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130 Jahre Wilhelm-Friedrich-Stift

Vom „Altersversorgungshaus“ zur Zuflucht für Frauen und Kinder

Das erste Gebäude des Wilhelm-Friedrich-Stifts wird 130 Jahre alt.
Das erste Gebäude des Wilhelm-Friedrich-Stifts wird 130 Jahre alt.
Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal April/Mai 2021
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Es war ein feierlicher Tag in Zehlendorf, wie Paul Kunzendorf in seiner Zehlendorfer Chronik festhielt. Am 27. September 1891 wurde das Wilhelm-Friedrich-Stift eingeweiht. So schreibt der Chronist: „Reicher Flaggenschmuck zierte das freundlich, anmutig am Saum der Haide gelegene Häuschen; der Vorgarten zeigte am Eingang einen reichen Schmuck von blühenden Blumen und Palmen, von deren saftig grünem Hintergrund die Büsten der beiden ersten Hohenzollernkaiser, Wilhelm I. und Friedrich III., leuchtend und glänzend sich abhoben.“

Gemeinsam Gutes schaffen

Das Wilhelm-Friedrich-Stift, benannt nach den Kaisern Wilhelm I. und Friedrich III., wurde von dem Villenvorort Zehlendorf als Altersversorgungshaus gebaut. Initiatorin war die vermögende Lehnschulzentochter Sidonie Scharfe (1834 – 1909), unterstützt von Erich Keyser, Pfarrer der Paulus-Gemeinde sowie Gemeindevorsteher Friedrich Schweitzer. Das schnell gegründete Komitee erreichte, dass die Gemeinde ein Grundstück zur Verfügung stellte. Das an der Alsenstraße – heute Fischerhüttenstraße – gelegene Areal wurde schnell bebaut. Die Ziegel stammen aus Rathenow – was an zahlreichen Steinen anhand der angebrachten Stempel gut zu erkennen ist. Schon ein Jahr nachdem das Grundstück bereit stand, wurde das erste Gebäude vom Wilhelm-Friedrich-Stift eingeweiht. Den Bau hatten zahlreiche Spender unterstützt. Das Haus bot Platz für neun „in Ehren altgewordene“ Bedienstete der Zehlendorfer Bauern. Das reichte natürlich nicht aus und so schenkte Sidonie Scharfe dem Stift am 1. April 1895 12.000 Mark für einen Erweiterungsbau. Die Gemeinde stellte wiederum Land zur Verfügung und am 18. Oktober 1895 – die Bauzeiten waren damals erheblich kürzer als heute – konnte das neue Gebäude eingeweiht werden. Wohnberechtigt waren Männer und Frauen, die mindestens zehn Jahre in Zehlendorf gelebt hatten, mindestens 200 Mark „Eintrittsgeld“ zahlen konnten, in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert waren und einen „sittlichen Lebenswandel“ geführt hatten.

Wechselnde Nutzer

Lange Jahre diente das Wilhelm-Friedrich-Stift als Heim für betagte Menschen. Anschließend wohnten Studenten in den Räumen, es folgten ehemalige Drogenabhängige, die dort in einer Wohngemeinschaft lebten. 1985 wurde es zum Zufluchtsort für Frauen mit Kindern. Um das Jahr 2000 drohte den Häusern, an denen die Zeit nicht spurlos vorübergegangen war, der Abriss. Der konnte jedoch abgewendet werden und eine umfangreiche Sanierung der Häuser begann. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Arbeiten und der feierlichen Übergabe der Gebäude wurde auch an die Mäzenin Sidonie Scharfe erinnert – seit 2001 hängt eine Gedenktafel für die Zehlendorferin in dem 1895 erbauten Haus.

Heimat für Frauen und Kinder

Das Wilhelm-Friedrich-Stift dient auch im 130. Jahr seines Bestehens sozialen Zwecken. Zeitweilig waren geflüchtete Menschen in den Wohnungen untergebracht. Heute finden junge Frauen aus schwierigen Verhältnissen, die entweder schwanger sind oder kleine Kinder bis zum Alter von sechs Jahren haben, eine vorübergehende Zuflucht.

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