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Kunst im öffentlichen Raum

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Fruchtbarkeitsschrein an der Argentinischen Allee von Volkmar Haase.
Fruchtbarkeitsschrein an der Argentinischen Allee von Volkmar Haase.
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf August 2025

Kunst im öffentlichen Raum meint in der Regel Kunst im Stadtraum oder in öffentlichen Gebäuden. Diese Kunstwerke sind nicht selten aus dem Programm „Kunst am Bau“ hervorgegangen. Kunst im öffentlichen Raum meint dabei häufig ‚öffentlich zugänglich‘. In letzter Zeit wird auch über bereits bestehende Kunstwerke gesprochen und über ihre Bedeutung mitunter kontrovers diskutiert. Hierzu nehmen die Fraktionen und Gruppen in der Bezirksverordnetenversammlung-Steglitz-Zehlendorf Stellung.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Egal ob Wellen der Empörung über sie hinwegschwappen oder Lobeshymnen über sie gesungen werden – Kunstwerke im öffentlichen Raum erzeugen Reaktionen und Diskussionen. Viele erinnern an Geschichte, stehen als Mahnmale oder hoffnungsvolle Symbole und regen an, sich mit historischen Themen auseinanderzusetzen. So wird öffentlicher Raum zu einem Ort des Lernens und des kulturellen Austauschs, an dem jeder teilnehmen kann, ohne Museum, ohne Eintritt.

Kunst kann aber auch triste Orte beleben, graue Fassaden verschönern oder Industrieflächen aufwerten. Graffiti und Wandmalereien können mit aktuellen Themen den öffentlichen Diskurs anfeuern. Kunstwerke können aber auch still, ästhetisch oder wunderbar spektakulär wirken. Der Skulpturenpark im Haus am Waldsee mit seinen wechselnden modernen Arbeiten regt die Phantasie und Kreativität an. Der historisch gestaltete Stadtpark Steglitz lädt mit Atmosphäre und Charme zum Verweilen ein.

Kunstorte bedeuten Erlebnis, Begegnung und Austausch, egal ob sie Empörung oder Bewunderung auslösen – und genau darin liegt ihr unschätzbarer Wert. Dafür wird sich die CDU im Bezirk jederzeit einsetzen.

Gabriele Grabowski

B‘90/Grünen-Fraktion

„Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut“, stellte die Enquete-Kommission des Bundestages „Kultur in Deutschland“ bereits 2007 fest. Kunst ist daher weit mehr als schöne Dekoration, schafft Identifikation und lädt zur Auseinandersetzung ein. Sie kann Brücken schlagen zwischen Generationen, Milieus und persönlichen Lebenswelten. Sie ist Experiment auf der Suche nach künstlerischer Wahrheit – über die das Publikum betrachtend abstimmt. Kunst im offenen Raum ist dabei für alle zugänglich, unabhängig von Herkunft oder Geldbeutel, so wird sie Teil des Alltages, inspiriert und begleitet und macht das Leben poetisch. Doch sie bedarf auch eines entsprechenden Kontextes: transparente Auswahlverfahren, Förderung gerade auch lokaler Künstlerinnen und Künstler und respektvoller Dialog mit den Anwohnenden. Wir als Grüne setzen uns mit unserem aktuellen Antrag dazu (Drucksache 1426/VI) dafür ein, Kunst im öffentlichen Raum stärker zu fördern, denn Kunst darf nicht elitär versteckt bleiben, sondern soll zugänglich, mutig, sichtbar und manchmal auch unbequem mitten unter uns wirken.

Carsten Berger

SPD-Fraktion

Wem gehört die Stadt? Das ist die zentrale Frage, wenn es um die Nutzung des öffentlichen Raumes geht. Für die SPD-Fraktion ist klar: Die Stadt gehört denen, die dort leben und dazu gehört auch, dass der öffentliche Raum für Kunst und Kultur genutzt wird. Sie verschönert nicht nur unseren Bezirk, verbindet Menschen oder regt zum Nachdenken an, sondern gehört auch einfach zu einer Großstadt. Nicht jede Form von Kunst wirkt am besten in Galerien oder Museen. Im öffentlichen Raum ist sie für alle erfahrbar und das ist bei Kunst nicht immer der Normalfall. Was Kunst im öffentlichen Raum bedeutet, wandelt sich im Laufe der Zeit. Für die SPD hat rassistische, sexistische und nationalistische „Kunst“ im öffentlichen Raum nichts verloren. Wo Menschen auf diese Art und Weise diskriminiert werden, nimmt man ihnen ihren Anteil an dem Raum, der uns allen gehört. Es gibt viele herausragende Künstler*innen in Steglitz-Zehlendorf, deren Kunst zeigt, dass wir ein vielfältiger, weltoffener und kreativer Bezirk sind. Diese verdienen viel mehr Platz im öffentlichen Raum und dafür setzen wir uns ein.

Alexander Niessen

FDP-Fraktion

Der öffentliche Raum ist zuvorderst auf Funktionalität ausgerichtet, sollte aber auch ästhetisch ansprechend sein! Wir Freie Demokraten (FDP) in der BVV Steglitz-Zehlendorf wünschen uns mehr Sichtbarkeit von Kunst im öffentlichen Raum, weil wir überzeugt sind: Kunst gehört mitten ins Leben – für alle zugänglich, inspirierend und vielfältig – auch jenseits von Museen. Diese Urban Art braucht Raum und daher bitten wir das Bezirksamt nach dem Vorbild Mannheims, z. B. in den Unterführungen am Zehlendorfer Kleeblatt Legalflächen für Graffitikünstler zu schaffen. Die Flächen an den Tunnelwänden bieten Graffitikünstlern neuen Raum zur kreativen Entfaltung und können trostlose Angsträume in lebendige, sich ständig ändernde Kunstorte verwandeln. Das „Mannheimer Modell“ zeigt: Legalität führt zu Qualität – aufwändige, präzise Werke statt hektischem Gekritzel. Davon profitieren nicht nur die Künstler, sondern auch das Stadtbild und die Öffentlichkeit. Urban Art als temporäre Ausstellung im öffentlichen Raum zieht überregionales Interesse auf sich, stärkt die lokale Szene und macht so auch unseren Bezirk bunter und lebenswerter.

Katharina Concu

AfD 

„Ist das noch Kunst oder kann das weg?“ An der Frage, was Kunst ist und was nicht, scheiden sich seit jeher die Geister, erst recht im Laufe der Zeiten.

Die Kunst in der Öffentlichkeit – sollte sie, ja, muss sie nicht sogar schön sein? Sollte sie nicht das Auge erfreuen, oder wenigstens eine Art Bildungsauftrag haben? So wie etwa die „Puppen“, die Bilder von 32 Herrschern Brandenburg-Preußens seit Albrecht dem Bären, die im Tiergarten standen.

Oder sollten Kunstwerke im öffentlichen Raum nicht eher provozieren und zum Nachdenken anregen, wie es etwa der damalige Kultursenator Volker Hassemer tat, als er zur 750-Jahrfeier Berlins den Kurfürstendamm in den „Skulpturenboulevard“ verwandelte – und sich dann über die mangelnde Begeisterung der Berliner wunderte. Kunst im öffentlichen Raum ist geronnene Geschichte. An ihr können wir ablesen, was die Menschen für überlieferungswürdig hielten; und wie sich die ästhetischen Ansprüche wandelten. Deswegen sollte grundsätzlich alles erhalten, ggf. aber auch neu bewertet werden. Bilderstürmerei ist ein untrügliches Merkmal von Fanatikern. Also: Ja, es ist Kunst; und: Nein, es kann nicht weg.

Peer Döhnert

Die Linke 

Ausgerechnet im Rathaus Zehlendorf ist Kunst vor allem eines: sexistisch. Frauen werden dort ausnahmslos nackt dargestellt. Sie sind Anschauungsobjekte und ästhetisches Beiwerk. Männer hingegen sind stets als Macher abgebildet: mit Hemd, Krawatte und Anzug. So absurd ist das Angebot der öffentlichen Kunst in unserer politischen Schaltzentrale. Die Linke wollte das 2024 ändern und beantragte, die vorhandene Kunst beispielsweise aus dem Bezirksdepot, wo verschiedene Kunstwerke eingelagert sind, zu ergänzen. Von uns aus hätten es auch nackte Männer sein können. Hauptsache, das antiquierte Rollenbild aus den Urzeiten des Patriarchats wäre aufgebrochen worden. Leider bleibt alles so schräg, wie es ist. Die Grüne Bürgermeisterin war von unserem Antrag sichtlich genervt und ihre Fraktion hat CDU und AfD durch Enthaltung zu einer Mehrheit gegen den Antrag verholfen. Den Grünen kann man nur zurufen: Es genügt nicht, sich Geschlechtergerechtigkeit ins Wahlprogramm zu schreiben, wenn man danach nicht handelt! Die Linke hingegen wird sich weiter dafür einsetzen, dass der Bezirk zu einem Kunstraum wird, der verbindet – statt auszugrenzen.

Dennis Egginger-Gonzalez

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