Gazette Verbrauchermagazin

111 Jahre Nordsternhaus

Ein architektonisches Juwel mit bewegter Geschichte

Nordsternhaus in den 1920er-Jahren.
Nordsternhaus in den 1920er-Jahren.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Dezember 2025

Gegenüber dem Rathaus Schöneberg, an der Ecke Badensche Straße und Salzburger Straße, erhebt sich ein Gebäude, das seit 111 Jahren die Blicke auf sich zieht: das Nordsternhaus. Mit seiner markant abgerundeten Ecke und der imposanten Travertinfassade ist es nicht nur ein architektonisches Wahrzeichen des Bezirks, sondern auch ein Spiegelbild der Berliner Geschichte. Heute ist es der Sitz der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz und blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück.

Porträt von Paul Mebes im Heimatmuseum Zehlendorf.
Porträt von Paul Mebes im Heimatmuseum Zehlendorf.

Ein „bewunderungswürdig raffiniert konstruierte Maschine“

Erbaut in den Jahren 1913 bis 1914, war das Nordsternhaus ursprünglich als repräsentativer Hauptsitz für den Nordstern-Versicherungskonzern konzipiert. Die Architekten Paul Mebes und Paul Emmerich schufen auf dem dreieckigen Grundstück ein für seine Zeit hochmodernes Verwaltungsgebäude, das Platz für 900 Mitarbeiter bot. Der Stahlbetonskelettbau wurde mit Langensalzaer Travertin verkleidet, was ihm ein massives, „kolosseumartiges“ Aussehen verleiht. Kunstkritiker Paul Westheim bezeichnete es nach seiner Fertigstellung als eine „bewunderungswürdig raffiniert konstruierte Maschine“ und lobte neben der neuartigen technischen Ausstattung wie Haustelefon, Rohrpost und Aktenaufzügen insbesondere die organisatorische und gestalterische Qualität der Architektur.

Die charakteristische abgerundete Ecke des fünfgeschossigen Gebäudes bildet einen kleinen Vorplatz, der inoffiziell „Nordsternplatz“ genannt wurde. Breite Simse mit Basrelief-Ornamenten und unterschiedliche Fensterformen gliedern die Fassade horizontal und vertikal. Vier große Skulpturen, die einst den Haupteingang flankierten, sind heute nicht mehr vorhanden. Im Inneren zeugten ein 4,70 Meter hoher Sitzungssaal im zweiten Obergeschoss und eine aufwendige Eingangshalle mit Deckengemälden von der Bedeutung des Versicherungskonzerns.

Neben dem Nordstern-Konzern, der hier die Zentralen seiner Lebens-, Unfall- und Haftpflicht- sowie Feuerversicherungs-Gesellschaften unterbrachte, war auch die Deutsche Gasolin Aktiengesellschaft im Gebäude ansässig.

Am Schadow-Gymnasium in Zehlendorf erinnert eine Berliner Gedenktafel an den Architekten.
Am Schadow-Gymnasium in Zehlendorf erinnert eine Berliner Gedenktafel an den Architekten.

Vom Versicherungspalast zum Sitz der Justiz

Die politische Lage im geteilten Berlin wurde der Nordstern-Versicherung nach dem Zweiten Weltkrieg zu unsicher. Sie gab den Standort auf und verkaufte das im Krieg leicht beschädigte Gebäude an den Berliner Senat. Seit den 1950er-Jahren beherbergt das denkmalgeschützte Haus die Berliner Senatsverwaltung für Justiz.

Der Einzug der Justizverwaltung markierte einen Neubeginn in dem geschichtsträchtigen Gebäude. Schon 1949, in dem noch schwer beschädigten ehemaligen Bürogebäude, etablierte sich die Berliner Justizverwaltung, um den Aufbau nach dem Ende der NS-Herrschaft zu organisieren. Ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Das Nordsternhaus“ befasst sich heute intensiv mit der sachlichen und personellen Kontinuität in der Berliner Justizverwaltung nach 1945 und hat seine Ergebnisse auf einer eigenen Webseite veröffentlicht.

Nordsternhaus

Das Nordsternhaus heute

Heute ist das Nordsternhaus an der Salzburger Straße 21-25 der offizielle Dienstsitz der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz. Hier befindet sich das Büro des Senators und werden wichtige rechtspolitische Entscheidungen für die Stadt getroffen. Zu den Aufgaben der Senatsverwaltung gehören die Rechtspolitik und -pflege, die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten, die Überwachung der Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie die Förderung von Demokratie und die Belange von LSBTI-Personen.

Trotz der veränderten Nutzung sind im Inneren des Gebäudes noch viele historische Details erhalten geblieben, die von seiner prachtvollen Vergangenheit als „Versicherungspalast“ zeugen. Das Nordsternhaus ist somit mehr als nur ein Verwaltungsgebäude – es ist ein lebendiges Stück Berliner Geschichte, das Architektur, Wirtschaft und Politik über mehr als ein Jahrhundert hinweg in sich vereint.

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