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Familientradition im Emisch-Haus

Paul Emisch und seine Nachkommen in Lichterfelde West

Historisches Foto des Emisch-Hauses um 1900.
Historisches Foto des Emisch-Hauses um 1900.
Erschienen in Lichterfelde Ost Journal April/Mai 2017
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Das Emisch-Haus nahe dem Bahnhof ist ein besonderer Blickfang in Lichterfelde West. Das Haus ist nicht nur optisch eine Besonderheit, es ist auch seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz. Monika Schnoor, Ur-Enkelin von Paul Emisch, hat seine Geschichte aufgeschrieben:

„Was du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“, sagt der Volksmund. In der Villenkolonie von Lichterfelde gibt es eine Reihe attraktiver Landhäuser – ein besonderes Kleinod ist das Emisch-Haus, die Turmvilla in der Curtiustraße 6 am Bahnhof Lichterfelde West. Deren Fachwerk und Fassadenflächen sind reich verziert. Solche originellen Stadtvillen zu restaurieren und zu erhalten ist mit viel Mühe und Kosten verbunden. So kann man das „erwirb es, um es zu besitzen“ interpretieren.

Architekt in Lichterfelde und Namibia

Der Architekt Wilhelm Sander hat als Liebhaber altdeutscher bürgerlicher Städtearchitektur 1895 das zweistöckige Eckhaus erbaut und den Fachwerkgiebel mit farbenfroher Malerei versehen. Die Motive sind biblischen Ursprungs. Da die Bauphase von viel Regen beeinträchtig war, ließ der Architekt die Fassade mit der Geschichte der Arche Noah, die Rettung der Tiere vor der Sintflut, bemalen. Wilhelm Sander geriet wenig später in finanzielle Schwierigkeiten, verkaufte das Haus und wanderte nach Südwest-Afrika, heute Namibia, aus. In Swakopmund baute er unter anderem eine Bahnstation, eine Schule und diverse Wohnhäuser, die an das Emisch-Haus erinnern.

In Familienbesitz seit 1900

Paul Emisch, am 26. Mai 1873 als Sohn eines Tuchfabrikanten in Luckenwalde geboren, kam 1900 als Bankier nach Lichterfelde. Hier kaufte er das Fachwerkhaus, baute es um und vervollständigte die Malereien. Neben Walther von der Vogelweide, Greifvögeln und zwei Engeln ließ er sein Familienwappen, das eine von seiner Tochter gehaltene Sonne zeigt, mit seinem Wahlspruch „Fürchte Gott, tue recht, scheue niemand“ malerisch gestalten. Sein Schutzpatron, der heilige Paulus, steht in einer Giebelnische zur Baseler Straße zeigend. In der Kartusche aus halb aufgerollten Blättern ist der Name Paul Emisch zu lesen, so nannten die Lichterfelder die Stadtvilla das „Emisch-Haus“.

Diverse Wahlsprüche von ihm, die auch seine starke Persönlichkeit wiederspiegeln, zieren die Wände im und am Haus:
„Hic rideo ego (Hier lache ich)“
„Wem‘s nit gefallt, Mach hier nit Halt Kann maken wat hei will“
„Wer Dag for Dag sien Arbeit deiht un jümmer ufn Posten steht un deiht dat froh un deiht dat gern Der mag sich ok mal ameseern.“

Ein weiteres Kuriosum ist der Dachgarten des Hauses, der einst von einem verschnörkelten Zaun umgeben und mit großen Zierstrauchkübeln sowie einem Sitzplatz eine Idylle darstellte. Hier graste auch ein Ziegenbock. In der Dachspitze des Fachwerkgiebels befinden sich noch gut erhaltene Stallungen, in denen die Tochter Bärbel Kaninchen und die Ziege hielt. Heutzutage blühen auf dem Dach im Frühling selbstausgesäter Mauerpfeffer und Schnittlauch in den Komplementärfarben Gelb und Violett.

Immobilien, Zigarren und mehr

Außer, dass das Haus seit 1902 im Familienbesitz ist, verbirgt sich hinter der Fassade eine weitere Familientradition: hier wird seit 100 Jahren gemäkelt. 1900 gründete Paul Emisch ein „Bankgeschäft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr“ und war somit der erste Immobilienmakler am Ort. Vor 76 Jahren war er Gründungsmitglied des Berufsverbandes Ring Deutscher Makler, RDM, in Köln. Nach langjähriger Zugehörigkeit im Haus- und Grundbesitzerverein wurde ihm 1953 die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Nebenbei betrieb er einen Wein- und Zigarrenhandel sowie eine staatliche Lotterie- Einnahme, die ihm bei Lichterfeldern, die nicht das große Los gezogen hatten, den Spitznamen „Nieten-Paule“ einbrachte. Das hörte er gar nicht gern.

Immobilien­spezialisten seit Generationen

Seine beiden Kinder, Bärbel Wichmann geb. Emisch und Klaus Emisch (geboren 1902 und 1905) traten in die Fußstapfen ihres Vaters, erlernten den Immobilienberuf und hatten nach dem 2. Weltkrieg ihre eigenen Maklerfirmen. Selbst mit über 80 Jahren ließ es sich die alte Dame nicht nehmen, ab und zu noch eine Immobilie zu vermitteln. Seinen 1918 aus Ostafrika zurückkehrenden Schwiegersohn, Walter Wichmann, bildete er ebenfalls im Immobiliengeschäft aus, in dem dieser bis 1944 tätig war. Die Enkeltochter, Ingeborg Burghardt, geb. Wichmann, widmete sich der der Verwaltung der Bestandsimmobilien. Sie machte es sich Anfang der 70er-Jahre zur Lebensaufgabe das Emisch-Haus, das vor ein paar Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde, zu restaurieren und Instand zu halten, um den nachfolgenden Generationen den Familienstammsitz zu bewahren. 1995, zum hundertjährigen Bestehen des Hauses, an dessen Fest auch die sich in den letzten Jahrzehnten verdient gemachten Handwerksfirmen teilnahmen, ließ sie die Malereien von einem Kunstmaler erneuern.

Immobilienshop mit Galerie

Seit 1971 führt das Ehepaar Monika, die Urenkelin, und Eugen Schnoor das Unternehmen. Der heutige Firmeninhaber ist Vorstandsmitglied im RDM, Landesverband Berlin und Brandenburg e. V. und unter anderem Mitglied im Gutachterausschuss für Grundstückswerte beim Senat von Berlin. Die 5. Generation, der jüngere von zwei Söhnen, Steffen Schnoor, Dipl.-Betriebswirt (BA) ist ebenfalls im Unternehmen tätig. Anfang 1999 eröffnete die Firma im Erdgeschoß des Emisch-Hauses einen Immobilienshop und integrierte eine Galerie. Die Vernissagen dienen nicht nur den Kunstliebhabern, mit Kunden, Geschäftspartnern und Freunden des Emisch-Hauses finden anregende Kommunikationsgespräche statt.

Monika Schnoor

Titelbild

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