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Mein Vater, der Komponist Werner Richard Heymann

Die Tochter bewahrt der Nachwelt ein wertvolles Erbe

Familie Heymann. Archiv Trautwein-Heymann
Familie Heymann. Archiv Trautwein-Heymann
Erschienen in Gazette Charlottenburg Dezember 2020
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„Ein Freund, ein guter Freund“, „Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“ oder „Das gibt´s nur einmal, das kommt nie wieder“ – auch heute, fast 60 Jahre nach dem Tod des Komponisten Werner Richard Heymann (1896-1961), kann die Melodie dieser Ohrwürmer noch so mancher mitsingen.

Dass seine zeitlosen Texte und eingängigen Melodien im Gedächtnis bleiben, dafür sorgt mit viel Herz und Sachverstand seine Tochter Elisabeth-Charlotte Trautwein-Heymann. Sie, Heymanns einziges Kind, das aus seiner vierten Ehe mit der Wiener Schauspielerin Elisabeth Millberg hervorging, verwaltet das ebenso umfangreiche wie vielfältige Werk ihres Vaters, zu dem unzählige Filmmusiken, Schlager, Partituren und Vertonungen zählen.

1952 geboren, waren „seinem himmlischen Menschenkind und süßesten Mädel der Welt“ nur neun, aber intensive Jahre an der Seite des berühmten Vaters vergönnt, der 65-jährig am 30. Mai 1961 an den Folgen eines Schlaganfalles in München verstarb.

Elisabeth Trautwein-Heymann lebt heute mit ihrem Mann Wolfgang Trautwein, Literaturwissenschaftler und ehemaliger Direktor des Archivs der Akademie der Künste, in Berlin-Charlottenburg und Salzburg. Wolfgang Trautwein verfasste für die Edition „Jüdische Miniaturen“ eine Kurzbiografie über seinen Schwiegervater mit dem Titel „Werner Richard Heymann – Berlin, Hollywood und kein Zurück“.

Wenn Elisabeth Trautwein-Heymann von ihrem Vater erzählt, leuchten ihre Augen und lassen erahnen, welch inniges Vater-Tochter-Verhältnis zwischen den Beiden geherrscht haben muss.

Am 14. Oktober 2020 gedachte sie gemeinsam mit Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann auf dem nach ihrem Vater benannten Werner-Richard-Heymann-Platz im Schmargendorfer Maximilians-Quartier des großen Komponisten und Musikers, der als Erfinder der Tonfilmoperette gilt und maßgeblich an der Entwicklung des Tonfilms mitwirkte. 1933 hatte er wegen seiner jüdischen Abstammung aus Berlin emigrieren müssen, Haus und Besitz verloren und war mit nur zwei Koffern und einem Herzen voller Musik nach Paris ins Exil gegangen. Nun hat er endlich – dank der Initiative von Schauspielerin und Sängerin Vivian Kanner – die Ehrung erhalten, die ihm schon längst gebührte. Mit einer Erklärung zum Werdegang des Komponisten soll das Straßenschild in nächster Zeit komplettiert werden.

Anlässlich dieser späten Ehrung erklärt Elisabeth Trautwein-Heymann:

„Es berührt mich tief, dass mit diesem Straßennamen mein Vater wieder nach Berlin zurückgekehrt ist. Er war dieser Stadt sehr verbunden, bevor er emigrieren musste, und hat unter vielen verschiedenen Adressen in Charlottenburg und Wilmersdorf gelebt.“

Der Musiker und Komponist

Begonnen hatte Werner Richard Heymanns Leben in Königsberg, wo der musikalisch hochbegabte Junge bereits mit 12 Jahren als Violinist im Orchester der Königsberger Philharmonie spielte. Nachdem die Familie nach Berlin übergesiedelt war, studierte er an der Königlichen Hochschule für Musik. – Die Musikalität verbunden mit sicherem Rhythmusgefühl haben er und seine Frau ihrer Tochter Elisabeth vererbt, die diese besonderen Fähigkeiten mit den praktischen Qualitäten ihrer Mutter kombiniert besitzt und gut zu nutzen wusste: Wollte sie als Kind zuerst Schauspielerin oder Tänzerin werden, überlegte sie später, Medizin zu studieren, entschied sich aber dann an der Universität Mozarteum in Salzburg für Musiktherapie: „Denn im kreativen Tanz, beim Steppen und Jazztanz lässt sich mein Harmoniebedürfnis bestens mit meiner Freude am Rhythmus und an Melodien vereinen.“ Klavierspielen hatte sie einst bei der Mutter von Helen Vita gelernt.

Die Musikkarriere ihres Vaters hatte mit dem ersten Weltkrieg und seinem kurzzeitigen Soldaten-Dasein eine jähe Unterbrechung erfahren.

Aufenthalte in Wien und Salzburg, bei denen ihn die Operette „Csardasfürstin“ begeistert hatte, wecken bei dem jungen Komponisten das Interesse für die heitere Muse. Anfang der 20er-Jahre nach Berlin zurückgekehrt, schreibt der jung verheiratete Heymann nun in diesen sozial und politisch unruhigen Tagen Vertonungen für Kabaretts und Bühnenmusiken, lernt u. a. Kurt Tucholsky, Leo Heller, Joachim Ringelnatz und Walter Mehring kennen, deren Texte er vertont. Freundschaften zu Friedrich Hollaender und Trude Hesterberg entstehen, er arbeitet mit Max Reinhardt.

Für den Stummfilm schreibt er „Stimmungsmusik“. Seine Tochter erklärt: „Vom Medium Film war mein Vater äußerst fasziniert.“

Nach seinem Einstieg bei der Ufa als Assistent des Generalmusikdirektors im Jahr 1925 wird der begabte Komponist dort schon bald selbst Generalmusikdirektor und zuständig für Stummfilm-Kompositionen und –Arrangements sowie für Orchesterpartituren, außerdem wird er Leiter über weitere 120 Filmtheater.

Aus Protest gegen das Hugenberg-Regime, das mit seinem Medienkonzern die Hälfte der deutschen Presse kontrollierte und nationalsozialistischer und antisemitischer Propaganda den Weg ebnete, habe ihr Vater schließlich „die Fleischtöpfe der Ufa“ verlassen, erklärt Elisabeth.

Der Tonfilm ist nicht mehr aufzuhalten. Und so arbeitet Heymann bald mit ersten Tonfilmerfindern zusammen, dann holt die Ufa ihn zurück in ihre Reihen. Als musikalischer Leiter ist er mitverantwortlich für den ersten Ufa-Tonfilm „Melodie des Herzens“, Filmmusiken u. a. zu „Liebeswalzer“, „Die Drei von der Tankstelle“, „Ihre Hoheit befielt“, „Der Kongress tanzt“ und „Ein blonder Traum“. Die Schlager daraus kennt man bald überall auf der Welt, zeitweilig werden drei Fassungen eines Filmes gleichzeitig in Deutsch, Englisch und Französisch gedreht, mit berühmten Schauspielern wie Lilian Harvey, Willi Fritsch, Heinz Rühmann oder Hans Albers vor der Kamera. „Du, bist das süßeste Mädel der Welt“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“ oder „Irgendwo auf der Welt“ sind in aller Munde und auf allen Radiosendern zu hören.

Ein beliebter Satz von Heymann wird daher, wenn er sich seinem Gegenüber vorstellt: „Sie kennen mich nicht, aber Sie haben viel von mir gehört.“ Dieser Satz steht auch auf der Gedenktafel seiner letzten Berliner Adresse vor dem Exil, am Karolingerplatz 5a in Berlin-Westend.

Auch die Tonfilmoperette mit ihren gespielten Wunschträumen vom großen Glück im Gegensatz zur harten Realität der zu Ende gehenden Weimarer Republik und des Vormarschs der Braunhemden erlebt in diesen Tagen ihren Siegeszug.

Der Emigrant

Tochter Elisabeth erinnert daran, dass „Das ist die Liebe der Matrosen“ sogar in französischer Übersetzung als „Les GARS DE LA MARINE“ zur Marine-Hymne Frankreichs wurde, und die nach Kriegsende in Berlin einrückenden Russen über die Lautsprecher ihrer Militärfahrzeuge Heymann´s so vorausschauend komponiertes „Das gibt´s nur einmal, das kommt nie wieder“ durch die Straßen tönen ließen.

Sie erklärt weiter: „Dieser Schlager hatte mehrmals eine besondere Bedeutung im Leben meines Vaters.“ So habe er nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahr 1957, um die deutsche Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen, den Beamten durch das Vorsingen eines Volksliedes zeigen müssen, dass er noch deutsches Kulturgut beherrsche. Heymann sang also “Das gibt´s nur einmal…“ und überzeugte. –Auch in dieser Situation hatte er das rechte Maß an geistvoll-jüdischem Humor im Gepäck, den er ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg beim Eintrag ins Gästebuch eines großen deutschen Hotels bewies: Nachdem er auf der ersten Seite des Buches den Eintrag aus dem Jahr 1939 von „Nazigröße“ Julius Streicher gelesen hatte, „Wer gegen den Juden kämpft, ringt mit dem Teufel“, schrieb Heymann auf die aktuelle Gästebuchseite: „Den gab´s nur einmal, der kommt nicht wieder! Doch tausend Streicher spiel´n noch meine Lieder!“

1933 haben die Nazis bereits erkannt, dass es für Werner Richard Heymann als erfolgreichsten Tonfilmkomponisten seiner Zeit keinen Ersatz geben wird. Sie befürworten daher seine „Weiterverwendung in den Diensten der Ufa“, während alle anderen jüdischen Mitarbeiter gekündigt werden.

„Doch mein Vater hat nicht allein an sich gedacht, sondern beschlossen: Ich bleibe nur, wenn alle anderen auch bleiben.“ Wenig später schreibt Heymann nur kurz ins Tagebuch: „Verlasse die Ufa wegen Hitler.“ Ab 9. April 1933 in Berlin polizeilich abgemeldet, beginnt man in Deutschland ohne Aufschub mit dem Löschen seiner künstlerischen Spuren und verbietet schließlich seine Musik ab 1935.

Heymann emigriert mit seiner Frau nach Paris, in Frankreich ist er kein Unbekannter, hat als Kind von seiner Gouvernante perfekt Französisch gelernt. „In Frankreich wäre er gerne geblieben“, erklärt seine Tochter. Er vertont Maurice-Chevalier-Filme, schreibt seine erste Operette.

Einer Einladung folgend reist der Komponist 1934 nach Hollywood, doch der Erfolg bleibt aus. Paris hat Heymann bald wieder. 1936, als auch Frankreich für den Emigranten nicht mehr sicher ist, geht er ein zweites Mal nach Hollywood, diesmal für länger. Über die Jahre wird er dort 44 Filme vertonen, darunter Ernst Lubitsch-Produktionen wie „Ninotschka“ mit Greta Garbo. Er erhält vier Oskar-Nominierungen. 1940 heiratet Heymann seine dritte Frau. Doch auch diese Ehe wird 1947 scheitern, ihn in eine tiefe Krise stürzen.

Gerade noch rechtzeitig erreicht den Komponisten ein Film-Angebot aus München. Über New York, Paris und Zürich kehrt er 1951 nach Deutschland zurück. Elisabeth Trautwein-Heymann verrät: „Als mein Vater in Paris die ersten blühende Kastanien und den duftenden Flieder wahrnahm, kamen ihm die Tränen.“

Er lernt kurz darauf die Wiener Schauspielerin Elisabeth Millberg kennen, die 1952 seine vierte Ehefrau, Managerin und Mutter seiner Tochter werden wird. Mit ihr kehren in Heymanns Leben nach den rastlosen Jahren wieder Glück, Kreativität und Energie in sein Leben zurück, berufliche Erfolge stellen sich ein. Für die Münchner Bavaria-Filmstudios schreibt er Filmmusiken, u. a. zur „Heidelberger Romanze“ mit Lieselotte Pulver und O.W. Fischer und zu „Professor Unrat“. Neue Freundschaften entstehen, alte werden von ihm wiederentdeckt.

Berlin, einst sein Zuhause, wird für Heymann nur ein Intermezzo, zu viel hat sich verändert, ist zerstört. In sein Tagebuch schreibt er: „…ich glaube mich in einer fremden, völlig gespenstischen Stadt.“ Das DEFA-Filmgeschehen ist ihm zu DDR-orientiert, nichts für ihn. Eine angemessene Gedenktafel, die an Heymanns Verdienste um die Ufa und den Tonfilm erinnern, sucht man in Potsdam-Babelsberg bis heute vergebens.

Da der deutsche Komponist und Musiker als amerikanischer Staatsbürger nicht in Deutschland wohnen darf, um dort Geld zu verdienen, zieht er nach Salzburg.

Seine Kompositionen imponieren auch dem österreichischen Komponisten Robert Stolz. Gefällt dem ein Titel seines deutschen Kollegen besonders, erklärt er schmunzelnd: „Des gfallt mir, des komponier i morgen.“

Der Familienvater

Gerne erinnert sich Elisabeth Trautwein-Heymann an die wenigen gemeinsamen Jahre mit ihrem warmherzigen Vater, der abwechselnd mit den Ohren wackeln und zweistimmig pfeifen konnte. Das Familienleben nahm einen wichtigen Platz ein. „Er und meine Mutter kochten wunderbar, seine Königsberger Klopse waren ein Gedicht“, schwärmt Elisabeth noch heute. Heymann liebte gutes Essen und Trinken, das Rauchen, das er seiner Tochter zuliebe auch mal sein ließ, Reisen und Gemütlichkeit.

„In seiner Schreibtischschublade lag immer Schokolade, die er beim Notenschreiben naschte“, erinnert sich seine Tochter. In ihrer Schublade heute liegt bittere Schokolade. Und manchmal hatte der Vater vom vielen Schreiben Hühneraugen an den Fingern.

Und dann war da seine Tierliebe. Elisabeth erzählt: „In Hollywood trieben seine zwei Setter „Nino“ und „Notschka“ nachts eine trächtige Katze auf einen Baum. Mein Vater kletterte im Pyjama hinterher und rettete das Tier. Es bekam in seiner Schreibtischschublade Asyl. Die jungen Kätzchen säugte dann Hündin Notschka als Amme mit. Von nun an saßen zwei Hunde und eine Katze neben ihm und sahen ihm beim Komponieren zu.“

Und als sich die Tochter einen weißen Königspudel wünschte, saß Weihnachten Pudelchen „Bessy“ unterm Weihnachtsbaum. – Allerdings braun statt weiß, deshalb aber nicht weniger geliebt. „Als mein Vater nicht mehr lebte, empfand ich das Tier noch immer als ganz besondere Verbindung zu ihm, die erst mit dem Tod des Hundes endete“, sagt Elisabeth.

So ist es kaum ein Wunder, dass sie auch zukünftig die Erinnerung an ihren Vater, den großen Musiker und Komponisten Werner Richard Heymann, sowie an seine musikalischen Werke, Schlager und Kompositionen lebendig halten wird, damit sie immer „irgendwo auf der Welt“ weiterklingen.

Weitere Informationen, Termine und Angebote sowie Kontakt zu Elisabeth Trautwein-Heymann auf der Webseite www.heymann-musik.de

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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