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Lichterfelde

Wohnen für ledige Beamtentöchter

Rother-Stift in Lichterfelde mit sozialem Hintergrund

15.10.2025: Ein architektonisches Juwel mit sozialer Geschichte steht seit über einem Jahrhundert in Lichterfelde. Das Rother-Stift in der Kommandantenstraße, ein imposanter Backsteinbau im Stil der Neugotik, ist nicht nur ein denkmalgeschütztes Gebäude, sondern auch ein Zeugnis preußischer Sozialfürsorge und der wechselvollen Geschichte Berlins.

Preußischer Minister und Bankdirektor

Ursprünglich ins Leben gerufen wurde die Rother-Stiftung im Jahr 1840 durch den preußischen Staatsminister Christian Rother. Er war von 1820 bis 1848 Chef der 1772 gegründeten preußischen Seehandlung, die das Monopol für den Salzhandel innehatte und im Laufe der Jahrzehnte zum unabhängigen Kredit- und Handelsinstitut des Staates geworden war. Zusätzlich verwaltete die Seehandlung das preußische Leihamt. Christian Rother war zudem ab 1831 Direktor der königlichen Hauptbank.

Rother-Stift 2025

Hilfe für ledige Beamten-Töchter

Zweck der Stiftung war, unverheirateten Töchtern von verstorbenen Beamten und Offizieren eine sichere Unterkunft zu bieten. In einer Zeit, in der für Frauen der Oberschicht eine Berufstätigkeit kaum denkbar war, drohte den unverheirateten Frauen nach dem Tod des Vaters oft eine unsichere Zukunft, für ärmere Familien waren sie oft eine Belastung. Die Stiftung sollte diesem Problem entgegenwirken.

Vom Halleschen Tor nach Lichterfelde

Das 1842 erbaute erste Haus des Rother-Stifts, lag am Mehringdamm, unweit des Halleschen Tors. 1895 wurde das dortige Haus samt Grundstück verkauft, da sein Wert mittlerweile um das Hundertfache gestiegen war. Der heutige Standort in Lichterfelde – damals noch vor den Toren Berlins gelegen – wurde erst in den 1890er-Jahren erschlossen. Nach dem Verkauf des dortigen Grundstücks zu einem hohen Erlös konnte ein drei Hektar großes Areal in Groß-Lichterfelde erworben werden. Von 1896 bis 1898 errichtete der Architekt Alfred Kärner, inspiriert vom Kloster Chorin, den beeindruckenden Gebäudekomplex. Am 5. Oktober 1898 wurde das Stift eingeweiht und bot Platz für etwa 40 bis 45 Bewohnerinnen.

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Stolperstein für Bewohnerin

Die folgenden Jahrzehnte brachten für das Stift tiefgreifende Veränderungen. Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg zwang die Stiftung zum Verkauf von Teilen des Grundstücks. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde jüdischen Frauen der Aufenthalt verwehrt. Ein Stolperstein vor dem Grundstück erinnert heute an das Schicksal der Jüdin Betti Kierski, die das Stift 1938 verlassen musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg besetzten amerikanische Truppen die Gebäude. Die Bewohnerinnen durften nur noch ein Gebäude nutzen und mussten auf engem Raum zusammenrücken.

Wohnen in der Genossenschaft

Trotz finanzieller Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit konnte die Stiftung ihre Arbeit zunächst durch weitere Grundstücksverkäufe fortsetzen. Schließlich ging das Rother-Stift im Jahr 2007 in den Besitz der 1900 gegründeten Genossenschaft „Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin“ über. Bei der Gründung standen die Wohnungen Beamten, deren Witwen und deren ledigen Töchtern zur Verfügung. Heute können die Wohnungen des „Rother Park“ von allen Genossenschaftsmitgliedern gemietet werden. Neben dem historischen Altbau, der seit 1992 unter Denkmalschutz steht, wurden im Jahr 1997 neue Häuser bebaut.

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