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Reinhold Begas – Star-Bildhauer des Kaiserreichs

Gebürtiger Schöneberger schuf opulente Werke

Der Neptunbrunnen in Berlin-Mitte gilt als das Meisterwerk von Reinhold Begas.
Der Neptunbrunnen in Berlin-Mitte gilt als das Meisterwerk von Reinhold Begas.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Dezember 2025

Er war der unbestrittene Star der Bildhauerei im wilhelminischen Berlin, ein Mann, dessen Werke das Gesicht der Reichshauptstadt prägten wie kaum ein anderer. Reinhold Begas (1831 – 1911) war mehr als nur ein Bildhauer; er war ein Meister des Neobarock, dessen schwungvolle und oft opulente Schöpfungen den Zeitgeist einer ganzen Epoche einfingen.

Vom Schüler zum Meister

Geboren am 15. Juli 1831 in Schöneberg als Sohn des Malers Carl Joseph Begas, wurde Reinhold das künstlerische Talent in die Wiege gelegt. Seine Ausbildung erhielt er bei einer Größe des preußischen Klassizismus: Christian Daniel Rauch, in der Preußischen Akademie der Künste unter Leitung von Johann Gottfried Schadow. Doch der junge Begas emanzipierte sich schnell von der strengen Formensprache seiner Lehrer.

Ein Stipendium führte ihn von 1856 bis 1858 nach Rom, dem Sehnsuchtsort vieler Künstler. Dort, im Dunstkreis von Malern wie Arnold Böcklin und Anselm Feuerbach, konnte er sich der Anziehungskraft der Werke von Michelangelo und Gian Lorenzo Bernini nicht entziehen. Diese Erfahrung wirkte wie ein künstlerischer Neuanfang. Begas entwickelte seinen eigenen, neobarocken Stil, der von einer neuen Lebendigkeit und Sinnlichkeit geprägt war – fast eine Revolution gegen den vorherrschenden kühlen Klassizismus. Anschließend wurde er an die neu gegründete Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar berufen.

Reinhold Begas

Meisterwerke in Berlin

Zurück in Berlin, begann Begas‘ unaufhaltsamer Aufstieg. Mit dem 1871 enthüllten Schillerdenkmal auf dem Gendarmenmarkt gelang ihm der endgültige Durchbruch. Es folgten zahlreiche Aufträge, die das Stadtbild nachhaltig prägten. Sein wohl populärstes Werk ist bis heute der Neptunbrunnen (1891), der ursprünglich vor dem Berliner Schloss stand und heute vor dem Roten Rathaus zu bewundern ist. Mit seinen allegorischen Figuren der vier großen, damals preußischen Flüsse – Rhein, Weichsel, Oder und Elbe – ist der Brunnen ein Meisterwerk der neobarocken Bildhauerkunst. Begas schuf zudem bedeutende Denkmäler für Alexander von Humboldt (1883) vor der Humboldt-Universität und das imposante Bismarck-Nationaldenkmal (1901), das heute am nördlichen Rand des Großen Sterns steht. Er schuf zahlreiche Porträtbüsten darunter von Adolph von Menzel, Helmuth von Moltke und Otto von Bismarck.

Im Dienste des Kaisers

Insbesondere unter Kaiser Wilhelm II. erlebte Begas seine Blütezeit. Der Monarch schätzte das Pathos und die repräsentative Kraft von Begas‘ Arbeiten und überschüttete ihn mit Aufträgen. Das monumentalste Projekt dieser Zusammenarbeit war das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal (1897) an der Schlossfreiheit, ein gigantisches Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I.. Umstritten war Begas‘ künstlerische Führungsaufgabe bei der Gestaltung der Siegesallee im Tiergarten (1895–1901). Dieser Prachtboulevard, von Wilhelm II. persönlich initiiert, sollte die Ahnenreihe der brandenburgisch-preußischen Herrscher verherrlichen. Doch der Spott der Berliner ließ nicht lange auf sich warten: Der Volksmund verspottete das Ensemble schnell als „Puppen“. Die Kritik an der als ästhetisch überladen empfundenen Darstellung traf den Kaiser empfindlich und führte zu Spannungen mit seinem einstigen Lieblingskünstler.

Nachruhm und Niedergang

Reinhold Begas verstarb am 3. August 1911 in Berlin und wurde auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt, wo sein Grab bis heute als Ehrengrab der Stadt Berlin gepflegt wird. Nach dem Ende des Kaiserreichs und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg galten seine Werke vielen als Sinnbild für preußischen Nationalismus und Militarismus. Zahlreiche seiner Monumente wurden Opfer von Zerstörung oder ideologisch motiviertem Abriss. Das gewaltige Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal wurde 1950 von der DDR-Führung gesprengt. Die Figuren der Siegesallee ließ der West-Berliner Senat 1954 vergraben; sie wurden erst Jahrzehnte später wiederentdeckt und sind heute in der Zitadelle Spandau ausgestellt. Lange Zeit schien Reinhold Begas in Vergessenheit geraten. Erst in jüngerer Zeit wird sein Werk wieder differenzierter betrachtet. Man erkennt heute wieder den virtuosen Künstler, der die deutsche Bildhauerei aus dem starren Korsett des Klassizismus befreite. Bereits im Jahr 1892 wurde die Begasstraße in Schöneberg nach ihm benannt. 1920 folgte eine gleichnamige Straße in Mahlsdorf.

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