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Sport im Abseits – keine Wertschätzung mehr für den Sport?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Foto: Rob Wilson / Unsplash
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Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf März 2022
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SPD Charlottenburg-WilmersdorfCDU-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf

Das Olympiastadion, das Mommsenstadion, der SCC – Sport ist im Bezirk eine fest verankerte Größe. Wie ist die Zusammenlegung des Sport- und Schulausschusses zu bewerten? Lesen Sie die Stellungnahme der Fraktionen in der BVV:

B‘90/Grünen-Fraktion

Charlottenburg-Wilmersdorf ist nicht nur Heimat großer, sondern auch vieler Sportvereine und Sportler*innen. Zehntausende treiben Sport und sind in den hiesigen Vereinen organisiert. Eine beeindruckende Zahl ist zudem nicht nur zur eigenen körperlichen Betätigung im Sportverein, sondern leistet in der Freizeit wichtige Arbeit zur Erhaltung unserer sozialen Infrastruktur. Sport ist soziales Miteinander, Gesundheitsvorsorge, Beteiligung und Integrationsarbeit. Allen Engagierten gebührt Respekt und großer Dank für ihren Dienst an unserer Gesellschaft.

Die Zusammenlegung des Sport- und des Schulausschusses wird, anders als zum Teil befürchtet, die herausragenden Leistungen und die wichtigen Wirkungen des bezirklichen Sports nicht mindern. Natürlich muss der bezirkliche Sport im Rahmen des neuen Ausschusses für Schule und Sport die ihm gebührende Geltung erhalten. Dies zu gewährleisten wird Aufgabe aller Parteien sein, welche die Sportpolitik ernstnehmen. Wir als Grüne Fraktion setzen uns für die Nutzung der Synergieeffekte im neuen Ausschuss ein und werden uns für einen nachhaltigen, inklusiven Sport für alle Charlottenburg-Wilmersdorf einsetzen – auch und insbesondere für Mädchen.

Adrian de Souza Martins

SPD-Fraktion

Gerade in unserem Bezirk haben Jung und Alt viele Möglichkeiten, Angebote im Breiten- und Vereinssport zu nutzen. Trotz der diversen vorhandenen Sportstätten gibt es weiteren Bedarf. Deshalb wird die Hauptaufgabe die Weiterentwicklung des Sportentwicklungsplanes sein. Wir setzen uns zudem für die Weiterverfolgung des Sportstättensanierungsprogramms ein. Die Akquise von externen Geldern für die Sanierung ist uns ein wichtiges Anliegen.

Mittelfristig fördern wir den Ausbau von Sport- & Freizeitgeräten in Parks, um den Breitensport zu stärken. Kurzfristig wollen wir die Kooperationen mit den Sportvereinen verbessern, daher plant unsere Sportstadträtin die Gründung eines Rats des Sports. Schulsport & Vereinssport wollen wir sinnvoll verzahnen, denn es gibt viele Synergieeffekte.

Wertschätzung ist verbunden mit Respekt, Wohlwollen und Zugewandtheit. Das entsteht nicht durch Formalia, wie der bisherige eigenständige Sportausschuss gezeigt hat. Sondern durch Sportstätten, die auf dem neuesten Stand sind, eine Sportstadträtin und Fraktionen, die stets ansprechbar sind und durch die Weiterentwicklung und Verzahnung von Angeboten.

Constanze Röder und Dr. Felicitas Tesch

CDU-Fraktion

In der letzten BVV wurde die über 50-jährige Tradition eines eigenständigen Sportausschusses im Bezirk mit den Stimmen von Grünen und SPD beendet. Diese Tradition war ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den meist ehrenamtlichen Helfern, die sich innerhalb und außerhalb des organisierten Sports tagtäglich engagieren. Dass der Sport einen elementaren gesellschaftlichen Beitrag leistet, wenn es sich um Fragen der Wertevermittlung, des sozialen Engagements, der Gesundheitsförderung, sowie der Integration und der Inklusion handelt, ist gerade im Kontext der Pandemie unbestritten. Daher ist es schwer nachzuvollziehen, dass die künftige kommunalpolitische Arbeit in diesem Bereich radikal beschnitten wurde. Der zusammengelegte Ausschuss für Schule und Sport sorgt dabei für eine unnötige Konzentration zweier Bereiche, die in ihrer Konsequenz eine massive Verringerung der jeweiligen Ausschussarbeitszeiten zur Folge hat. Inhaltlich kann bei der Gewichtung dieser sehr intensiven Themen keine korrekte Arbeit mehr geleistet werden. Der vorgeschlagene Rat des Sports der zuständigen SPD-Stadträtin wird daher den bevorstehenden und absehbaren Verlust durch einen eigenständigen Sportausschuss nicht auffangen können.

Alexander Pönack

FDP-Fraktion

Auf die Frage, ob der Sport ins Abseits geraten ist, muss die Antwort leider „Ja“ lauten oder wie ist die, durch die Zählgemeinschaft (Grüne + SPD) initiierte Zusammenlegung der elementaren Ausschüsse Schule und Sport aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger zu verstehen? Ist Schule jetzt nicht mehr so wichtig und man kann es einfach mit Sport zusammenlegen? Oder ist Sport nicht mehr so wichtig und man kann ihn irgendwie und irgendwo, hier auf „Wunsch“ der rot-grünen Mehrheit, an die Schule „dranhängen“?

Die FDP-Fraktion hat sich in der BVV vom 20.1.2022 entschieden auf die Seite der sportbegeisterten Bürgerinnen und Bürger gestellt und sich geschlossen gegen die Zusammenlegung der Ausschüsse Sport und Schule gestemmt. Aus Sicht der FDP-Fraktion haben sowohl Schule als auch Sport jeweils einen eigenständigen Ausschuss verdient. Für uns aktive Sportlerinnen und Sportler bedeutet Sport: Ich fördere meine Gesundheit und verhindere somit Bewegungsmangelkrankheiten und anschließende Vulnerabilität. Sport fördert zudem gesellschaftliche Partizipation, erleichtert Integration und das Erlernen von Werten und Normen. Sport hilft, Vorurteile abzubauen. Deshalb benötigen Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren mehr Wertschätzung und mehr Möglichkeiten, Sport auch niedrigschwellig auszuüben.

Christian M. Schuchert

Linksfraktion

In der Januar-BVV wurden mit Stimmenmehrheit von Grünen und SPD die bisher eigenständigen Ausschüsse Schule und Sport zusammengelegt. Aus linker Sicht beschneidet dies den dringend notwendigen Raum für Diskussionen und Beratungen in beiden Bereichen, obwohl genug Aufgaben anstehen: Lösungen für fehlende oder marode und kostenfreie Sportanlagen, Umsetzung des Sportentwicklungsplans, Rekommunalisierung der Schulreinigung, Schulbauoffensive, Fortschreibung des Schulentwicklungsplans, usw. Angesichts der Aufgabenfülle zeigt der Schritt der Zusammenlegung für uns wenig Wertschätzung gegenüber Eltern, Lehrer:innen, Schüler:innen sowie ehrenamtlich Aktiven und Sportvereinen, die an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden müssen. Schule und Sport haben höchste gesellschaftliche Bedeutung und sind Themen, die nicht zusammenzustreichen sind. Wir erwarten, dass sie im nun gemeinsamen Ausschuss genügend Raum erhalten und dass Akteur:innen umfassend einbezogen werden. Der von der SPD-Stadträtin geplante Rat des Sports muss schnell starten und transparent und begleitend zum Ausschuss arbeiten – alle Akteur:innen des organisierten und nichtorganisierten Sports sind einzubeziehen, damit Sport nicht ins Abseits gerät.

Frederike-Sophie Gronde-Brunner

Titelbild

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