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Im Untergrund von Schöneberg

Erste kommunale U-Bahn Deutschlands wurde 1910 eröffnet

Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Mai 2017
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Die Feier fiel etwas größer aus: Am 1. Dezember 1910 trafen sich 250 honorige Persönlichkeiten am neu erbauten U-Bahnhof Bayerischer Platz. Unter den Herren mit Zylinder waren Vertreter des Innenministeriums, honorige Persönlichkeiten aus den Nachbargemeinden Charlottenburg und Wilmersdorf und natürlich alle Schöneberger von Rang und Namen. Einer fehlte, dessen Name bis heute untrennbar mit Schöneberg verbunden ist: Rudolph Wilde, der frühere Bürgermeister der jungen Stadt Schöneberg, war nur einen Monat zuvor verstorben. Der Politiker wurde nur 54 Jahre alt. Die U-Bahn hingegen, deren Eröffnung an jenem 1. Dezember feierlich begangen wurde, war sein Herzenswerk.

Schnelle Entscheidung

Die endgültige Entscheidung zum Bau der eigenen U-Bahn fiel am 7. September 1908. Der erste Spatenstich wurde am 8. September 1908, nur 24 Stunden nach dem Entschluss, vorgenommen. Der Streckenverlauf vom Innsbrucker Platz bis zum Nollendorfplatz ist bis heute unverändert. Eine von der Berliner Hochbahngesellschaft gewünschte Veränderung der Strecke zum Wittenbergplatz anstatt Nollendorfplatz lehnte die Schöneberger Verwaltung ab. Diese Änderung hätte zwei Millionen Mark aus Steuergeldern gekostet und zu dieser Mehrausgabe waren die Stadtväter nicht bereit. Mit dem Bau wurde die Firma Siemens & Halske beauftragt. Diese hatte auch die Berliner Hoch- und Untergrundbahn gebaut, so dass die Tunnel identische Abmessungen bekamen. Baubeginn war am Innsbrucker Platz, der zu jener Zeit unbebaut war. Eine gerade Streckenführung bis zum Nollendorfplatz war aufgrund der schon bestehenden Bebauung nicht möglich, so zieht sich die Strecke in Kurven dahin. Eine Besonderheit ergab sich beim Bau der Station Rathaus Schöneberg, damals „Stadtpark“. Der moorige Boden machte den Bau eines unterirdischen Bahnhofs unmöglich. Der saure Moorboden hätte den Beton mit der Zeit zerstört und so wurden Spundwände bis zum festen Boden hineingerammt. Auf den festen Boden kam zunächst eine Klinkerschicht und darauf zwei Asphaltpappschichten. Erst dann wurde der Beton gegossen. Auf diesen kam wiederum eine Eisenbetonplatte. Der überirdisch liegende Bahnhof ist mit seiner schönen Gestaltung nach wie vor eine gefragte Fotokulisse.

Bahnhöfe mit historischer Erinnerung

Die Bahnhöfe waren nicht nur zweckmäßige Gebäude, sondern auch Prestigeobjekte. Die Fahrgäste gingen durch einen mit Säulen flankierten Eingang in die gekachelten U-Bahnhöfe. Natürlich gab es damals noch die guten, alten Fahrkartenschalter, in denen die Bahnmitarbeiter Fahrkarten an die Fahrgäste verkauften. In einigen Bahnhöfen sind diese Häuschen – natürlich unbesetzt – heute noch erhalten.

Der Bahnhof Nollendorfplatz wurde nur provisorisch gebaut. Er wurde 1926 geschlossen und ab durch einen Bahnhof ersetzt, in dem die Schöneberger U-Bahn und die U-Bahn in Richtung Kurfürstendamm zusammentrafen. Der Bahnhof Viktoria-Luise-Platz – anfangs Viktoria-Luisen-Platz – präsentiert sich noch fast in seinem ursprünglichen Zustand. Die Zugänge wurden 1995 nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten wiederhergestellt und vermitteln so einen Eindruck von den Anfangszeiten der U-Bahn.

Am Bayerischen Platz hat der nördliche Zugang den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstanden. Der Bahnhof selbst wurde, genau wie die Wohnbebauung in der Umgebung, stark zerstört. Viele Menschen, die hier Schutz vor den Bomben gesucht hatten, starben bei dem verheerenden Angriff vom 3. Februar 1945. Bilder im südlichen Zugang zeigen, wie es rund um den Bayerischen Platz einst ausgesehen hat. Auch der Bahnhof Rathaus Schöneberg wurde zerstört und zunächst vereinfacht wieder aufgebaut. Eine Restaurierung nach historischen Vorbildern erfolgte im Jahr 2000.

Der Bahnhof Innsbrucker Platz hatte einst eine sehr dekorative Vorhalle. Sie wurde in den 1970er-Jahren abgerissen und durch einen – damals – modernen Zugang ersetzt. Dieser Bahnhof erfreut sich großer Beliebtheit, da hier auch ein Lidl-Markt untergebracht ist.

Die Schöneberger U-Bahn wurde trotz vieler anderslautender Planungen nie verlängert. Sie bleibt auch nach über 100 Jahren ein reines „Schöneberger Kind“.

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