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Camerata Wannsee singt mit Herz und Mund

Kammerchor der Ev. Kirchengemeinde Wannsee überzeugt stimmsicher

Vor dem erfolgreichen Chorauftritt stehen viele intensive Proben.
Vor dem erfolgreichen Chorauftritt stehen viele intensive Proben.
Erschienen in Nikolassee & Schlachtensee Journal Dezember/Januar 2022
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Die Andreaskirche Wannsee in der Lindenstraße ist bekannt für ihre besondere Akustik mit wenig Hall und wird daher gerne für Ton- und Filmaufnahmen genutzt. Mindestens ebenso bekannt aber ist die Camerata Wannsee, die als Kammerchor der Evangelischen Kirchengemeinde Wannsee hier seit Jahrzehnten für niveauvolle und stimmgewaltige Chormusik sorgt. Ihre Sängerinnen und Sänger beherrschen Singstimme und Repertoire mit einer Leichtigkeit, die auf den Zuhörer ansteckend wirkt; spürt man doch in jedem Ton viel Herz, tiefe Freude und Musikalität mitschwingen. Geleitet wird die Camerata Wannsee von dem renommierten Kirchenmusiker und Organisten Jan Sören Fölster.

Drum singe, wem Gesang gegeben

Ein Donnerstagabend im Herbst. 30 und damit fast alle Mitgliedern des zu zwei Dritteln aus Frauen bestehenden Chores treffen sich zum Proben in der Andreaskirche. Sie kommen überwiegend aus Wannsee und dem Bezirk, auch aus Kladow und Spandau. Im Alter zwischen 35 und 80 Jahren sind die Sängerinnen und Sänger, von denen einige inzwischen weit über 40 Jahre dabei sind: Sopranistin Anne seit 48 Jahren, Altistin Barbara seit 45 und Tenor Stefan seit 46. Zwinkernd bezeichnet sich Dietrich Plückhahn als Nachwuchs: „Ich bin seit rund 30 Jahren dabei.“ Die Partituren der gesungenen Chorwerke kennt er auswendig, ehrgeizig gelernt. Mit 24 Jahren erblindete der ehemalige Verwaltungsjurist, der seit 2003 auch als Komponist, Texter und Sänger des Satireduos Plückhahn & Vogel einen Namen hat. Weiteres bekanntes Gesicht im Chor war während ihrer Zeit in Berlin Eva Luise Köhler, Frau des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler. „Sie war immer mit bei den Proben dabei, wenn sie es zeitlich einrichten konnte“, erinnert sich Anne.

Das Repertoire des Chores beinhaltet a-Capella-Literatur aus Romantik, Barock und Moderne ebenso wie Bachs Passionen und „h-Moll-Messe“, Oratorien, Händels „Messiah“ oder Monteverdis Marienvesper. Auf dem Programm u. a. aber auch Schuberts späte Messen, diverse Vespern Mozarts, das „Requiem“ von Alfred Schnittke. Das „Weihnachtsoratorium“ von Bach ist bei Chor und Publikum lieb gewordene Tradition.

An diesem Probenabend steht wie immer das Einsingen am Anfang: Stehend oder sitzend, mit und ohne vollen Körpereinsatz, Lachen macht frei, Muskeln wollen gelockert, die Lippen geschmeidig werden. Die Töne von Barbers „Agnus Dei“ schweben stimmgewaltig zur Kirchendecke, „Gloria“ schließt sich jubelnd an. Am Klavier Chorleiter Fölster lässt, um die eigene Stimme hörbarer zu machen, die eigene Stimmsicherheit zu überprüfen und zu stärken, die Mitglieder hier und da „gemischt“ singen. Dabei entfällt die Orientierung am gleichstimmigen Nachbarn. Später dann geht es mit voller Konzentration an den Hauptinhalt dieser Probe, die „Missa in tempore belli“ von Joseph Haydn. Heute so aktuell wie 1796.

Aus Kinderstimmen erwachsen

Die Camerata Wannsee geht ursprünglich auf den Kirchenmusiker der Gemeinde Wannsee, Georg Dieterich, zurück, der im Februar verstarb. Dieterich hatte in den 70er-Jahren als Grundlage der Camerata Wannsee den Kinderchor der Jugendkantorei aufgebaut. In ihm hatten etliche der bis heute aktiven Kammerchor-Sängerinnen und -Sänger in jungen Jahren Zugang zur Musik gefunden, liebevolle Musikerziehung erfahren und erste Chorerfahrungen gesammelt. 1991 gründete der Kirchenmusiker schließlich gemeinsam mit der Kantorei der Evangelischen Kirchengemeinde Wannsee die Camerata Wannsee. Gerne erinnert man sich noch an die so beliebte „Wannseer Abendmusik“. Spaß am Singen, gesangliche Qualität und der Ehrgeiz zur Weiterentwicklung waren und sind bis heute wichtigste Voraussetzungen dieses Laienchores, der doch so große Professionalität besitzt. In seinen ersten Jahren vereinte er in seinem Repertoire romantisches Liedgut mit anspruchsvollem Chorwerk sowie Gesang mit Orchesterbegleitung und A-Capella-Programm und hat längst weitere „stimmige“ Mitglieder gewonnen. 2007 begab sich Camerata-Gründer Dieterich in den Ruhestand, blieb aber „seinem“ Chor bis zum Tod persönlich verbunden. Als seinen Nachfolger hatte er 2007 den Organisten Jan Sören Fölster ans Dirigentenpult geholt. „Der Übergang hat großartig geklappt“ erinnert sich das langjährige Chormitglied Anne. Er habe die Denkart des Gesanges nur verfeinert, auf der liebevollen Musikerziehung Dieterichs aufgebaut, untertreibt Fölster. Nach Studium und Berufserfahrungen in Freiburg, Basel und Trossingen war er u. a. von 2004 bis 2010 Stellvertretender Direktor des Staats- und Domchores an der UdK Berlin, unterrichtete Chorleitung am ökumenischen Institut für Kirchenmusik. Seit April 2010 ist er als A-Kirchenmusiker in der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Dahlem tätig. Ihm zu verdanken ist die hochkarätige instrumentale Chorbegleitung der Camerata, sei es durch das aus Mitgliedern der Akademie für Alte Musik individuell zusammengestellte Ensemble oder durch Mitglieder des Beethoven-Orchesters Berlin und erstklassige junge Solisten. Die Camerata Wannsee ist als Gemeinde-Kirchenchor u. a. an hohen kirchlichen Fest- und Feiertagen wie Totensonntag und Weihnachten in der eigenen Gemeinde im Einsatz sowie an mindestens drei Jahreskonzerten in Berlin und Umgebung. Da die Evangelische Kirchengemeinde Wannsee aus dem ehemaligen Dorf Stolpe und der Villenkolonie Alsen besteht, kann sie zwei einmalig schöne Kirchen vorweisen, in denen die Camerata auftritt: Die Kirche am Stölpchensee und die Andreaskirche.

„Es ist einfach großartig, dass uns die Kirchengemeinde Wannsee diese Plattform gibt“, betonen die Mitglieder der Canerata Wannsee.

Tickets á 20 Euro für die Konzerte, deren Kosten damit nur etwa zur Hälfte gedeckt werden, gibt es bei der Schwester von Chormitglied Stefan, die in ihrem Buchladen „Buch in Wannsee“ in der Chausseestraße 44A den Kartenverkauf mit viel Liebe zu Musik und Chor übernommen hat.

Chor-Kameradschaft sucht Nachwuchs

Freundschaftlich und namensgetreu kameradschaftlich geht es in der Camerata Wannsee zu. Regelmäßige Chorreisen, die dies vertiefen, führten die Mitglieder u. a. schon nach Frankreich und in die Schweiz. In den letzten Jahren unter der Leitung von Jan Sören Fölster geht es nun zum jährlichen Probenwochenende und Erarbeiten neuer Chorstücke ins Kloster Ossegg in die Tschechei.

Chor-Nachwuchs ist herzlich willkommen in der Camerata Wannsee, die Mitglied im Chorverband Berlin e. V. ist. „Wir halten zwischen uns die besten Plätze für neue Mitglieder frei“, verspricht Barbara, die seit ihrer Jugend im Chor ist und ihren Platz zwischen eingeschworenen Chormitgliedern damals noch resolut zugewiesen bekommen hatte.

Da die Andreaskirche in Wannsee als „Probenraum“ für manch neues Mitglied verkehrstechnisch zu ungünstig liegen könnte, hat der Chor als räumliches Entgegenkommen den verkehrsgünstiger gelegenen Gemeindesaal Dahlem für zukünftige Proben angedacht.

Erste Voraussetzung zum Mitsingen ist, wie Jan Sören Fölster erklärt, neben der Freude am niveauvollen Singen eine „gesunde“ Stimme, Chorerfahrung von Vorteil. Und zum Erlangen der nötigen Stimmsicherheit ist auch außerhalb der Proben der ein oder andere Blick in die Partitur empfehlenswert.

Interessierte chorerfahrene Sängerinnen und Sänger mit guter stimmlicher Anlage und Bereitschaft zu regelmäßiger und anspruchsvoller Probenarbeit können sich direkt beim Chorleiter Jan Sören Fölster melden unter kirchenmusik@kg-dahlem.de. Nach der Teilnahme an ein bis zwei Proben ist ein Vorsingen vorgesehen.

Weitere Informationen zur Camerata Wannsee sowie Veranstaltungstermine unter www.camerata-wannsee.de

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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