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Schönebergerin und Weltbürgerin

Vor 30 Jahren starb Marlene Dietrich

Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Juni 2022
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Ihre Karriere wurde ihr nicht in die Wiege gelegt: Marlene Dietrich wurde am 27. Dezember 1901 als Marie Magdalene Dietrich in der Schöneberger Sedanstraße, heute Leberstraße, geboren. Ihre ersten Jahre verbrachte sie auf der „Roten Insel“ in Schöneberg. Ihre Familie war gutbürgerlich – der Vater Polizeileutnant, die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die beiden Töchter Elisabeth und Marlene. Schon früh lernte sie Englisch und Französisch, sie bekam außerdem Klavier- und Geigenunterricht. Nach dem Tod des Vaters heiratete die Mutter einen Leutnant und die Familie zog 1914 nach Dessau. Der zweite Ehemann starb 1917, daraufhin ging Marlenes Mutter mit ihren beiden Töchtern zurück nach Berlin. Die Familie lebte in der Kaiserallee 54, der heutigen Bundesallee. Marlene besuchte die Victoria-Luisen-Schule – heute das Goethe-Gymnasium in Wilmersdorf. Sie verließ die Schule im Jahr 1918 ohne das Abitur abgelegt zu haben und begann eine Ausbildung zur Konzertgeigerin als Privatschülerin in Weimar. Ihr Lehrer war Robert Reitz, Professor der Staatlichen Musikschule Weimar – mit dem sie auch ein Verhältnis gehabt haben soll. Sie musste ihre Ausbildung aufgrund einer Sehnenentzündung im Jahr 1921 abbrechen und entschied sich für die Laufbahn als Schauspielerin.

Vom Varieté zum Film

Ihr erster Weg führte ins Varieté, wo sie einer singenden und tanzenden Girl-Truppe angehörte. Doch ihre Leidenschaft gehörte dem Theater und so sprach sie am Deutschen Theater vor. Ihre erste Rolle bekam sie 1922 in Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Innerhalb von etwas über einem halben Jahr war sie bei ca. 90 Stücken dabei – oft allerdings als Statistin. Bereits ein Jahr später bekam sie ihre erste Filmrolle. In dem Streifen „So sind Männer“ spielte Marlene Dietrich eine Zofe. Weitere Filme folgten, darunter 1927 auch die ersten Hauptrollen in kleineren, heute fast unbekannten Produktionen. Bereits 1923 hatte Marlene Dietrich Rolf Sieber geheiratet, sie bekamen eine gemeinsame Tochter. In den 1930er-Jahren trennte sich das Ehepaar, sie blieben aber bis zu Siebers Tod im Jahr 1976 verheiratet.

Der Weg nach Hollywood

Ihre wohl bekannteste Rolle, mit der man immer Marlene Dietrich verbinden wird, ist die der Lola in „Der blaue Engel“, der 1930 Uraufführung feierte. Sie brachte ihr den internationalen Durchbruch. Für Regisseur Sternberg war die Besetzung ein Risiko, denn kaum jemand kannte Marlene Dietrich bis dahin. Ihr Schauspielpartner Emil Jannings lehnte Marlene völlig ab. Doch der Film war sowohl in Deutschland als auch in den USA ein Erfolg. Das Lied „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, engl. „Fallen in love again“ aus dem Film wurde international ein Hit. Sie folgte Josef Sternberg nach Hollywood und bekam einen Vertrag bei Paramount Pictures. Sie wurde zum Sexsymbol – die dralle Darstellerin nahm 15 Kilo ab und legte viel Wert auf hochwertige Kleidung, die ideale Beleuchtung und ein stets erstklassiges Make-up. Sie ging sogar so weit, dass sie sich vier Backenzähne ziehen ließ, damit ihre Wangenknochen höher wirkten. Sie spielte mit Gary Cooper, Cary Grant und anderen bekannten Hollywood-Größen. Das Angebot von Goebbels, nach Deutschland zurückzukehren, schlug sie aus. 1939 nahm Marlene Dietrich die Staatsbürgerschaft der USA an. Ihre Karriere verlief nicht ohne Brüche – sie teilte das Schicksal anderer Schauspieler, als sie in der Mitte der 1930er-Jahre zum Kassengift wurde. Ihre Filme erzielten nicht mehr die erhofften Einnahmen.

Engagement gegen den Nationalsozialismus

Das Sexsymbol vollführte einen radikalen Imagewandel. In „Der große Bluff“ spielte sie eine frivole Barfrau, die zweideutige Lieder zum Besten gab. Während des Zweiten Weltkriegs wandte sie sich entschieden gegen den Nationalsozialismus. Als Sängerin trat sie für die amerikanischen Soldaten auf – bevorzugt sehr nahe an der Frontlinie. In den USA wurde sie wegen ihres Einsatzes für die GI’s geliebt und war eine der begehrtesten Künstlerinnen für die Truppen in Afrika und Europa. Auch beim Vormarsch auf Deutschland wollte sie unbedingt dabei sein. Vor einem Auftritt in Stolberg bei Aachen erkannten deutsche Frauen Marlene Dietrich und begrüßten sie begeistert. Doch in den Folgejahren traf sie in ihrem Geburtsland nicht immer auf freundliche Stimmen – sie galt als „Vaterlandsverräterin“, denn sie hatte nach Meinung einiger Bürger mit ihrer Opposition gegen die Nazis auch die deutschen Soldaten „verraten“. Selbst nach ihrem Tod gab es kontroverse Diskussionen um Straßen- und Platzbenennungen nach Marlene Dietrich.

Die letzten Jahre

Doch die mutige Künstlerin wurde selbst in Israel gefeiert, wo sie als erste Sängerin auf der Bühne deutsche Lieder sang – was eigentlich verboten war. Das Publikum war erst schockiert, anschließend begeistert. Nachdem sie auch ein israelisches Volkslied sang, eroberte sie endgültig die Herzen. Nach einem Beinbruch im Jahr 1975 zog sie sich von der Bühne zurück. Sie stand noch einmal vor der Kamera in „Schöner Gigolo, armer Gigolo“, Anschließend mied sie die Öffentlichkeit. Sie lebte in einer großen Wohnung in Paris. Angebote, gefilmt oder fotografiert zu werden, lehnte sie ab. Nur enge Freunde und Angehörige durften sie besuchen. Selbst für einen Dokumentarfilm über ihr Leben durfte sie nicht gefilmt werden. Der Film von Maximilian Schell bestand schließlich aus Interviews, die mit alten Filmaufnahmen unterlegt wurden. Er wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Sie bat ihre Tochter Maria Riva, ihre Biografie zu schreiben, da nur sie die Wahrheit kenne. Vor 30 Jahren – am 6. Mai 1992 starb die große Schauspielerin und Sängerin in Paris. Sie wurde auf dem Friedhof in der Friedenauer Stubenrauchstraße beigesetzt und bekam ein Ehrengrab der Stadt Berlin. 2002 wurde ihr posthum die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin zuerkannt.

Die verleugnete Schwester

Marlenes ältere Schwester Elisabeth soll das Gegenteil von dem Star gewesen sein. Sie war eher unauffällig und bieder. Trotzdem hatten die Schwestern ein gutes Verhältnis. Nach dem Krieg gab Marlene in Interviews jedoch an, ein Einzelkind zu sein. Was war geschehen? Gegen Kriegsende traf sie ihre Schwester wieder – diese hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Kino nahe dem KZ Bergen-Belsen betrieben. Auch wenn Marlene weiterhin Kontakt zu ihrer Schwester hielt – offiziell gab es Elisabeth nicht mehr, da die Diva fürchtete, dass Enthüllungen zu der Rolle ihrer Schwester in Kriegszeiten ihrer Karriere schaden könnten.

Titelbild

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