Gazette Verbrauchermagazin

Fairtrade bis in die Kaffeetasse

Bezirk sensibilisiert Schüler in Workshops für fair gehandelte Ware

Erschienen in Lankwitz Journal April/Mai 2018
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Im Regenwald schwitzen, lernen und verstehen.
Im Regenwald schwitzen, lernen und verstehen.

Mit seinem vermehrten Engagement für fairen Handel ist der Bezirk Steglitz-Zehlendorf auf gutem Weg, im Rahmen der deutschlandweit zu diesem Thema laufenden Kampagne „Fairtrade Town“ zum „Fairtrade-Bezirk“ ernannt zu werden (siehe Beitrag Juni/2017).

Dazu ist es wichtig, auch die jüngeren Generationen zu sensibilisieren und mit einzubeziehen sowie Schulen und Bildungseinrichtungen im Bezirk das Thema fairer Handel verstärkt in ihren Lehrplan einbauen zu lassen.

In von Mitarbeiter, Lehrern und Studenten der Botanikschule erstellten Workshops lernen Bezirks-Schülerinnen und -Schüler nun, was unser täglicher Kaffeekonsum für die in kaffeeanbauenden Ländern lebenden Menschen bedeutet.

Vom Kaffeeanbau über Ernte, Handel bis hin zu Weiterverarbeitung und Transport wird dabei der Weg des „schwarzen Goldes“ vom Samen bis in unsere Tasse aufgezeigt und die Notwendigkeit des fairen Handels verdeutlicht.

Am Kaffeeparkour alle Hürden nehmen

Workshop-Teilnehmer im Haus der Botanikschule im Botanischen Garten waren auch 24 Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse der Lankwitzer Bröndby-Schule mit ihrer Klassen- und einer Erdkunde-Lehrerin:

Was ist eigentlich fairer Handel? – Mit dieser Eröffnungsfrage des „Kaffeeparkour“ wendet sich Elke Anders, die als Lehrerin im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie an der Botanikschule arbeitet, an die jungen Besucher. Die Antwort kommt schnell aus deren Reihen – bezogen auf Kaffeeplantagen-Arbeiter: „Fairer Handel ist, wenn Leute fair behandelt werden und wenn ihre Leistung gerecht bezahlt wird.“ Auch, dass fair gehandelte Ware – in diesem Fall Kaffee aus Anbaugebieten Afrikas, Asiens oder Südamerikas, in denen auf diese Gerechtigkeit geachtet wird – in vielen Verkaufsstellen im Bezirk zu kaufen und am Fairtrade-Siegel zu erkennen ist, ist bereits vielen der Schüler klar. Sven* lässt überzeugt verlauten: „Um´s Einkaufen kümmere ich mich nicht, meine Mutter kauft ein und nimmt bestimmt das Richtige und Qualität.“

Dennoch hört er genau zu, als im anschließenden Einführungsfilm der Begriff „Fairtraide“ am Beispiel „Kaffee“ verdeutlicht wird. Ein Begriff, der aber u. a. auch auf die Produkte Bananen, Honig, Kakao, Schnittblumen, Reis und Wein zutrifft.

Im vorgeführten Film ist dann die Rede von nur geringer Bezahlung der Plantagenbesitzer, von Spekulationen am Finanzmarkt, Kinderarmut und Ernteausfall. Aber auch davon, dass dank der Unterstützung und Kontrolle durch Fairtrade-Organisationen diesen Missstände entgegengewirkt werden kann. Siegel-zertifizierte Kaffees stehen so für bessere Arbeitsumstände, keine Kinderarbeit, für die Beteiligung kleiner Plantagenbauer am Gewinn, für geringeren Wasserverbrauch und besseres Mitspracherecht beim Aushandeln eines kostendeckenden Ankaufpreises im Herkunftsland. Dabei wird der Rohkaffee erst vor Ort im Ankunftsland geröstet und verpackt.

Viel Praxis-Wissen auf Augenhöhe zum Thema Kaffeeanbau- und Ernte bringt Heike Kammer mit. Die Referentin für Globales Lernen und Friedensarbeit hat in Südamerika gelebt und gearbeitet. „Ich habe selbst Kaffee geerntet, und irgendwann wurde ich auch Kaffeetrinkerin“, verrät sie den Schülern, von denen sich erst wenige als Kaffeefreunde bezeichnen. Auf Plakaten studieren sie Informationen über die kaffeeanbauenden Länder, über Fairtrade-Produkte, -Marken und Siegel, aber auch über fairen Handel in Deutschland und ein deutliches NEIN zur Kinderarbeit. Um selbst ein Gefühl für die Materie Kaffee zu bekommen, dürfen die jungen Gäste der Botanikschule nun selbst aus einem Korb mit Erbsen den Rohkaffee mühsam „herauspflücken“, als Kaffeepflücker ihre Ernte an den Händler verkaufen, als Röster vom Händler kaufen und schließlich die Bohnen auf einem Kocher im Topf rösten, mahlen und für den Handel verpacken. Bald durchzieht frischer Kaffeeduft die Botanikschule und allen ist klar geworden, wie viel Arbeit aufgebracht werden muss, bis der Kaffee in der Tasse dampft.

Spielerisch und im Quiz lernen die Schüler an diesem Vormittag außerdem Ernterisiken, drohende Ausbeutung und Preisschwankungen kennen, erfahren sie, wie Angebot und Nachfrage den Einkaufspreis beeinflussen, sinkende Weltmarktpreise sich existenz- und lebensbedrohend auswirken. Im anschließenden Quiz wird dieses Verständnis vertieft und – je nach Erfolg – mit Fairtrade gehandelten Schokoladentäfelchen belohnt, denn Kopfarbeit macht Appetit.

Den Schülern gefällt´s. „Die einzelnen Stationen machen Spaß, und außerdem wusste ich schon vieles“, freut sich Ronja*, die einiges Vorwissen über Fairtrade aus dem Schulunterricht mitbringt.

Die den Workshop vor Ort begleitenden Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement-Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Campus Schöneberg haben den Parkour mit viel Einfühlungsvermögen mitentwickelt, man spürt ihre Begeisterung für die Materie sowie ihr Verständnis für die Jugendlichen.

„Bildung kennt kein Alter“, betont Studentin Michelle. Und so kann sie sich gut vorstellen, einen ähnlichen Parkour auf Pflege- und Senioreneinrichtungen abgestimmt weiterzuentwickeln: „Um auch dort eine größere Sensibilisierung für Fairtrade und ein geändertes Konsumverhalten bewirken zu können.“ In diesem Bereich gäbe es reichlich Aufklärungspotential. Ihr Ziel sei, dazu Seniorengruppen und Vertreter der jeweiligen Einrichtungen anzusprechen. Guter Kontakt diesbezüglich bestehe bereits zu BVV und Seniorenvertretung.

Mit allen Sinnen den Regenwald erleben

Doch in welchem Verhältnis stehen Regenwald und Kaffeeanbau eigentlich zueinander? Wie wichtig ist der Wald für die Menschen?

Elke Anders gibt eine kurze Einführung. Die Schüler erfahren, dass die selbstversorgende Kleinbauern den Regenwald nutzen, dort Angeln, Jagen und ihn als Holzlieferant schätzen. Fairtrade-gesichertes Einkommen dieser Menschen vor Ort hilft, die tropischen Regenwälder zu schützen, die ihre eigentliche Lebensgrundlage sind.

Um diesen schützenswerten Regenwald mit allen Sinnen besser verstehen zu lernen, geht es für Schülerinnen und Schüler an diesem Vormittag nun ins große Tropenhaus des Botanischen Gartens. – Für mache das erste Mal.

Schwül-warme Luft schlägt den Jugendlichen entgegen, an die man sich aber erstaunlich schnell gewöhnt – auch wenn die jahreszeitbedingte warme Kleidung das erschwert. Seltsame Laute und Riesenpflanzen schaffen Regenwald-Feeling pur. Sogar Wasser plätschert hier naturgetreu und China-Wachteln sind natürliche Schädlingsbekämpfer.

Urwaldtypische Pflanzen heißt es zu entdecken, Hilfestellung geben beschriftete Fotovorlagen. Die Suche beginnt. Jakob und Voigt werden schnell fündig: Das bizzare Geweihfarn schmiegt sich erhöht an einen Stamm. Als typische „Aufsitzerpflanze“ großer Regenwaldbäume sucht sie die Sonne und meidet so den unteren dunklen Bereich des Regenwaldes. Mit ihren dem Stamm aufsitzenden großen Außenblättern bildet sie ein Art Zisterne, in der sich lebenswichtiges Tau- und Regenwasser effizient speichern lässt, ohne dabei dem Wirtsbaum zu schaden. Jakob will noch Handyfotos machen, der Regenwald fasziniert nicht nur ihn.

Andere Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) wie Orchideen mit ihren Luftwurzeln und das riesige, auf Baumwurzeln wuchernde Nestfarn mit seinem dicken Wurzelgeflecht müssen etwas länger warten, bis sie von den Schülern entdeckt worden sind.

Da präsentiert sich der Kaffeestrauch mit lediglich drei roten Kaffeekirschen eher bescheiden zwischen den Riesenpflanzen des Regenwaldes.

Abschließend beim Quiz zwischen Pflanzen und Tropenhaus-Besuchern werden negative und positive Wechselwirkungen zwischen Kaffeeanbau und Regenwald diskutiert, rückt wieder der Fairtrade-Gedanke in den Vordergrund.

Auch wenn aus Zeitgründen das abschließende Rollenspiel zum Thema entfallen muss: Den jungen Botanikschul-Besuchern hat es gefallen, wie sie am Ende lauthals verkünden.

Und Sven erklärt, zukünftig seiner Mutter beim Einkaufen doch genauer auf die Finger zu sehen: „Damit sie mehr Fairtrade kauft.“

Die Botanikschule

Seit 1987 gibt es sie im Botanischen Garten als außerschulische Einrichtung, an der Berliner Schulen pädagogische Beratung, Materialien und Fortbildungen zum Thema Botanik, Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung finden.

Vor 31 Jahren nahm die Botanikschule eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet ein und gilt bis heute als erfolgreiches Modell, das für seine gemeinsame Bildungsarbeit UNESCO-ausgezeichnet ist.

Als Kooperations-Einrichtung mit der Berliner Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie vermittelt die Schule Schülern Zusammenhänge der Pflanzenwelt und lässt nachhaltige Kontakte zu ihr knüpfen.

Das kooperierende Fortbildungszentrum für nachhaltige Entwicklung (BNE-Zentrum), das sich in den Räumlichkeiten der Botanikschule befindet, versteht sich als Ansprechpartner und Unterstützer für Lehrkräfte und Projekte sowie als Berater bei der Teilnahme an Wettbewerben für Gütesiegel.

Informationen zum „Fairtrade-Bezirk Steglitz-Zehlendorf“ bei Petra Margraf unter Telefon: 030 – 90299 5955 oder E-Mail: petra.margraf@ba-sz.berlin.de

Berliner Einkaufsführer für fair gehandelte Produkte unter www.fairtradetown.berlin

Informationen zur Botanikschule unter Telefon: 030 – 838 59 480 (AB) oder E-Mail: botanikschule@yahoo.de

*Namen v.d. Redaktion geändert

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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