Gazette Verbrauchermagazin

Paradies für Bücherfreunde

Der Buchladen am Bayerischen Platz feiert 100. Geburtstag

Frau Vinke-Futh (links) und Inhaberin Christiane Fritsch-Weith sind die guten Seelen des Buchladens.
Frau Vinke-Futh (links) und Inhaberin Christiane Fritsch-Weith sind die guten Seelen des Buchladens.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau August 2019
Anzeige
Apotheke am Bayerischen PlatzBuchladen Bayerischer PlatzReiselandAugenkraft Institut für

Eine Institution feiert 100. Geburtstag! Im Jahr 1919 öffnete Benedict Lachmann seinen Buchladen Bayerischer Platz. Schnell wurde die Neueröffnung ein fester Anlaufpunkt im Bayerischen Viertel. Die Goldenen Zwanziger Jahre standen vor der Tür. Die Menschen feierten, genossen das Leben – und gute Bücher gehörten einfach dazu. Lachmann hatten einen idealen Standort gewählt. Im Bayerischen Viertel wohnten begüterte Berliner und viele Intellektuelle – unter anderem Albert Einstein, Alfred Kerr und Gottfried Benn. Sicher haben auch sie den Laden besucht, der seinen ersten Standort am Bayerischen Platz 13 – 14 hatte. Von Anfang an war Paul Behr dabei. Er lernte bei Benedict Lachmann den Beruf des Buchhändlers. Noch ahnt der junge Paul nicht, dass der Buchladen eines Tages ihm gehören würde.

Mit der Übernahme der Macht durch die Nazis begannen die Schikanen gegen jüdische Bewohner Berlins. Das Bayerische Viertel gehörte zu den besonders betroffenen Gegenden. Aufgrund der zahlreichen jüdischen Einwohner trug das Viertel den Beinamen „Jüdische Schweiz“. Auch Benedict Lachmann war Jude und hatte unter Diskriminierung und Erniedrigung zu leiden. 1937 verkaufte er den Buchladen, Käufer war sein früherer Lehrling Paul Behr. Christiane Fritsch-Weith, die heutige Inhaberin, recherchierte, ob Behr ein Nazi war. Sie fand jedoch keine Anhaltspunkte dafür, im Gegenteil. Weder Paul Behr noch seine Frau waren Parteimitglieder. Der junge Mann arbeitete auch nach der Machtergreifung bei einem Juden, was nicht gerne gesehen war. Und mit Ernst Wiederhold stellte Behr einen Geschäftsführer ein, der gemeinsam mit Lachmann Mitglied der 1932 aufgelösten Künstlervereinigung Novembergruppe war. Das spricht dafür, dass Paul Behr den Nazis skeptisch gegenüberstand. Benedict Lachmann sollte das Ende des Dritten Reichs nicht mehr erleben. Er wurde 1941 mit einem der ersten Deportationszüge von Grunewald aus in den Tod geschickt. Benedict Lachmann starb am 4. Dezember des gleichen Jahres in Lodz. 2011 wurde am Bayerischen Platz 13 – 14 ein Stolperstein für ihn verlegt.

Als Paul Behr 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde, übernahm der Maler Ernst Wiederhold – bekannt als Sascha Wiederhold – die Geschäftsführung. Die Bombenangriffe auf Berlin trafen im November 1943 auch den Buchladen, der komplett zerstört wurde. Paul Behrs Ehefrau Martha führte das Geschäft daraufhin von ihrer Wohnung aus weiter. Nach Kriegsende baute sie den Buchladen an seinem neuen Standort in der Grunewaldstraße 59 wieder auf. Es dauerte noch bis 1950, bis Paul Behr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückkam und die Geschäfte weiterführen konnte.

1975 verkaufte er die Buchhandlung an Christiane Fritsch-Weith. Mit nur 25 Jahren wagte die Mutter von zwei Kindern den Sprung in die Selbständigkeit. Mit Mut und Engagement führt sie seither den Buchladen. Eine große Literaturauswahl und regelmäßig stattfindende Lesungen sorgen für einen lebendigen Austausch im Buchladen, der 1990 innerhalb des Hauses noch einmal umziehen musste. Sie konnte sich 2015 und 2016 über den Deutschen Buchhandelspreis freuen. Am 24. August wird das Jubiläum gefeiert – die Party beginnt um 18 Uhr und alle Freunde des Buchladens sind herzlich eingeladen!

Titelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022