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Braucht Berlin ein neues Hertha-Stadion im Olympiapark?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf November 2018

Ha Ho He! Die Ankündigung von Hertha, ein neues Stadion bauen zu wollen, hat viele aufhorchen lassen. Wie steht der Bezirk zu dem Vorhaben? Die Fraktionen in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf nehmen in den folgenden Beiträgen zu diesem Thema Stellung.

SPD-Fraktion

Die SPD-Fraktion begrüßt es, dass der Senator für Inneres und Sport, Andreas Geisel, kürzlich Klarheit geschaffen hat: ein Umbau des Olympiastadions kommt nach einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht in Frage. Mit dieser Grundlage kann nun offen diskutiert werden, ob ein Stadion-Neubau eine sinnvolle Alternative darstellt. Wir können den Wunsch der Vereinsführung nachvollziehen, in einem kleineren Stadion ohne Laufbahn spielen zu wollen, da es Hertha leider nicht annähernd gelingt, die Kapazität des Olympiastadions auszulasten. Wir wiederum wünschen uns, dass Hertha BSC als ein Aushängeschild des Bezirkes auch weiterhin seine sportliche Heimat in Charlottenburg-Wilmersdorf hat. Nichtsdestotrotz erscheint es uns derzeit äußerst fraglich, ob der Olympiapark ein geeigneter Standort für ein neues Stadion sein kann. Es ist zu bezweifeln, dass sich dies mit dem Denkmal- und Lärmschutz vereinbaren lässt. Auch der dafür dann notwendige Abriss von Wohnhäusern und der Bildungsstätte der Sportjugend müsste einvernehmlich und fair mit allen Betroffenen geklärt werden. Die weiteren Diskussionen werden wir als SPD-Fraktion kritisch und konstruktiv auf Bezirks- und Landesebene begleiten und uns dabei aktiv einbringen.

Lothar Saßen

CDU-Fraktion

Diese Frage kann man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Dazu sind vorab mehrere Aspekte zu klären. Das gesamte Olympiagelände steht unter Denkmalschutz. Wie verträgt sich ein Neubau mit dem Denkmalschutz? Was geschieht mit den Räumen und Plätzen, die auf dem vorgesehenen Areal bisher waren? Diese Plätze werden alle genutzt. Der Verlust wäre ein Aderlass für die dort ansässigen Vereine. Wir haben das beste Stadion in Deutschland, darauf können wir stolz sein. Wir müssen nicht um jeden Preis ein neues Stadion bauen. Wenn Hertha alle Fakten auf den Tisch bringt, dann kann über dieses Thema mit allen Betroffenen diskutiert werden. Bisher sind nur Andeutungen gemacht worden. Der Bezirk ist überhaupt noch nicht eingebunden worden. Dies muss dringend geschehen, um allen Bürgerinnen und Bürgern das Projekt vorzustellen. Wir als CDU-Fraktion sind offen für eine Diskussion mit allen Für und Wider. Nur Hertha muss dazu auch den Willen haben, alle Betroffenen mit einzubinden. Da das bisher nicht geschehen ist, kann diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt nur mit Nein beantwortetet werden.

Hans-Joachim Fenske

B‘90/Grünen-Fraktion

Erstligavereine im Fußball gehören zu einer Großstadt wie Berlin. Charlottenburg-Wilmersdorf genießt den Vorzug, dass Hertha BSC in dem Bezirk beheimatet ist. Eine Unterstützung und Festigung des Vereins ist durchaus wünschenswert. Eine kompaktere Fußball-Arena, die ohne öffentliche Zuschüsse auskommen muss, mag hierbei eine Hilfe sein. Senat und Abgeordnetenhaus sollten bei der Diskussion aber nicht die weitere Nutzung des bisherigen Stadions aus den Augen verlieren. Die regelmäßige Nutzung durch Hertha mag die kostenintensive Erhaltung des Olympia-Stadions gerechtfertigt haben. Internationale Sportgroßveranstaltungen allein werden nicht für den Unterhalt ausreichen. Bei der Gelegenheit ist auch die Nutzung des gesamten Olympiaparkgeländes zu überdenken. Mit der wachsenden Stadt muss sich Charlottenburg-Wilmersdorf auch dem steigenden Bedarf für mehr Sportflächen stellen. Es sind noch viele Fragen zu klären. Bevor eine Fläche für ein neues Fußballstadion an Hertha vergeben wird, ist ein nachhaltiges Nutzungskonzept für den kompletten Olympiapark vorzulegen, aus dem auch die im Bezirk ansässigen Sportvereine wie auch der nicht-vereinsgebundene Sport Vorteile ziehen kann.

Alexander Koch

FDP-Fraktion

Für Hertha läuft es gut – zumindest auf dem Rasen. Doch wie laufen die Bemühungen um einen Stadionneubau im Olympiapark? Aus Sicht der FDP-Fraktion ist nach wie vor der Ertüchtigung des denkmalgeschützten Olympiastadions der Vorzug zu geben. Dem Abriss von drei Wohngebäuden und dem gerade erst sanierten Gebäude der Sportjugend zu Gunsten einer Fußballarena wird die FDP-Fraktion die Zustimmung verweigern. Wesentliche Fragen, die im Zusammenhang mit einem Neubau stehen, sind auch weiterhin nicht geklärt. Durch den z. Zt. präferierten Standort würde die Arena näher an das Wohngebiet Westend heranrücken. Wie sollen die Anwohner vor nutzungsbedingtem Lärm geschützt werden? Und wie sähe die Zukunft des Olympiastadions ohne die regelmäßige Nutzung durch Hertha BSC aus? Das Olympiastadion, welches durch den Neubau einer Fußballarena dann nur noch für Leichtathletik- und Konzertveranstaltungen zur Verfügung stünde, würde etwa die Hälfte seiner Einnahmen verlieren. Die Unterhaltung des Stadions würde den Haushalt des Landes Berlin in stärkerem Umfang als bisher belasten. Hertha gehört zu Berlin, eine Spielstätte außerhalb der Stadt ist auch für die FDP-Fraktion nicht vorstellbar. Es muss weiterverhandelt werden, wie das Olympiastadion auch künftig als Hertha-Spielstätte genutzt werden kann. Ein neues Stadion im Olympiapark benötigt Berlin hierfür nicht.

Johannes Heyne

AfD-Fraktion

Herthas 125-jährige Tradition reicht von ruhmreich – 1930 und 1931 Deutscher Fußballmeister – bis katastrophal wegen Finanzpleiten und Ungereimtheiten. Manche erinnern sich: Hertha hatte ein eigenes Stadion an der Plumpe. Um Hertha aus den Schulden zu helfen, widmete der Senat in den 70er-Jahren das Stadion in Bauland um und der Verkauf machte Hertha vorübergehend schuldenfrei. Kaum etablierte sich der Verein in der 1. Bundesliga, kamen Rufe nach einem neuen Stadion. Die Zuschauer sollten näher am Geschehen sein. Die teilweise Heimschwäche wurde mit dem „ungeeigneten“ Olympiastadion begründet. Dabei vergaß der Verein, dass Stadien keine Tore schießen und dass Gastteams im Falle der Heimniederlage in dem Stadion ja durchaus gewonnen hatten. Ein Flächendenkmal wie das einmalige Olympiagelände verträgt keinen solchen Eingriff. Ein weiterer Umbau des Olympiastadions selbst ist ebenfalls abzulehnen. Es ist unser schönstes Stadion. Wir wollen es nicht der momentanen Laune eines überkommerzialisierten Fußballs opfern. Auch das Argument, das Stadion sei zu groß, greift nicht: Beim letzten mit 2:0 gewonnenen Spiel gegen Bayern München war das Stadion ausverkauft. Kein kleineres Stadion ist die Lösung, sondern attraktive Spiele des Vereins.

Hans Asbeck

Linksfraktion

Hertha BSC verkündete, eine neue, eigene Fußballarena im Olympiapark errichten zu wollen, denn „Hertha darf nicht seiner Zukunft beraubt werden, nur weil bislang keine Lösung für ein zu großes, denkmalgeschütztes Stadion gefunden wurde, das Hertha nicht gehört.“ Stimmt nicht. Zum einen wird die Zukunft des Vereins von ihm selbst auf dem Platz entschieden, nicht in einem moderneren Stadion. Zum anderen ist es für Hertha vielleicht wirtschaftlicher eine neue Arena nur für den Verein zu nutzen, nicht aber für Berlin keinen Fußballverein im Olympiastadion spielen zu lassen. Die vom Verein erhofften „attraktiven Vermarktungsmöglichkeiten“ helfen ihm selbst, denn Herthas Einnahmen würden steigen, die des Landes jedoch in Millionenhöhe wegbrechen. Hertha mag zu Berlin gehören, aber nicht zwangsläufig eine neue Arena in den Olympiapark. Es gibt Alternativen und darum fragen wir uns, warum Herthas Wünsche bisher eine größere Rolle spielten, als die der Berliner*innen, die nicht einmal gefragt wurden. Der Verein muss endlich Antworten darauf geben, wie er einen Beitrag für Berlin leisten will, das ihm in schlechten Zeiten zur Seite stand und was der Stadt bleibt außer neuen Problemen mit einer neuen Arena im Olympiapark.

Annetta Juckel

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