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Klaus Wüsthoff: Viel mehr als nur „Fit unter´m Dach“

Auch mit 95 startet der Komponist kreativ neue Projekte

Foto: Hanno di Rosa
Foto: Hanno di Rosa
Erschienen in Gazette Zehlendorf März 2018
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Einiges hat das alte Haus an der Rehwiese in Nikolassee schon erlebt. An Instrumentenklang und Singstimmen dürfte es inzwischen gewöhnt sein, doch wenn neuerdings der betagte Hausherr auf dem Dachboden Dehn- und Hüpfübungen macht, ächzt es doch manchmal erstaunt in den Balken.

Klaus Wüsthoff stört das wenig. Er arbeitet lebensfroh daraufhin, auch sein 11. Lebensjahrzehnt in fünf Jahren sicher auf eigenen Füßen stehend zu begrüßen.

Dazu bringt er in diesen Tagen seine neue DVD „Fit unter´m Dach“ auf den Markt. In seinem Fitness-Video mit eigens dafür von ihm geschriebener Musik und flotten Texten führt der junggebliebene Mitte-Neunziger – nicht ohne das gewohnte Wüsthoff´sche Augenzwinkern – praktische gymnastische Beweglichkeitsübungen für ältere Menschen zum Mitmachen vor, die aber gerne auch jüngere nachmachen dürfen.

Mit direktem Blick auf die Rehwiese kreiert der erfolgreiche Komponist am großen Schreibtisch im einstigen Elternhaus seiner Frau Gisela immer neue Musikprojekte, denen er am Flügel und auf dem Notenpapier dann klangvolles Leben einhaucht. Waren es in den frühen Jahren seiner Schaffensära u. a. die Erkennungsmelodie der „heute-Nachrichten“ im Jahr 1963 und Werbevertonungen für Persil und Nutella, will er heute mit seinen aktuellen Werken Vorbild sein, zum Nachdenken anregen und mahnen, besonders wenn es um unsere Umwelt, um das Klima und die Zukunft der Menschheit und Mutter Erde geht.

Mit der „Regentrude“ und den „Klimaglocken“ in die Zukunft

So spielte im Januar das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt in der Uraufführung vor großem Publikum Klaus Wüsthoffs klangreiches Klimamärchen „ Die Regentrude“, und keine Geringere als Martina Gedeck trug dazu ihre Textfassung vor. Angeregt durch den Potsdamer Klimaforscher Prof. Hans Joachim Schellnhuber, hat sich Klaus Wüsthoff dem Klimawandel zugewandt und seine 1967 nach dem gleichnamigen Kunstmärchen Theodor Storms komponierte Ballettmusik „Die Regentrude“ zur 20-minütigen Orchestersuite umgeschrieben. Wüsthoff erklärt dazu: „Eigentlich war die Ballettmusik ein Auftragswerk für die Tänzerin Gisela Deege, doch die zog sich überraschend vom Tanz zurück, so dass ich das frühere Werk zur Suite umwandeln konnte.“ Wie herabfallender Regen perlen da die Töne, trockene Wiesen und verdurstendes Vieh erhält die passenden Klangmotive. Und die bei Storm gut endende Liebesgeschichte weicht bei Klaus Wüsthoff der realen Geschichte über weltzerstörerisches Klima und Wetter. – Dass er seine Ballettmusik einmal als Symphonische Dichtung zur Mahnung eines Jeden an dessen Verantwortung gegenüber Klima und Umwelt einsetzen würde, daran hat der ideenreiche Komponist im Jahr 1967 wohl kaum gedacht.

Wüsthoff setzte seiner Klimamusik im vergangenen Jahr die Krone auf, indem er die groß angelegte Umweltinitiative „Klimaglocken“ für Carillons im In- und Ausland startete. Dazu entwickelte er aus dem Leitmotiv der „Regentrude“ eine abwärtsführende und den fallenden Regen darstellende Melodie, deren Ablauf durch Zwischenschläge unterbrochen wird, als Symbol für das Risiko und die Erinnerung des weltweiten „Zwei-Grad-Ziels“. Am 13.10.2017 wurde die Melodie erstmals auf dem Carillon der ehemaligen Garnisonskirche in Potsdam anlässlich der Potsdamer Klimakonferenz Impacts World 2017 präsentiert. Weitere Carillons aus 17 Städten fühlen sich nun weltweit aufgerufen, ebenfalls auf diese Weise an das gefährdete Weltklima zu erinnern. Zu ihnen gehören die Carillons in Berlin-Tiergarten und in Bonn-Beuel ebenso wie der Bartholomäusturm Erfurt, Mariahilf in München, das Stadthaus Apolda, die Cuijk Basilika in den Niederlanden sowie die Cathedral Santuario de Guadelupe in Dallas-Texas.

Der umweltbewusste Komponist mit den spitzbübisch blitzenden Augen schmunzelt: „ Damit mache ich noch eine Riesenkarriere.“

Ein Lebensweg voller Musik

Die Musikalität wurde Klaus Wüsthoff bereits in die Wiege in Berlin-Grunewald gelegt. Musikbegeistert waren Mutter und Vater, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, der zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft gerade noch rechtzeitig den Familiennamen „Herzfeld“ in „Wüsthoff“ hatte umwandeln lassen. Der Vater spielte im Juristen-Orchester, die Mutter Laute und Klavier. Mit Engelbert Humperdincks bebildertem „Sang und Klang fürs Kinderherz“ wuchs der kleine Klaus auf, verbrauchte jedoch etliche Klavierlehrer, weil er nicht übte, wie Wüsthoff heute über sich verrät. Zum Glück wohnte über den Wüsthoffs ein Onkel mit seinem Untermieter Roul von Koszalsky, einem indirekten Chopin-Schüler. Er war es, der Klaus Wüsthoff den musikbetonten Weg wies, indem er ihm Kompositionsunterricht gab. Die Musik und sein Akkordeon begleiteten Klaus durch die Höhen und Tiefen seines Lebens, zu denen auch die sowjetische Kriegsgefangenschaft gehörte.

Ab 1949 studierte er an der Hochschule für Musik Berlin u. a. bei Boris Blacher und Reinhard Schwarz-Schilling.

Klaus Wüsthoff wurde Leiter der Tanzmusikabteilung des RIAS, schrieb Auftragswerke, war Hauskomponist am Schillertheater und am Schlosspark Theater und erarbeitete unter Boleslav Barlog als Komponist und Moderator eigene Bildungsprogrammen für Funk und Fernsehen.

Opern, Musicals, zahlreiche Orchesterwerke, Kammermusik, aber auch Blas-, Jazz- und Dokumentarfilmmusik entstammen seinem kreativen Kopf.

Als zweifacher Vater, der mit der hochmusikalischen Gisela verheiratet ist („Sie ist meine Muse…“), wandte sich der Komponist auch der Musik für die jüngere Generation zu, die von seiner Kinderoper „Flori und der Krokofant“ ebenso begeistert ist wie von seinem „Kuscheltierkonzert“ oder der „Zwitscherschule“ für die Kleinsten.

Beide Töchter traten musikalisch in die elterlichen Fußstapfen und sind als Leiterin des Berliner Mädchenchors und in der Tanz- und Gesangsszene erfolgreich. Und auch die Enkel sind der Musik treu geblieben.

Mit Schwung zu neuen Zielen

Mit der neuen DVD „Fit unter´m Dach“ wendet sich der repertoirereiche Komponist, der sich stets mit Radfahren, Tennis und dem Ballspiel „Indiaca“ fit hielt, nun der älteren Generation zu, sie in Vorbildfunktion hin zu mehr sportlicher Aktivität zu motivieren. Mit fröhlich gesungenen Reimen und beschwingenden Musikklängen seines Swing Trios, das aus dem Komponisten (Piano und Gesang), Hanno di Rosa (Gitarre und Produzent) sowie Peter Rudolph (Bass) besteht, lockt er zum Mitmachen bei stehend und am Boden auszuführenden Übungen. Da wird geflogen, gedreht, gehängt und gehopst, dass es eine Freude ist, denn wie reimte Klaus Wüsthoff zutreffend:
Gegen Kummer, Weh und Ach hilft Gymnastik unterm Dach!
Wut ist weg, s´gibt keine Kräche, fort ist körperliche Schwäche!

Wer neugierig geworden ist: Die DVD ist für 10 Euro zu bestellen über:
Verlag Junge Stimmen e.K.
An der Rehwiese 15a, 14129 Berlin

Übrigens: Im vergangenen Jahr erschien eine Biographie über Klaus Wüsthoff von Max Doehlemann: „Der Komponist Klaus Wüsthoff oder die überhörte musikalische Mitte“ ist erhältlich beim Verlag „Ries & Erler“.

Jacqueline Lorenz

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