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Friedhof an der Alten Dorfkirche

Grabkunst im Historischen Winkel

Friedhof an der Alten Dorfkirche.
Friedhof an der Alten Dorfkirche.
Erschienen in Wannsee Journal Februar/März 2022
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Mit dem Schulhaus von 1828 (heute Heimatmuseum), der 1871 gepflanzten „Friedenseiche“ und der Dorfkirche von 1768 bildet der Kirchhof den „Historischen Winkel“ des im Mittelalter gegründeten „Cehlendorp“.

Jedes Mitglied der Gemeinde erhielt auf dem Dorfkirchhof einen zugeteilten eigenen Platz für die Beisetzung seiner Angehörigen. Nach 1894 wurden keine weiteren Gräber angelegt. Nur die Inhaber von Erbbegräbnissen durften hier bis in die 1930er-Jahre weiterhin ihre Angehörigen bestatten. In dem historischen Winkel konzentriert sich daher eine Sammlung klassizistischer Grabmalkunst, die Einblick in die Berliner Sepulkralkultur über einen Zeitraum von rund 125 Jahren gewährt. Der älteste erhaltene Grabstein ist eine Liegeplatte aus Sandstein für den 1803 verstorbenen Peter Pasewaldt. Mit schwungvoller Schreibschrift wird an den „Eigenthümer des hiesigen Braukruges“ erinnert. Die Namen Zinnow, Dubrow oder Haupt auf weiteren Grabsteinen stehen stellvertretend für die Bedeutung alt eingesessener Familien in Zehlendorf.

Auf der mit einem kunstvoll geschmiedeten Zaun eingefassten Erbbegräbniststätte vor der Ostseite der Dorfkirche ist Sidonie Scharfe (gestorben 1909) beigesetzt. Die für ihre Wohltaten beliebte, unverheiratete Lehnschulzengutstocher schenkte der Gemeinde das Grundstück für die 1905 errichtete Pauluskirche und das nebenstehende Pfarrhaus. Sie war die Gründerin der nach ihr benannten Stiftung für „arme Witwen und benachteiligte arme Mädchen“ in der Scharfestraße. 1892 ließ sie sich eine repräsentative Villa bauen, die heute als Standesamt eine beliebte Kulisse für Hochzeiten bietet.

Zur besonderen Ausstattung auf dem Dorfkirchhof gehören auch zahlreiche Eisenguss- Grabmale. Sie dokumentieren die Blütezeit des Berliner Eisenkunstgusses ab 1850, der als „Fer de Berlin“ oder „Iron of Berlin“ weitbekannt war. Bis zu ihrer Schließung 1871 war die Königliche Eisengießerei in Berlin ein Zentrum dieser Kunst. Die anfangs eher schlichte Gestaltung der Gusseisenkreuze wurde durch die Hinzunahme von Ornamentik bereichert. Fortschritte in der Eisenguss-Technologie machten immer filigranere Formen möglich.

Einmal gefundene Grundformen wurden oftmals beibehalten und manufakturhaft hergestellt. Kleinserielle Fertigung ermöglichte eine kostengünstige Produktion. Eisengitter konnten industriell vorgefertigt werden und mit individuellen ornamentalen Maßschmiedearbeiten ergänzt werden.

Die Witterungseinflüsse während der langen Standzeit, aber auch in der Vergangenheit nicht fachgerechte oder unterlassene Erhaltungsmaßnahmen führten zu Schäden an vielen Grabmalen des Kirchhofes. Mit Mitteln des Landesdenkmalamtes, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und der Evangelischen Paulusgemeinde konnten einige der dringend sanierungsbedürftigen, in ihrem Fortbestand gefährdeten Grabmale restauriert werden.

Dazu gehört eine der wenigen auf dem Friedhof erhaltenen Schmuckgitteranlagen (Familiengrabstätte Stammer) sowie drei Eisengusskreuze und 20 Stein-Grabmale. Bei der Sanierung galt es, durch geeignete Maßnahmen einen weiteren Substanzverlust an den Grabmalen zu verhindern und damit ihren Erhalt sicher zu stellen. Im Verständnis eines zeitgemäßen Denkmalschutzes hieß es, die Spuren der Vergänglichkeit zu akzeptieren und nicht alles wieder „wie neu“ herzurichten.

Die Oberflächen des steinernen Grabschmuckes, hauptsächlich aus Sandstein, Granit, Kalkstein oder Marmor, wurden substanzschonend mit Heißdampf, Wasser und Bürste, oder durch das vorsichtige Strahlen mit Microsand gereinigt. Offene Fugen wurden mit Fugenmörtel geschlossen. Materialgerechte Antragungen oder Anböschungen an Ausbrüchen oder offenen Bereichen sichern einen ausreichenden Wasserablauf. Das Auftragen eines Steinfestigers verzögert weiteres Verwittern. Nicht mehr intakte Fundamente wurden ertüchtigt.

Bei der Schmuckgitteranlage und den Eisenkreuzen wurden die Bauteile ausgebaut, in der Werkstatt gereinigt und thermisch entlackt. Alte Farbfassungen und Korrosion wurden entfernt. Gitterelemente wurden teilweise gerichtet und neu vernietet. Gebrochene, gusseiserne Zierelemente wurden geschweißt und erhalten. Ersetzt wurden zu stark korrodierte Elemente. Verlustig gegangene (z. B. Zaunspitzen, Rosetten) wurden ergänzt. Brüche und Risse in den Kreuzen wurden geschweißt. Alle Elemente wurden spritzverzinkt und dann im Streichverfahren beschichtet. Die Farbbeschichtung der Oberflächen erfolgte nach vorangegangener restauratorischer Untersuchung. Es bleibt zu hoffen, dass die wertvollen Zeugnisse der Grabkunst mindestens ein weiteres Jahrhundert an die Geschichte Zehlendorfs erinnern.

Text: Uwe Schmohl

Redaktion: Jörg Rüter

Mit freundlicher Genehmigung der Denkmalschutzbehörde.

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