Gazette Verbrauchermagazin

Wenn ich den See seh´, brauch ich kein Meer mehr!

Lotti Hellberg steuert mit sicherer Hand den Bootsverleih Schlachtensee

Lotti Hellberg, „Kapitänin“ des Bootsverleih Schlachtensee.
Lotti Hellberg, „Kapitänin“ des Bootsverleih Schlachtensee.
Erschienen in Zehlendorf Mitte Journal August/September 2022
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Die Wellen des Schlachtensee plätschern ans Ufer, im Schilfgürtel raschelt´s, und an Lotti Hellbergs Bootsverleih am Marinesteig 6b schippert im geliehenen Ruderboot ein Vater mit seinem Sohn vorbei, die Angel im Anschlag. Sieht so das Paradies aus?

Man könnte es meinen, sitzt man mit einem kühlen Getränk vor sich und der Nase im Sommerwind auf der Terrasse des Bootsverleihs. Rings um Tische und Strandkörbe grünt und blüht es, denn Lotti Hellberg hat nicht nur für Menschen und Gastronomie ein Händchen, sondern auch für Boote und Blumen.

In der Küche des Bootshauses werkelt Dieter, ihre bessere Hälfte und begnadeter Koch. Er belegt üppige Lachsbaguettes, serviert leckere Kleinigkeiten und Lottis selbstgebackene Kuchen und gießt nebenbei noch routiniert frisch schäumendes Bier oder dampfenden Kaffee ein. Leib und Seele der Gäste haben es bei Lotti und Dieter gut, auch wenn der Bootsverleih ihr Hauptgeschäft ist. Das hat sich bei den Anwohnern rund um den Schlachtensee herumgesprochen, die gerne auf der naturnahen Anlage mit den Dixi-Klos vorbeischauen. So wie Markus, uriger Hafenmeister-Typ in abgeschnittenen Jeans, der ursprünglich aus Hamburg kommt. Mit Zigarillo im Mund und Bierbuddel in der Hand blickt er vom Bootssteg der Schlachtensee-Waterkant aus übers schimmernde Wasser. Fast täglich kommt er vorbei und kann gut beurteilen, was das Wirtspaar leistet: „Es ist hier alles so liebevoll. Lotti und Dieter sind immer um ihre Gäste bemüht. Man muss sich in ihrer Umgebung einfach wohlfühlen.“ Wenn Not am Mann ist, packt der Stammgast, der fast schon zum Inventar zählt, bei den Booten mit an, ansonsten wechseln Schlag auf Schlag launige Sprüche zwischen ihm und Lotti hin und her.

Sitzt sie eigentlich selbst oft im Ruderboot? Sie schüttelt den Kopf: “Eigentlich nicht. Aber wenn mal wieder ein Bootsausleiher den mühevollen Rückweg zurück zum Bootsverleih gegen die Strömung gescheut hat, und das Boot einfach irgendwo im Schilf hat liegen lassen, dann muss ich raus und es zurückrudern.“

Im Bootsverleih, den es seit 1898 gibt, liegen 30 Boote. Früher fuhr man von hier aus zur Fischerhütte und legte dort an, wo heute der Steh-Paddler-Verleih ist.

Zu tun gibt es immer genug. Bei schönem Wetter ist in der Boots-Saison, die von April bis September geht, besonders ab Freitagmittag verstärkter Run auf die Boote angesagt. „Wenn es regnet und wenig Leute kommen, genießen wir unser kleines Paradies am Schlachtensee eben ganz für uns“, verrät Lotti. Im Herbst dann, wenn die Ruderboote aus dem Wasser kommen und der Betrieb bis zum Frühjahr in die Winterpause geht, muss alles gesäubert und ausgebessert werden. Einiges zu reparieren gibt es meist an den hölzernen Bootsständen, gegen die häufig ungeübte Ruderer mit dem Boot beim Ein- oder Ausparken geraten.

Sprung ins kalte Wasser

Selbst schon längst im Rentenalter, was man ihnen kaum glauben mag, könnten Lotti und Dieter eigentlich als Gäste sich hier auf der Terrasse die Sonne aufs Haupt brennen lassen. Wieso also noch die ganze Arbeit und Mühe mit dem Bootsverleih, zu dem sie sich jeden Tag von Friedenau aus aufmachen? Lotti erzählt: „Wir blicken ja beide auf ein jahrzehntelanges Leben in der Gastronomie zurück. Nachdem wir unser Restaurant, das „Riehmers“ in Kreuzberg, abgegeben hatten und vor sieben Jahren in Rente gegangen sind, wurde uns bald langweilig.“ Ein guter Bekannter meinte scherzhaft zu ihnen: „Ihr müsst weg von der Straße und wieder was Sinnvolles tun.“ Und da er den Vorgänger des Bootsverleihs, Werner Hoppe, der aufhören wollte, kannte, war schnell eine neue Aufgabe für die beiden Rentner wider Willen gefunden, und sie wagten den Sprung ins kalte Wasser. Vor nunmehr vier Jahren übernahmen sie den Verleih, pachteten das Gelände von der Fischerhütte und haben das bis heute nicht bereut. Der Spaß an der Freude, den Lotti und ihr Dieter bei dieser Aufgabe auch noch in ihrem vierten Sommer hier am Schlachtensee empfinden, trägt viel positive Energie über die Terrasse bis hin zu den Booten und in den Bootsschuppen, wo die allerorts selten gewordenen Rauchschwalben ideale Brutmöglichkeiten finden und dies zwitschernd über den See fliegend kundtun.

Vom Frachtschiff zum Ruderboot

Und dann erzählt Lotti Hellberg aus ihrem Leben, das wohl nie langweilig war: Schon früh bekam die gebürtige Rostockerin es mit Booten und Wasser zu tun. Damals in der DDR ging es mit Freunden ihrer Eltern häufig mit deren Holzboot über die Ostsee. Irgendwann packte die junge Frau das Fernweh nach dem Ausland. Dies in ihrem „begrenzten“ Heimatland zu stillen war nur möglich, indem man zur See fuhr. Also entschloss sie sich 19-jährig zu diesem Schritt. Mit der Deutschen Seereederei der DDR ging es nun auf Frachtschiffen des Flottenbereichs Fernost für sie als Stewardess und spätere Chef-Stewardess an Bord vier Jahre lang in ferne Länder wie Japan, Indien, Pakistan und Korea. „Wir waren nur 2-3 Frauen an Bord und wurden richtig verwöhnt“, erinnert sich Lotti an diese Zeit. Irgendwann wurde sie sesshaft, heiratete, bekam Kinder. Mit ihrem schwedischen Mann ging es nach Malmö. Restaurantchefin auf Kreuzfahrtschiffen einer neuen ins Leben gerufenen Reederei, die zwischen Malmö, Kopenhagen, Travemünde und Lübeck kreuzten, wurde sie, auf Sylt in der „Vogelkoje“ verbrachte sie dazwischen einen Arbeitssommer in der Gastronomie. Auf der nordfriesischen Insel lernte Lotti ihren Dieter kennen, mit dem sie später das „Riehmers“ in Berlin mit zehn Angestellten führte. „Aber ich hatte zu dieser Zeit auch noch in Schweden ein Restaurant“, erzählt Lotti, „so war ich immer drei Tage pro Woche in Berlin und vier Tage in Schweden.“

Kein Wunder also, wenn Lotti und Dieter nach ihrem Arbeits-Marathon der letzten Jahrzehnte ihre Aufgabe am Schlachtensee nun als erholsame Abwechslung empfinden und sie kaum noch etwas aus der Ruhe bringen kann. Eine Ruhe, die sich unweigerlich auf ihre Gäste überträgt, egal, ob die nur den Blick von der Terrasse aus übers Wasser schweifen lassen oder im Ruderboot sanft von den Wellen geschaukelt werden.

Bevor es dann wieder von der wohltuenden Idylle des Schlachtensees die Treppen hinauf zur Hauptstraße geht, fällt vielleicht der Blick auf das kleine gelbe Haus, das bescheiden neben dem Bootsverleih liegt, und von dem aus früher die Fähre zum Ufer gegenüber ablegte. Hier wohnt noch heute die Frau des Bootsverleihers, der bis zum Jahr 1968 tätig war. Viel weiß sie aus diesen Tagen zu berichten. – Doch das wird eine andere Geschichte.

Jacqueline Lorenz

Bootsverleih am Schlachtensee

Marinesteig 6b
14129 Berlin

Weitere Informationen und Öffnungszeiten unter www.bootsverleihschlac.wixsite.com/hobbies und Telefon 0173 560 35 96

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