Bären-Bock, Kronenbier und Schlossbräu. 1905 erzeugte sie 160 000 Hektoliter Fassbier und 100 000 Hektoliter Flaschenbier. Die Brauerei war deutschlandweit die erste, die mit „Pest’schen Dampf-Braupfannen“ braute. Diese Braupfannen sparten eine Menge Brennmaterial ein. Die Brauerei wurde mit neuen Gebäuden ständig vergrößert – so gab es einen großen Fuhrpark und zweistöckige Stallungen für die 140 Zugpferde. Der Schornstein ragte mit 42 Metern hoch in den Schöneberger Himmel.

Biergarten und Dorfkrug florierten weiterhin. Bis zum Jahr 1937 – der Dorfkrug wurde abgerissen und das ganze Areal samt Biergarten mit dem Prälat Schöneberg bebaut. Das Veranstaltungszentrum mit seinen 12 000 Quadratmetern Fläche wurde weit über Schöneberg hinaus bekannt und gehörte schnell zu den wichtigsten Adressen der Stadt. Bälle in den verschiedenen Sälen, Konzerte, Vorträge, Versammlungen – es gab kaum jemanden, der den Prälat nicht von innen kannte. Für die benachbarte Brauerei war die Verbindung zum Prälaten ideal, denn die Getränke – vor allem Bier – flossen bei den Veranstaltungen in Strömen.

Unter dem Zweiten Weltkrieg litten sowohl Prälat als auch Brauerei. Beide wurden durch Bomben zerstört, aber schon bald wieder aufgebaut. Der Prälat blieb bis zum Bau des Palais am Funkturm der wichtigste Ort für Tanzveranstaltungen in Berlin (West). Sogar der alljährliche Presseball fand hier statt. Die Brauerei hatte in den Jahren ihres Bestehens zahlreiche Besitzwechsel miterlebt. 1954 ging sie an die Berliner Kindl Brauerei. Diese modernisierte die Schöneberger Brauerei umfassend und ließ 1963 neue, große Anlagen bauen. Darunter ein 35 Meter hoher „Produktionsblock“ und neue Verwaltungsgebäude. Doch diese wurden Mitte der 1970er-Jahre abgerissen und wichen dem Wohnungsbau. Auch der Prälat hatte seine besten Zeiten längst hinter sich. Die Konkurrenz war groß und für Veranstaltungen gab es mittlerweile viele andere Gebäude.

Seit 1987 stand der Prälat leer und war in den folgenden 20 Jahren ein viel diskutierter „Schandfleck“ im Stadtbild. 2007 wurde er zum größten Teil abgerissen, lediglich zwei denkmalgeschützte Säle blieben erhalten. Sie sind für die Öffentlichkeit aber nicht zugänglich. Heute stehen auf dem Gelände ein Supermarkt und ein Seniorenheim.

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