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Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa

Bühne frei in Lankwitz

Foto: Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa
Foto: Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa
Erschienen in Lichterfelde West Journal Dezember/Januar 2025

Sie sind im Alter zwischen 3 und 30 Jahren und haben alle eines gemeinsam: Die Freude am Spiel und an der Verkleidung. – Lässt es sich so doch ganz einfach mal aus der eigenen Haut fahren und in eine neue Rolle schlüpfen. Dabei sind mitgebrachtes Talent und Bühnenerfahrung wünschenswert, aber kein Muss. Ein Vorsprechen gibt es nicht, vielmehr zählen Motivation, Ausdauer und Verlässlichkeit, um in der allen jungen Spielbegeisterten offenstehenden Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa mitspielen zu können. Bei Anfängern zählt die Sprecherziehung, um auch ohne Lautsprecher deutlich verständlich zu sprechen.

Die vielseitige Gruppe, die kein festes Ensemble ist, erarbeitet und probt Stücke projektbezogen immer nach den Sommerferien am Donnerstagabend und ganztägig in der Werkwoche zwischen den Jahren. Wobei die Erschließung anspruchsvoller Literatur ebenso wichtig ist wie das gemeinsame Tun im Kreise Gleichgesinnter. So besucht die Gruppe von Zeit zu Zeit Theater- und Opernaufführungen, die anschließend zwanglos besprochen werden. Die Fäden für die Erarbeitung eigener Aufführungen hält als ehrenamtlicher Regisseur und Theaterleiter dabei Dr. Ansgar Vössing in der Hand, der für seine Vielseitigkeit und sein soziales Engagement weit über Lankwitz hinaus bekannt ist. Als studierter Biologe hat er sich neben der Naturwissenschaft den Blick auf kulturelle Aspekte offen gehalten. Doch rät er hochbegeisterten jungen Laienspielern eher von einem späteren Schauspielberuf ab und zu einem bürgerlichen Beruf.

Im Januar 2026 ist es wieder soweit: In der Dreifaltigkeitsgemeinde (Kirche Lankwitz) kommt als aktuelle Inszenierung die Diebeskomödie „Der Biberpelz“ von Gerhart Hauptmann an vier Tagen zur Aufführung vor Publikum. – Als Hommage an Anja Nowak, langjähriges Mitglied der Jugendtheatergruppe, die mit diesem Stück in der Hauptrolle der Mutter Wolffen ihren Abschied von der Laienbühne und der Lankwitzer Theatergruppe nimmt.

Kinder Bühne
Foto: Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa

Vom Schäfchen zum Bischof

An ihrer Seite spielen im „Biberpelz“ neben 15 weiteren Akteuren auch die beiden 15-jährigen Jugendlichen Enna und Theo:

Enna kommt aus Steglitz und hatte 7-jährig erste Schritte Richtung Bühne noch in der Grundschule am Karpfenteich über das damalige Nikolausspiel gemacht und darüber Freude am Spiel gefunden. Über ihre Religionslehrerin, die Ehefrau von Ansgar Vössing, fand sie zur Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa, wo sie nun auf Vorschlag vom Regisseur aktuell in die Rolle der Adelheid, der Tochter von Mutter Wolffen, schlüpfen darf. Dankbar ist sie, nun in einem Alter zu sein, in dem man als Jugendliche endlich etwas „erwachsenere“ Rollen im Stück bekommt. Denn meist gebe es in klassischen Stücken wie beispielsweise „Romeo und Julia“ oder den „Sommernachtstraum“ mehr größere Rollen für Jungen als für Mädchen, erklärt Enna. Selbst hätte sie gern mal eine Jungenrolle gespielt, dazu kam es aber nie. Bis zur Coronazeit hatte Enna sich an der Theaterschule Goldoni weitergebildet, durchaus noch in Richtung Schauspielberuf tendierend. Inzwischen kann sich die Gymnasiastin aber auch einen anderen Beruf vorstellen. Was ihr an der Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa besonders gefällt? Die Antwort kommt schnell: „ Es ist toll, dass hier so viele klassische Stücke gespielt werden, und dass fast jedes Spielalter dabei ist. Dabei ist es egal, aus welcher Kirche man kommt. Ansgar bezieht alle Leute mit in die Entwicklung des Stückes ein und verliert dabei nie die Geduld.“ Ihr schauspielerisches Ziel: „Ich würde gerne mal eine Rolle spielen, in der ich große Emotionen wie beispielsweise Weinen zeigen kann.“

Etliche Mitspielende haben, wie Enna, bereits als Kinder in Krippen-, Martins- oder Nikolausspiel erste Theatererfahrung gesammelt, als Schäfchen klein angefangen und es inzwischen zum Bischof gebracht. Enna‘s Bühnenkollege Theo fand eher zufällig zu der Jugendtheatergruppe in Lankwitz, ist seit Juli ’24 dabei. „Ich kenne einige Leute, die in der Gemeinde aktiv sind, und war Besucher bei einer Aufführung der Jugendtheatergruppe. Jetzt bin ich aus Spaß an der Sache dabei“ erklärt er seinen Eintritt in die Gruppe. Im „Biberpelz“ spielt er den Amtsdiener Mitteldorf. Schauspiel-Vorkenntnisse bringt der Gymnasiast des Canisius-Kolleg von der Schule mit. Und darin ist er sich mit Enna einig: Das textnahe Spiel reizt auch ihn deutlich mehr als das überwiegend an Schulen experimentell angelegte Theaterspiel, bei dem nicht selten der rote Faden zum eigentlichen Stück fehlt, stattdessen frei erfundene Texte und häufiger Rollentausch den Ton angeben. Theo kann sich vorstellen, später auch beruflich „etwas mit Theater“ zu machen. Seine Wunschrolle wäre der Franz in Schiller‘s „Räubern“ mit seinem berühmten Monolog, aber auch die Arbeit hinter der Bühne reizt ihn nicht wenig. So ist er an seiner Schule in der Lichttechnik aktiv und redet auch in der Jugendtheatergruppe hier und da bei der Beleuchtung mit.

Bühne
Foto: Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa

Vom Krippenspiel zu Goethes Faust

Seit 1995 spielt die Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa. Sie blickt ebenso auf Krippen-, Martins- und Nikolausspiele zurück wie Ansgar Vössing, der sich als Höhepunkt an die Passionsspiele der Jahre 2005 bis 2009 in der Pfarrkirche als Höhepunkt erinnert, wo hochwertige Kirchenmusik und darstellendes Spiel an authentischem Ort ineinandergriffen.

Ab 2007 wurden in flottem Wechsel Komödien, Schauspiel und Tragödien erarbeitet, durchaus auch von lebenden Autoren. So begeisterten das Publikum bei freiem Eintritt bei den vier, meist am 2. und 3. Januarwochenende stattfindenden Aufführungen u. a. in den letzten Jahren. „Der Florentinerhut“ (Eugène Labiche), Botho Strauß‘ „Ithaka“, „Das Haus von Montevideo“ (Curt Goetz), aber auch Klassiker wie „Jedermann“, „Faust“, „Romeo und Julia“, „Sommernachtstraum“ oder im vergangenen Jahr „Maria Stuart“. Regisseur Vössing hat eigene Schauspielerfahrung in jungen Jahren gesammelt. Im „Gestiefelten Kater“ spielte er als Student fünf kleinere Rollen. „Aber mein Talent lag schon immer in der Organisation“, verrät er, der nun Schauspieler, Garderobe, Kulissenbau und Beleuchtung wie von Zauberhand dirigiert. Nur 30 Prozent machen dabei die Regiearbeit aus.

Mindestens ebenso herausfordernd wie die Textsicherheit der jungen Spielenden ist die Ausstattung – von der Beleuchtung über Requisite und Kulissenbau bis zu Maske und Kostüm, das von fleißigen Händen auf das jeweilige Stück passend zugeschneidert werden muss, hier und da manchmal auch aus der Kostümauktion eines großen Opernhauses stammt. Aber da es immer weniger gelernte Schneiderinnen gibt, sorgt sich Vössing um die Zukunft dieser unverzichtbaren Kostümpflege.

Ohne die vielen Ehrenamtlichen wäre das Lankwitzer Jugendtheater wohl kaum zu stemmen. Und da es für das Theaterprojekt, dessen Träger der gemeinnützige Lankwitzer Kulturverein ist, so gut wie keine Fördergelder gibt, sind die bei den Aufführungen erbetenen Spenden zur Unkostendeckung und Mietzahlung an die Kirche von hohem Wert. – Und bleibt davon mal etwas übrig, ist manchmal sogar noch eine Führung ins Theater mit anschließendem Pizzaessen für die Jungschauspieler drin.

Wer nun Lust bekommen hat, bei der Jugendtheatergruppe Mater Dolorosa mitzuwirken, findet weitere Informationen unter www.mater-dolorosa-lankwitz.de oder über E-Mail ansgar.vössing@t-online.de oder Telefon 030 / 711 09 66.

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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