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Schlosspark Theater Berlin

Das Berliner Sprechtheater startet facettenreich in seine 10. Spielzeit

Auf in die 10. Spielzeit…
Auf in die 10. Spielzeit…
Erschienen in Gazette Wilmersdorf Oktober 2018
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Ein Narr, wer das Schlosspark Theater Berlin als bloßes Boulevardtheater bezeichnet. In seiner 10. Spielzeit unter der Leitung von Dieter Hallervorden zeigt es einmal mehr eine beeindruckende Vielfalt, die von der gehobenen Komödie über eigenproduzierte Klassiker bis hin zum zeitaktuell neuinszenierten Theaterstück und Drama reicht. Auch das jüngere Publikum wird dabei altersgerecht angesprochen: Sei es durch das professionell geleitete junge Ensemble „YAS-Junges Schlosspark Theater“ oder durch die Kooperation mit der Literaturinitiative Berlin. Außerdem besteht seit 2010 in den Sommerferien das Angebot für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren zu freiem Eintritt.

So fragt man sich wieder einmal, was eigentlich noch geschehen muss, damit dem Haus als Berliner Kultureinrichtung mit Leuchtturmfunktion jenseits von Mitte endlich die finanzielle Unterstützung von kulturpolitischer Seite zugesprochen wird, der es schon lange gerecht wird.

Von ernst bis heiter

Ernst wird Intendant Hallervorden, wenn er davon erzählt, dass er auch nach 10 Jahren immer noch pro Spielzeit rund 100.000 Euro aus eigener Tasche dazulegen muss, um das Haus am Leben zu erhalten. Dabei erfährt er zwar Unterstützung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und aus privaten Bereichen, die Kulturpolitik jedoch hält sich weiterhin vornehm zurück, wenn es darum geht, dem Schlosspark Theater die dringend notwendige Finanzspritze zu setzen.

Doch auch in der gerade begonnenen 10. Spielzeit kann sich das Haus wieder auf seinen theaterkundigen Retter verlassen und mit einer Reihe neuer sehenswerter Stücke aufwarten:

Da geht es – in intimer Atmosphäre der Champagnerhalle des Theaters – komödiantisch im Soloprogramm von Johannes Hallervorden zu, der sich mit dem Stück „Der letzte Raucher“ nicht nur die Anerkennung seines kritischen Vaters, sondern auch die des Publikums u. a. in Hannover, Peine und Wörlitz erspielt hat. An der Seite von Anita Kupsch und Dagmar Biener wird man ihn in Steglitz wenig später auch in „Was zählt, ist die Familie“ unter der Regie von Anatol Preissler erleben können. In Anlehnung an den Film erwartet das Publikum in der neuen Spielzeit mit „Monsieur Claude und seine Töchter“ mit Brigitte Grothum und Peter Bause ein weiterer Leckerbissen, Regie führt Philip Tiedemann.

In einem Gastspiel der Tragikomödie „Paul Abraham – Operettenkönig von Berlin“ wird es im Haus an der Schloßstraße ein Wiedersehen mit Jörg Schüttauf geben.

Die jüngeren Theatergäste werden mit der neuen „Romeo und Julia“-Inszenierung des YAS-Theaters angesprochen, die jüngsten mit dem beliebten „Karneval der Tiere“ und dem „Nussknacker“, der Weihnachtsstimmung verbreiten wird. Daneben vervollkommnen namhafte Lesungen und Konzerte die 37 Angebote umfassende Vielfalt der 10. Spielsaison.

Passend dazu: In einer nicht weniger abwechslungsreichen Ausstellung „Mein Schlosspark Theater“ zeigt das Steglitz Museum in der Drakestraße 64 A bis zum 30. Juni nächsten Jahres die mit dem Bezirk verbundene „Theatergeschichte des Hauses in fünf Akten“, von Barlog bis Hallervorden, eindrucksvoll in Szene gesetzt.

„Der Stellvertreter“

Mit einem besonderen Highlight führt Dieter Hallervorden („Meine Wurzeln liegen in der politischen Satire. Ich beziehe Stellung, gebe meine Meinung kund und zeige Fahne!...) das Theater nun in die 10. Spielzeit:

Rolf Hochhuths legendäres fünfaktiges Drama „Der Stellvertreter“, im Jahr 1963 uraufgeführt und damals umstritten, beeindruckt in neuer Kammerspiel-Inszenierung und Regie von Philip Tiedemann. Behutsam verdichtet, auf acht Szenen und sieben Schauspieler komprimiert, bewegt und mahnt das Schauspiel zu Obacht und rechtzeitigem Gegensteuern, – passgenau zur momentanen Situation Deutschlands mit volksverhetzendem, braungefärbtem Geschwätz. Dabei stellt das Stück immer wieder Fragen nach der Hölle des Holocaust, der Moral der Gesellschaft und dem christlichen Selbstverständnis:

Im August 1942 ist der junge Pater Ricardo (Tilmar Kuhn) entsetzt über die Äußerung der katholischen Kirche, das Vorgehen und die Überzeugung der Nazis mit Verhaftungen, Deportationen und Holocaust seien kein Grund zur Beunruhigung. Kirchliche Weltfremdheit, Geldgier und salbungsvolles Geschwafel begegnen dem Pater. Unterstützung findet er in SS-Sturmbannführer Gerstein (Oliver Nitsche), einem Doppelagenten. Gemeinsam reisen beide nach Italien, um Papst Pius XII. (Georg Preuße) zum Eingreifen gegen die Gräueltaten zu bewegen. Doch der – ganz Stellvertreter Christi´s auf Erden und Oberhaupt der katholischen Weltkirche – begegnet, von Diplomatie anstatt von Nächstenliebe geleitet, dem für die Juden bittenden Ricardo, der mit dem Judenstern an der Soutane sein Leben als Opfer bringen will und sich so solidarisch mit den Juden erklärt. Der Papst, nicht eigentlich böse, aber eben auch nur ein Mensch mit Angst, und im tiefen Glauben daran, dass Gott hinter all dem steht, betet indessen für die Opfer des Holocaust, denn „auch diese Stunde ist die Stunde Gottes.“ So nimmt das „christliche Trauerspiel“, wie der Untertitel des Hochhuth-Stückes lautet, seinen unseligen Lauf.

Das Bühnenbild, minimalistisch und bedrückend mit Schwarz und Weiß spielend, Schattenbilder und Toninszenierungen, die mit Sirenengeheul und Flugzeugmotorengeräusch bedrohliche Kriegs- und Bombenatmosphäre ins Publikum projektieren, all das zieht den Zuschauer ins Stück hinein, lässt ihn nicht eine Sekunde der so ergreifend inszenierten Aufführung unberührt. Im Hintergrund als Stimme und Schatten der so zerbrechlichen Randfiguren und verletzbaren Gesellschaft Krista Birkner, die mit zarter Stimme fast hoffnungsvoll ein altes Wiegenlied singt. Für die Opfer lässt Tiedemann den unvergessenen Coco Schumann zu Wort kommen.

Ein „Collier hochkarätiger Diamanten“ nennt der Regisseur zu Recht das Schauspiel-Ensemble, das hervorragend aufeinander eingespielt die Botschaft des Stückes so verständlich zu vermitteln vermag.

Das erreichte Nachklingen in jedem Einzelnen nach eindringlichem Schlussbild macht dieses Stück mehr als sehenswert und zum Muss eines jeden jungen oder alten Kulturinteressierten. Zur Nachbereitung des Stückes ist das hervorragend gestaltete Programmheft zu empfehlen, das viel Hintergrundinformation und lesenswerte Aussagen liefert.

Rolf Hochhuth äußerte sich nach der Premiere stolz und glücklich „darüber, dass ich diese Inszenierung erleben darf.“

Der Papst – Georg Preuße

Mit seinem Namen wird „Mary“ verbunden, die schillernde Travestie-Schönheit mit liebevoll schnodderigem Mundwerk und hintergründigen Texten, die Alt und Jung gleichermaßen zu begeistern wusste.

Als Papst brilliert Georg Preuße nun in einer Mischung aus geistlicher Verklärtheit, Überheblichkeit und Weltferne, der dabei die Wirtschaftlichkeit seines Handelns für die katholische Kirche jedoch nicht außer Acht lässt. Preuße legt die Rolle feinfühlig an, lässt einen nach außen zwar strengen, nicht bösen, im Innern aber mit aufkeimender Angst und Verzweiflung kämpfenden Papst Pius erstehen, der sich dem Gottgegebenen ob seines Amtes als Stellvertreter Gottes zu fügen hat.

Dieter Hallervorden ist es gelungen, Preuße mit dieser Rolle aus Zürich nach Berlin zu locken. „Eigentlich wollte ich nicht mehr spielen, aber die Aussage dieses Stückes in seiner Aktualität hat mich überzeugt“, erklärt der „Schaulebende“, der das Wort „Schauspieler“ für sich nicht hören mag. Vielmehr müsse ein Schauspieler jede Rolle spielen können. Er jedoch könne dies nur, wenn sie ihn so erfülle, dass er sie leben kann. Dann aber stehe er ganz in ihrem Dienste. Für jede Rolle sei er daher nicht einsetzbar.

Das ist es wohl auch, was ihn so realistisch auf das Publikum wirken lässt, wie es „Mary“ tat. – Dieses tiefe Einleben in die Rolle war es auch, das ihm schließlich alle Kraft raubte. „Mary hat mir viel von meinem eigenen Leben genommen. So musste ich etwas egoistischer werden. Schließlich war ich 40 Jahre mit ihr für unser Publikum da“, betont Georg Preuße, der mit seinem Mann, Produzenten und Manager Jack Amsler seit vielen Jahren zusammenlebt. Seine Rolle erklärt der Schaulebende so: „Bei „Mary und Gordy“ war Gordy der Antrieb, ich die Lokomotive, die Gleisanlage aber war und ist bis heute Jack.“

Nach Mary folgte „Jedermann“, auch Dürrenmatt und Borchert spielte Preuße, dem das Hochhuth-Stück aus der Seele spricht:

So setzte er sich bereits in Texten von „Mary“ dafür ein, dass die Gesellschaft politische Hintergründe zu verstehen lernt, denn „Demokratie verträgt keine unwissenden in diesem Sinne „dummen“ Leute. Sie ist die einzige Staatsform, die abgewählt werden kann“, wie Georg Preuße weiß.

Neben dem Theaterspielen genießt er jetzt auch das Wiedersehen mit Berlin, wo er in Charlottenburg lebte. „Berliner zu sein, ist ein Lebensgefühl“, weiß Preuße, der in Niedersachsen aufwuchs, Informatik studierte und durch`s Jobben in einer Bar zur Travestie fand. Vorbehalte gegen Homosexualität hat er nicht nur durch die Kirche zu spüren bekommen, auch im Elternhaus und bei Mary-Auftritten wurden sie immer wieder spürbar. – Ein Grund mehr für Georg Preuße, sich in die Rolle des Papstes, in dessen innere Angst und Verletzbarkeit hinein zu fühlen, aber auch in dessen glaubensbegründete, doch falsche Überzeugung.

Eine Rolle mehr, die Georg Preuße auf der Bühne nicht nur überzeugend verkörpert, sondern mit ganzer Person lebt. Eine Fiktion hat er dabei: Wie wäre das Stück angelegt worden, wenn Deutschland nicht den Zweiten Weltkrieg verloren hätte?

Weitere Aufführungen „Der Stellvertreter“: 19. – 24. November, 4. – 6. und 8. Dezember 2018 um jeweils 20 Uhr sowie Januar 2019.

Spielplan unter www.schlossparktheater.de , Kartentelefon 030 – 789 56 67 100, mehr zum Steglitz Museum unter www.steglitz-museum.de

Übrigens: Wer auch hinter die Kulissen des Schlosspark Theaters blicken und dem Haus noch näher kommen möchte, der kann dies mit dem „Freundeskreis des Schlosspark Theater in Berlin e. V.“: Näheres unter www.freundeskreis-schlossparktheater.de

Jacqueline Lorenz

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