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Renata Ravell – Grand Dame der Travestie

Nach wie vor regnet es für sie rote Rosen

Erschienen in Gazette Wilmersdorf Juni 2019
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Renata Ravell in den 60er-Jahren. Foto: Plotzky
Renata Ravell in den 60er-Jahren. Foto: Plotzky

Plotzky – Ravell ist auf dem Klingelschild zu lesen. Der Bindestrich steht dabei für große Illusion, Schauspiel- und Gesangskunst, Pailletten, Glanz und Glimmer. Dahinter steckt ganz privat Olaf Plotzky, einer der namhaftesten Travestie-Künstler Deutschlands, der sich während seiner inzwischen fast sechzigjährigen Bühnenpräsenz weltweit einen Namen als Renata Ravell gemacht hat. Und auch wenn er jetzt im Juni die Mitte seines achten Lebensjahrzehntes überschreitet, – was man kaum glauben mag – hat Renata Ravell nichts an Reiz verloren. Sie ist nach wie vor gefragt und denkt keineswegs ans Aufhören. Und so stellt sich ihr Publikum auch weiterhin fasziniert die Frage: Ob Mann oder Frau, wer weiß es genau?

Privat

In seinem gemütlich-eleganten Wohnzimmer in Berlin- Friedenau empfängt mich herzlich Olaf Plotzky. Im Nebenzimmer glitzernde Roben, reich bestickt mit Pailletten und Strass. „Renata Ravells Bühnengarderobe lasse ich schneidern, besticke sie und die passenden Colliers dazu dann meist selbst“, verrät Olaf und zeigt mir als beeindruckende Auswahl seiner rund 30 Bühnenroben ein paar ganz besondere Prunkstücke: Fließende Brokatstoff-Corsagen, federbesetzte Mäntel und paillettenschwerer Halsschmuck verführen zum Träumen und Anprobieren.

Den Vormittag hat der Travestie-Künstler damit verbracht, seine Perücken für die Auftritte frisch zu frisieren. „Das Publikum sieht immer nur das fertige Produkt Renata Ravell – aber nicht, wie viel Vorbereitung neben der Erarbeitung des eigentlichen Programmes noch dahintersteckt“, verrät Olaf. So müssen vor einem Auftritt Kostümkoffer geschleppt werden, die Maske dauert rund 1 ½ Stunden und die Technik braucht auch Vorbereitung. Außerdem sind die Kostüme instand zu halten, neue sind anzufertigen. – Viel Arbeit für einen unvergesslichen Abend in der Travestie-Traumwelt.

An liebevoll gedecktem Kaffeetisch erzählt mir der Künstler dann mit leuchtenden Augen von seinem ungewöhnlichen Lebensweg und zeigt mit berechtigtem Stolz bemerkenswerte Foto- und Druckdokumente, die er im Laufe der Jahre gesammelt hat:

In Falkenberg/Elster im brandenburgischen Landkreis Elbe/Elster wurde er 1944 als Jüngster von neun Geschwistern geboren. Der Vater leitete als Kapellmeister das Falkenberg-Tanz-Ensemble (FTE), unterrichtete außerdem Privatschüler und an Musikschulen. Kein Wunder also, dass Olaf das „Künstlergen“ so fest in sich trägt.

„Nach meinem ersten Opernbesuch von „Rusalka“ wusste ich, dass ich zur Bühne will“, erinnert sich Olaf heute. Der Gesang spielte dabei für ihn eine wichtige Rolle, Operettenbuffo – Vorläufer heutiger Musicaldarsteller – und jugendlicher Darsteller war damals sein Traumziel.

Doch zuerst machte Olaf eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann und zog schließlich nur 14 Tage vor Mauerbau zu seiner älteren Schwester nach Berlin-Schöneberg, wo er die in Herzberg begonnene Dekorateur-Lehre abschloss („Ich habe schon als Kind gerne gebastelt“).

Der angehende Künstler nutzte nun jede Gelegenheit zum Dekorieren. Er arbeitete hart, um damit seine angestrebte Schauspiel- und Gesangsausbildung finanzieren zu können. Seine Lehrer waren keine Geringeren als Diseuse Ada Hecht und Kammersänger Maxim-Rossi-Rissmann. In ersten kleineren Auftritten imitierte Olaf bekannte Künstler, bis eine Künstleragentin auf ihn aufmerksam wurde: Sie überzeugte den anfangs skeptischen Olaf, sich als Conférencier in glitzernden Damenkostümen zu präsentieren.

Renata Ravell – on Tour bis ganz nach oben

Eine ebenso harte wie beeindruckende und prägende Zeit folgte nun für die „neugeborene“ Renata:

„Ich tingelte mit Koffern voller prächtiger Kostüme auf Tourneen durch Dörfer und Städte, oft mit dem Flieger unterwegs, denn als „Republikflüchtling“ fuhr ich besser nicht durch die DDR“, betont der Travestie-Künstler. Der erste Auftritt war in Minden/Westfalen, Travestie war da für viele noch eher unbekannt. „Man fragte an den Tournee-Orten auch schon mal nach, wann denn meine Frau zum Auftritt käme oder bot mir ein Doppelzimmer an“, lacht „Renata“, die als eine der ersten professionellen Travestie-Künstlerinnen in konventionellen Varietés und Nachtclubs sang, tanzte und konferierte. In jüngeren Jahren platinblond, präsentiert sich die reifere Renata inzwischen mit kupferrotem Haar. Ihrer damenhaft-eleganten und auch etwas autoritären Erscheinung begegnen Männer meist fasziniert-respektvoll, wie sie erklärt.

1975 kam für Renata der internationale Durchbruch, Engagements in London (Paul-Raymond-Revue), Südfrankreich, Amerika folgten.

In angesagten Berliner Nachtlokalen wie „Rififi“, „Imperial“ oder dem „Scotch Club 13“ begeisterte sie damenhaft schillernd mit femininem Charme und intelligentem Witz Gäste, VIP´s und High Society, die sie bald gerne in ihrem Kreis aufnahm. Im „Scotch Club“ suchte sie dann auch Deutschlands Playboy Nr. 1 Rolf Eden auf, der einen Conférencier für seinen „New-Eden-Saloon“ am Kurfürstendamm suchte. Waren ihm Renatas Lieder anfangs zu sentimental, sagte ihm ihr kesseres Repertoire dann schon eher zu.

Über 20 Jahre konferierte Renata schließlich in seinem Club. „Er war ein toleranter und toller Chef“, betont Renata heute, die auch im 2012 über das Leben Edens erschienen Film „Immer nur Glück gehabt“ und im gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2013 zu Wort kommt und lobend genannt wird.

Als eine Delegation aus Ost-Berlin den Eden-Club in West-Berlin aufsuchte, hatte das ganz besondere Folgen für Renata: Europas größtes und bekanntestes Revue-Theater, der Ost-Berliner Friedrichstadtpalast, engagierte sie, den einstigen „Republikflüchtling“, für seine Revue. Mit Walter Plathe ging Renata später auf ausgedehnte DDR-Tournee. Auch im Palast der Republik feierte sie mit ihrer Personality-Show „Ich bin, was ich bin“ rauschende Erfolge.

Für ihre Auftritte im Friedrichstadtpalast fuhr sie jeden Abend mit Sondergenehmigungen über den Übergang Invalidenstraße nach Ost-Berlin und nach ihrem Auftritt wieder zurück. Als sich einmal dem Abend im Friedrichstadtplast ein Westberliner Nacht-Auftritt zeitnah anschloss, durfte sie sogar noch in Kostüm und Pelzstola im weißen Mercedes den Kontrollpunkt ohne Wartezeit passieren; in einem westlichen Pressebericht tags darauf ausführlich beschrieben. In einem vom Friedrichstadtpalast ihr überreichten Erinnerungs-Bändchen sind all die überragenden Kritiken zu Renata Ravell verwahrt – und die einzig weniger überragende der Zeitung „Neues Deutschland“.

Nach der Wende folgten zahlreiche Gala-Auftritte, auch in den neuen Bundesländern. Beim Festival der Travestie in der Berliner Urania begeisterte Renata Ravell ebenso wie als gefeierter Star bei Gastspielen und im weltweit berühmtesten Travestie-Cabaret „Pulverfass“.

Das Staatstheater Stuttgart engagierte Renata im Jahr 1998 für die deutsche Erstaufführung von Peter Turinis Theaterstück „Die Schlacht um Wien“.

Und dann waren da die großen Kreuzfahrt-Veranstalter, die Renata für ihr Programm entdeckten. „Ich habe die ganze Welt gesehen durch diese Engagements“, erklärt Renata, die mit Koffern voller Kostümen und Requisiten bis zum Jahr 2016 mit Traumschiffen wie beispielsweise der „Europa“, der „Maxim Gorki“, der „Astoria“, der „Alexander von Humboldt“, der „Albatros“ oder der „Delphin“ über die Weltmeere kreuzte. Die vorgeschriebene Brandschutzübung blieb auch ihr nicht erspart: „Bei der Übung in Rostock musste ich u. a. mit schwerer Schutzmontur durchs Feuer laufen und dann auch noch aus fünf Metern Höhe ins Hafenbecken springen“, erzählt Renata, die darüber heute lachen kann.

Weiter mit Applaus

Die Kreuzfahrt-Ära hat Renata 2016 beendet, ihre professionellen Auftritte aber mit wechselndem Pianisten und Ensemble sind an Land nach wie vor stark gefragt. Ihr Repertoire-Querschnitt vom Chanson bis anspruchsvollen Lied à la „Für mich soll´s rote Rosen regnen“, das sie mit ausgebildeter warmer Stimme stets live gesungen präsentiert, ist außerdem auf zwei CDs erhältlich.

Auch private Engagements nimmt sie an, wenn es ihre Zeit erlaubt, sei es als Moderatorin oder mit Showblöcken oder -einlagen, mit Schlagern und Evergreens sowie mit Liedern von Hildegard Knef, Margot Werner und Zarah Leander.

Und etwas habe sie, die erfahrene Travestie-Künstlerin, dann doch noch beeindrucken können, wie sie erzählt: „Über die Künstlerförderung bin ich um 2010 in Senioreneinrichtungen, Krankenhäusern und Pflegeheimen aufgetreten, wo Travestie im Programm eher ungewöhnlich ist. Aber das positive Echo von Patienten- und Leitungsseite her war so groß, dass ich das gerne wieder machen würde.“ Renatas „Travestie-Humor mit Geist“ brachte da nämlich auch die zum Lachen, denen der Alltag nur noch wenig Grund zum Lachen gab.

Dass auch zukünftig das Publikum mit dem Applaus rote Rosen auf Renata Ravell regnen lässt, daran besteht kein Zweifel. Erobern doch Renata UND Olaf im Flug die Herzen ihres Gegenübers dank echter menschlicher Wärme und hohen künstlerischen Könnens.

Wer Renata Ravell persönlich erleben möchte, sollte sich wegen des begrenzten Platzangebotes schon heute vormerken: Die „ herr-liche Königin der Travestie-Kunst“ tritt im Oktober 2019 in der Bar „Die Kleine Philharmonie“ in der Schaperstraße 14 in 10719 Berlin-Wilmersdorf auf.

Näheres dazu sowie Informationen und Buchungen von Renata Ravell unter Telefon: 0170 20 55 14, www.renataravell.de und über Facebook.

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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