Gazette Verbrauchermagazin

Erreichbarkeit der Bürgerämter

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Bürgeramt im Rathaus Zehlendorf.
Bürgeramt im Rathaus Zehlendorf.
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Juli 2021
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Schon seit Jahren gibt es immer wieder Probleme für die Bürgerinnen und Bürger, zeitnah, mitunter aber auch mittelfristig, Termine bei den Bürgerämtern zu buchen. Wer dies z. B. online versuchte, bekam nicht selten für die nächsten Wochen nicht einen einzigen freien Termin angezeigt. Und während der Covid-19 Pandemie hat sich diese Entwicklung in den letzten Monaten noch verschärft. Auch in der Bezirksverordnetenversammlung wurde diese Problematik mehr als einmal erörtert. Im Folgenden stellen die Fraktionen in der BVV- Steglitz-Zehlendorf ihre Sicht zu diesem Thema dar.

CDU-Fraktion

Der Staat verpflichtet uns, alles Mögliche im Bürgeramt durchführen zu müssen. Dann muss er auch dafür sorgen – auch in einer Pandemie –, da er uns diese Pflichten auch nicht erlässt, dass wir diese auch erfüllen können. Die Verletzung einiger Pflichten ist sogar mit Ordnungswidrigkeitsstrafe bedroht. Der Staat setzt unser Steuergeld für alle möglichen Projekte – auch während der Pandemie – ein, darunter 185 „Gender“ Professuren in Deutschland, die Förderung der Geschlechterneutralität des Berliner Toilettenwesens, den Einbau oder das Aufmalen immer weiterer Hindernisse auf die Straßen der Stadt, oder das Schaffen von immer mehr Arbeitsstellen für niemandem nutzende Exotenprojekte linker Überschussakademiker. Bei so viel Engagement im sinnlosen Bereich bleibt natürlich kein Geld mehr für die Finanzierung des notwendigen Personals in den Bürgerämtern. Wenn noch dazu kommt, dass der zuständige Bezirksstadtrat Karnetzki (SPD) zum Organisieren des Bürgeramtes in der Pandemie unfähig ist, führt das zu viel zu wenigen Terminen und ein riesiger Rückstau entsteht. Würden wir entscheiden, gäbe es das nicht, sondern auch ein mobiles Bürgeramt!

Torsten Hippe

SPD-Fraktion

Die Bürger*innen sind unzufrieden mit den Berliner Bürgerämtern. Für einen neuen Ausweis oder Reisepass für die ersehnte Urlaubsreise wird man einer harten Geduldprobe ausgesetzt. Im Online-Portal sind nur selten freie Termine zu finden. Und wer es dann über das Bürgertelefon des Senats probiert, bleibt lange in der Warteschleife, um am Ende trotzdem keinen Termin zu haben. Es ist kein Trost, dass es woanders, z. B. in München, nicht besser ist. Die Bürgerämter arbeiten, 113.000 Termine im Monat werden derzeit bedient. Doch mehr als ein Jahr Pandemie können nicht ohne Spuren bleiben. Im ersten Lockdown 2020 sind etwa 250.000 Bürgeramtstermine ausgefallen. Nach einer Zeit der Beruhigung kam es im zweiten Lockdown zu neuen Einschränkungen. Auflösen lässt sich der Stau nur mit mehr Personal. Leider hat die Bezirksbürgermeisterin aber dafür kein Geld bewilligt, damit das Bürgeramt auf den neuen Personal-Pool des Senats für die Bürgerämter zurückgreifen könnte. Trotzdem gilt: Für Notfälle, das ist z. B. die konkret bevorstehende Reise, gibt es direkt am Tresen der Bürgerämter Notfall-Termine. Für Anderes bleibt weiter Geduld gefragt.

Rainer Ziffels

B‘90/Grünen-Fraktion

Bereits seit Anfang der Corona-Krise erreichten uns Mitteilungen zur mangelnden Erreichbarkeit des bezirklichen Bürgeramtes – Bürger*innen hätten zum Teil online keine Termine bekommen, obwohl kurz darauf eine Reihe an Terminen frei geworden sei, hätten das Bürgeramt telefonisch nicht erreicht und auch über die Berliner Behördennummer 115 keinen Erfolg erzielt. Dies ist bei einer massiven Umstrukturierung zu Beginn einer Pandemie sicherlich verständlich. Inzwischen gab es aber wichtige Maßnahmen wie Hygienekonzepte, Masken, Test und Impfungen. Amtsintern wurden sogenannte „Notfallsprechstunden“ geschaffen – doch auch hier kommt es immer wieder zu Beschwerden über eine mangelnde Erreichbarkeit oder eine Vorselektion durch das Sicherheitspersonal im Bürgeramt anstatt durch Sachbearbeiter*innen. Dringliche Ausweispapiere seien so z.T. nicht zu erhalten gewesen. Dies wäre – sollten sich die Berichte bewahrheiten – kein tragbarer Zustand. Wir werden daher sehr aufmerksam bei der Beantwortung einer entsprechenden großen Anfrage durch den zuständigen Stadtrat sein und müssen ggf. auch über eine transparente Erfolgskontrolle nachdenken.

Carsten Berger

AfD-Fraktion

Boris Palmer, Tübingens grüner Oberbürgermeister, hatte im Jahr 2018 bei einem Berlin-Besuch die Worte in die Welt gesetzt, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands! Palmer, stets Realist auch dann, wenn die Realität dem ideologisch geprägten Wunschdenken seiner eigenen Partei diametral entgegensteht, hat recht. Eine grüne Berliner Bezirkspolitikerin fasste den Stand der Digitalisierung der Berliner Verwaltung vor einem Jahr mit den knackigen Worten zusammen, wir sind technisch „kurz hinter der Karteikarte“ – ein Begriff, der derart in der Vergangenheit liegt, dass die jüngere Generation ihn vielleicht gar nicht mehr kennt. Der Leidtragende dieser Entwicklung – genauer: Stagnation –: der Bürger. Die coronabedingten Einschränkungen jedweden Begegnungsverkehrs, sei es in Büros oder Ämtern, haben die Situation sowohl noch einmal ganz deutlich gemacht wie drastisch verschärft. Das Ergattern eines Termins erinnert an die Lieferzeit eines Trabis seinerzeit oder die Hoffnung auf einen Sechser im Lotto. Ein Trost: viele engagierte Mitarbeiter in den Bezirksämtern versuchen den leidgeplagten Bürgern zu helfen, wo sie nur können.

Peer Döhnert

FDP-Fraktion

Vorweg: Die Mitarbeiter der Bürgerämter sind in der Regel sehr engagiert. Die Erwartungen an sie sind hoch, die Voraussetzungen jedoch nicht optimal. Das Problem sind nicht die Menschen in den Ämtern. Es sind vielmehr die nicht mehr zeitgemäßen Strukturen, die selbst die einfachsten Verwaltungsaufgaben wie auch das Erfüllen gesetzlicher Vorgaben, etwa zur Ummeldung der Wohnanschrift, zur Behördenodyssee werden lassen. Wir Freie Demokraten (FDP) fordern schon seit langem „Behörde“ neu zu denken und u. a. die Funktionen der Bürgerämter digitalisiert neu aufzustellen. Das „digitale Rathaus“ als alternatives Angebot würde nicht nur die bestehenden Strukturen entlasten, sondern ein völlig neues Serviceverständnis ermöglichen. Behördengänge rund um die Uhr digital von zu Hause aus sind keine Utopie, sondern die Folge gezielter Investitionen, klarer Zuständigkeiten und vor allem entsprechender Beschlüsse aller beteiligten Verwaltungen. Leider fehlt hierzu noch immer der politische Wille, so dass wir Bürger auch in Zukunft uns erst hinten anstellen und hoffen müssen, dass wir mit unseren Anliegen auch ein behördliches Gehör finden.

Andreas Thimm

Linksfraktion

Dienstleistungen der Bürgerämter sind Pflicht-Dienstleistungen. Also muss Verwaltung an der Stelle in die Lage versetzt werden zu funktionieren. Mit ausreichend Personal, Raum, Technik. In Berlin gibt es seit Jahren die nun erneut und verstärkt aufgepoppten Probleme. Und es gibt immer – wie aktuell auch wieder – Ideen, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Keine davon hat bisher zum Erfolg geführt! Vielleicht mangelt es an einer ordentlichen Problemanalyse? Überstunden anordnen, Öffnungszeiten verlängern und Mitarbeitende nicht zu Schulungen gehen lassen, wie vom Innensenator vorgeschlagen, klingt nach dem althergebrachten Muster: Alles auf den Rücken der Beschäftigten abladen! Verkürzung der Beratungszeit von 12 auf 10 Minuten und Zentralisierung, wie von Geisel vorgeschlagen, führen nicht zu mehr Bürger:innen-Freundlichkeit! In einem hat der Innensenator gewiss Recht: Die Bezirke hätten womöglich mehr Gestaltungsspielräume, als sie ausnutzen. Auch das könnte analysiert werden, um auf einer guten Datengrundlage ordentliche Konzepte zu entwickeln, die allen dienen: den Bürger:innen und den Beschäftigten der Bürgerämter!

Mathias Gruner

Titelbild

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