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Eileen Moritz will Barrieren abbauen

Neue Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderungen startet durch

Eileen Moritz, neue Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, und ihr vierbeiniger „Mitarbeiter“ Joschi.
Eileen Moritz, neue Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, und ihr vierbeiniger „Mitarbeiter“ Joschi.
Erschienen in Lichterfelde West Journal April/Mai 2017
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Foto Frohloff

Seit Januar belebt die Dipl. Sozialpädagogin und ausgebildete Supervisorin Eileen Moritz das seit zwei Jahren unbesetzte Amt der Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wieder. In ihrem Büro im Rathaus Zehlendorf arbeitet sie sich an fünf Tagen in der Woche während ihrer Orientierungsphase intensiv in ihre verantwortungsvolle Tätigkeit ein, für die sie beste Voraussetzungen und ein gehöriges Maß an Begeisterung mitbringt: Vielfältigste Bereiche der Sozialarbeit hat sie während ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn kennengelernt, ohne dabei die vielfältigen Facetten des Bereichs Behinderung je aus den Augen zu verlieren.

Die gebürtige Norddeutsche, die 1982 nach Berlin kam, acht Jahre in Steglitz lebte und heute in Heiligensee wohnt, arbeitete u. a. in einem Wohnprojekt für HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Menschen. 2001 wandte sich Eileen Moritz beruflich wieder der politischen Behinderten- und damit Selbstbestimmt-Leben-Bewegung zu. Indem sie sich tiefer mit der UN-Behindertenkonvention beschäftigte, fand sie immer stärker zu ihrem Arbeitsschwerpunkt im Bildungsbereich. Trainings- und Weiterbildungsangebote realisierte sie zu Themen wie Inklusion als Menschenrecht, Barrierefreiheit, Empowerment und Diversity und begleitete in ihrer Funktion als Supervisorin in unterschiedlichen Institutionen Veränderungs- und Inklusionsprozesse. Viel hat sie sich mit Architekten und Bauvorhaben beschäftigt und dabei immer wieder festgestellt, was sie geändert sehen will: „Barrierefreiheit ist dabei immer ein Sonderkostenpunkt, anstatt barrierefreies Bauen auch unter Berücksichtigung des demografischen Wandels zum Standard werden zu lassen.“

Barrieren machen Beeinträchtigte zu Behinderten

Selbst mit Beeinträchtigung aufgewachsen, gelingt es Eileen Moritz unkompliziert, auf direkter Augenhöhe mit anderen Menschen in Kontakt und Austausch zu treten. Ihre Aufgabe als Bezirksbeauftragte, Ansprechpartnerin und Vermittlerin für Mitmenschen mit Behinderungen sieht sie darin, „dafür Sorge zu tragen, dass die Belange dieser Menschen bei geplanten Projekten des Bezirksamtes Berücksichtigung finden.“ Stets ein Ohr für Frauenbereiche zu haben, liegt ihr ebenso am Herzen. Etwas überrascht ist sie darüber, wie viele Bürgerinnen mit Beeinträchtigung sich über die Respektlosigkeit beschweren, mit der ihnen begegnet wird, und wie sehr Grenzüberschreitung oder Herablassung noch immer Thema zu sein scheinen, denn sie selbst macht immer weniger diese Erfahrungen.

Den Unterschied zwischen „Beeinträchtigung“ und „Behinderung“ bringt die Bezirksbeauftragte so auf den Punkt: „Wenn Menschen mit Beeinträchtigung auf Barrieren stoßen, werden sie zu Behinderten. Denn Behinderung entsteht erst durch Barrieren.“ Die Hauptaufgabe von Eileen Moritz wird es auch zukünftig sein, diese Barrieren, die unterschiedlichster Art sein können und Beeinträchtigung oft erst zum Problem machen, beseitigen zu helfen. Sie freut sich auf diese Arbeit, für die sie sich als Ansprechpartnerin und Gesprächspartnerin viele interessante Begegnungen im Bezirk verspricht: Mit Menschen mit Beeinträchtigung ebenso wie mit Vereinen, Selbsthilfegruppen, Initiativen und Organisationen, die sich mit der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen befassen.

Vom Reagieren zum Agieren

Derzeit ist es der neuen Bezirksbeauftragten besonders wichtig, bald einen kompetenten bezirklichen Beirat für Menschen mit Behinderungen an ihrer Seite zu wissen, um gemeinsam das Bezirksamt mit seinen Gremien in behindertenpolitischen Fragen auf der Grundlage des Landesgleichberechtigungsgesetzes erfolgreich beraten und unterstützen zu können.

In der Büro-Organisation wird Eileen Moritz von Susanne Wunderlich begleitet, die bereits ihre Vorgängerin Beatrix Beese unterstützte und seit 2008 im Rathaus dabei ist. Über die neue Kollegin sagt sie: „Sie ist eine ganz Taffe!“

Gut ausgestattet habe sie der Bezirk für ihre Arbeit, freut sich Eileen Moritz. Als einziger vierbeiniger Bezirksamt-Mitarbeiter mit Sondergenehmigung ist ihr 8-jähriger Golden Retriever „Joschi“ immer mit dabei. Der Assistenzhund vom „Hunde für Handicaps e. V.“ erledigt Aufgaben, die Eileen Moritz schwer fallen: Er hebt Dinge vom Boden auf, öffnet Türen und drückt Fahrstuhlknöpfe. Im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf dürfte er sich bald – nicht zuletzt wegen seines treuen Blickes – zum Lieblings-Mitarbeiter entwickelt haben.

Eileen Moritz verspricht indessen: „Ein Jahr nehme ich mir zum Reagieren und zum Erkennen, welche Schwerpunktthemen im Bezirk vorliegen, um dann eigene Schwerpunkte zu setzen und mit eigenem Profil so richtig loszulegen.“

Auch wenn sie sich sehr auf die Zusammenarbeit mit Frank Mückisch, dem Bezirksstadtrat für Bildung, Kultur, Sport und Soziales freut, bedauert sie die kurz vor ihrem Amtsantritt getroffene Entscheidung, dass sie als Beauftragte nicht mehr der Bezirksbürgermeisterin zugeordnet ist. Denn: „Behinderung ist kein rein soziales, gesundheitliches Thema, sondern ein gesamtgesellschaftliches Querschnittsthema, welches alle Lebensbereiche berührt. „Nicht umsonst haben wir auf einen Paradigmenwechsel – weg von der Fürsorge hin zu Umsetzung von Chancengleichheit und gleichen Rechten von Menschen mit Behinderungen -hingewirkt“, kommentiert sie. Dabei ist sie der festen Überzeugung: „Unsere gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Inklusion bringt uns alle voran und kann darüber zu einer Gesellschaft mit Wertschätzung und Respekt für die Vielfalt führen.“

Kontakt zur Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderung: Sprechzeiten Do. von 10 – 12 Uhr im Rathaus Zehlendorf Raum A 27, Kirchstr. 1-3 in 14160 Berlin und nach tel. Vereinbarung unter Tel 90299 – 6309. E-Mail behindertenbeauftragte@ba-sz.berlin.de.

Weitere Informationen unter www.steglitz-zehlendorf.de/behindertenbeauftragte

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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