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120 Jahre Steglitzer Zimmermannstraße

410 Meter zwischen Kiez und Weltgeschichte

Zimmermannstraße um 1910.Archiv A. Koska
Zimmermannstraße um 1910.Archiv A. Koska
Erschienen in Gazette Steglitz Februar 2021
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„Was, so viel“, der ungläubige Ausruf von Karl-Heinz Than sprach Bände. Der seit 40 Jahren in der Zimmermannstraße ansässige Antiquar glaubte einiges über „seine“ Straße zu wissen, aber dass es doch 460 Seiten geworden sind, ließ ihn staunen. Ende vorigen Jahres erschien das Buch „410 Meter zwischen Kiez und Weltgeschichte“ in dem sich Andreas Koska der Zimmermannstraße in Steglitz widmet.

Recherche seit 1985

„Mit der Recherche habe ich 1985 begonnen, danach schlummerte das Material, sauber in Kisten verpackt, rund 20 Jahre auf dem Speicher“, berichtet Koska. Der Besuch eines befreundeten Ehepaars ließ ihn wieder an die Sammlung denken und weiter forschen. „Ich war erstaunt was ich schon in der analogen Zeit herausgefunden habe, das Internet ließ die Erkenntnisse und das Material anwachsen“, erzählt der 64jährige Autor. Besonders gefreut hat den Autor, dass sich viele Zeitzeugen mit Dokumenten und Fotos gemeldet haben. „Das sind die authentischen Berichte, die ich sonst nirgends gefunden hätte“, ist Andreas Koska überzeugt. Die Veränderungen in der Struktur der Geschäfte sind in dem Buch dokumentiert. Einen Schwerpunkt bilden besondere Ereignisse in der kurzen Nebenstraße der Schloßstraße und vor allem Biografien der vielen hier wohnenden und arbeitenden Menschen.

Anekdoten und Anwohner

Die letzte Blumenfrau vom Potsdamer Platz hat hier ihre Ware veräußert, Schauspieler, Künstler, Wissenschaftler wohnten oder wohnen hier. Die Dada-Bewegung hatte hier ein Epizentrum und die „Steglitzer Werkstatt“ ging bei der Graphik neue Wege. Geschichten der Teilung Berlins und Deutschlands leben in den Biografien wieder auf. Die Eulenburg-Harden-Affäre um die Homosexualität in der kaiserlichen Reichswehr hat die Straße ebenso tangiert wie der Kampf gegen die Obristen-Junta in Griechenland. Richard Jahre, der später Kondensatoren für die Apollomissionen hergestellt hatte, wurde hier zwangseinquartiert. Mindestens sechs Stars des Dauerbrenners „GZSZ“ wohnten hier, Frederick Lau, der Star des deutschen Films, ist hier aufgewachsen und Biggi Freyler, Hauptdarstellerin bei Oswalt Kolle ebenso. Besonders ist jedoch die Geschichte von Gertrud Pütsch, die mit ihren Eltern als zweijähriges Kind im Jahr 1912 eine Wohnung in der Zimmermannstraße bezog und erst knapp 100 Jahre später in ein Altersheim weiterzog. „96 Jahre wohnte sie alles in Allem hier, die Nachbarn haben ihre Taufschuhe bis heute aufbewahrt.“ Koska ist von solchen Geschichten begeistert. „Lassen Sie sich überraschen, vielleicht werden Sie Neues erfahren, das Buch ist eine kleine Liebeserklärung an die Straße, in der ich ein Vierteljahrhundert gelebt habe“, lädt Autor Andreas Koska zur Lektüre ein.

Andreas Koska, „410 Meter zwischen Kiez und Weltgeschichte. Auf den Spuren einer 120jährigen Straßengeschichte“, Ortssinn-Verlag 2020, 460 Seiten, 24,50 Euro. Erhältlich im Berlin-Antiquariat, Zimmermannstraße 26 sowie im Buchhandel.

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