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Eine Pause für Fernfahrer

Bis 1940 konnte bei „Mutter Mochow“ eingekehrt werden

Das Gasthaus um 1925 mit Derop-Groß-Tankstelle nebenan. Archiv HVZ
Das Gasthaus um 1925 mit Derop-Groß-Tankstelle nebenan. Archiv HVZ
Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Oktober/November 2022
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Vom Geldeintreiber für den preußischen Fiskus über eine fast schon legendäre Raststätte für Kutscher und – später – Lkw-Fahrer bis zu asiatischer Kampfkunst: Das Haus an der Potsdamer Chaussee 87 kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Nachdem die erste Chaussee in Preußen zwischen Potsdam und dem Berliner Stadtschloss gebaut wurde, war Maut für jeden Zwei- und Vierbeiner fällig, der die Straße nutzte.

Auch dort, wo später das Haus von Mutter Mochow entstand, war am Ende des 18. Jahrhunderts ein Chausseewärterhäuschen. Nach der Abschaffung der Nutzungsgebühren für die Straße im Jahr 1875 wurde es überflüssig. Doch seit einigen Jahren war es nicht nur Chausseewärterhäuschen, sondern auch Gaststätte, in der auch Übernachtungen für Reisende möglich waren. Albert und Anna Mochow kauften den Betrieb 1877. Albert starb nur drei Jahre später und Anna stand mit ihrem Sohn – der ebenfalls Albert hieß – alleine da. Sie ließ den Kopf nicht hängen und beauftragte den Zehlendorfer Maurermeister Hermann Polkow 1886 mit einem Neubau. Dieser wurde 1897 fertig. Der alte, eingeschossige Gasthof wurde dafür abgerissen. Das Haus mit den Renaissance-Elementen an der Fassade verfügte über ein Saalgebäude und ein Gartenrestaurant. Die Gaststätte „Mutter Mochow“ wurde eine Erfolgsgeschichte. Nicht nur an die Kutscher wurde gedacht – für den kräftezehrenden Weg über die Berge bei Glienicke lieh Frau Mochow ihre Pferde öfter als Vorspann aus. Auch Ausflügler entdeckten das vor den Toren Zehlendorfs gelegene Lokal für sich.

Ob „Lackierte Schrippe mit einer Bohne extra“, dem Brötchen mit Kaffee zum Frühstück oder die beliebte Erbsensuppe, Familie Mochows Angebote waren gefragt. Sohn Albert hatte mittlerweile selbst geheiratet – seine Frau hieß ebenfalls Anna. Sie wurde die zweite Mutter Mochow, als ihre Schwiegermutter sich aus dem Betrieb zurückzog. Genau wie diese war sie eine Wirtin mit Leib und Seele – herzlich, aber auch resolut. Die Zeiten änderten sich und die Fuhrwerke wurden durch Lkw ersetzt. Schon bald stand auch eine Tankstelle, „Derop Tank“, neben dem Gasthaus. Das Ende der Zehlendorfer Institution kam im Jahr 1940 als dort eine Kriegsakademie geplant wurde, wo Reisende übernachteten und Familien im Gartenlokal speisten konnten. Der Saal wurde abgerissen und der Hauseingang von der Straße aus verschlossen. Aus den Akademie-Plänen wurde jedoch nichts. In den Nachkriegsjahren war in dem früheren Gasthaus die Verwaltung des „Düppel Center“, einem Durchgangs-Camp für Überlebende der Konzentrationslager, untergebracht. Nachdem das Lager aufgelöst wurde, nutzte man das Gebäude als Wohnhaus. Nach umfangreichen Umbauarbeiten wurde 2010 in den Räumen das Zentrum für kulturelle Bildung und chinesische Kampfkunst eröffnet. Der „Mutter-Mochow-Weg“ zwischen Potsdamer Chaussee und Am Rohrgarten erinnert an das Gasthaus und seine beiden Wirtinnen. Das frühere Gasthaus steht heute unter Denkmalschutz.

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