Gazette Verbrauchermagazin

Wildschweine im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Bitte die Tür schließen, damit die Wildschweine keine Chance haben?
Bitte die Tür schließen, damit die Wildschweine keine Chance haben?
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Juni 2025

Immer wieder kommt es zu Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über auftretende Rotten von Wildschweinen im Bezirk. Sie hinterlassen umgepflügte Vorgärten, zerwühlte Grünanlagen und Friedhöfe sowie ramponierte Blumenbeete. Auch ziehen sie nicht selten seelenruhig in größerer Anzahl durch die Straßenzüge in zahlreichen Ortsteilen in Steglitz-Zehlendorf. Die Frage stellt sich, wie man dieser Entwicklung Herr werden kann. Nachfolgend nehmen die Fraktionen und die fraktionslosen Bezirksverordneten in der BVV-Steglitz-Zehlendorf zu diesem Thema Stellung.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Ganze Horden von Wildschweinen rüsseln sich zurzeit durch Rasenflächen, Gärten und Beete, graben Wiesen um und stöbern Komposthaufen durch. Die borstigen Allesfresser finden auch in Mülleimern viele Leckereien. Das gute Nahrungsangebot ist es, was die Wildschweine scharenweise anlockt. Eine BVV-Kollegin beobachtete 20 Tiere vor ihrem Gartenzaun, eine Bürgerin stürzte vom Fahrrad und brach sich das Handgelenk, als plötzlich eine ganze Gruppe Wildschweine unvermittelt im Weg stand. Im Schweizer Viertel haben sich so viele Tiere breitgemacht, dass die Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder fürchten. Jedes Jahr steigt die Population – bis zu dreimal im Jahr werfen die Bachen, nicht zuletzt wegen der milden Winter. Alles gute Gründe, mehr Wildschweinen erlegen zu lassen, zumal Wildschweinkeule oder Gulasch als Delikatesse gilt und gern gekauft wird. In städtischen Gebieten wie Berlin ist es aber nur unter bestimmten Bedingungen und mit Genehmigung erlaubt, eine gewisse Anzahl zu erlegen. Es gibt spezielle Jagdzeiten und jede Menge Vorschriften, diese gilt es zu vereinfachen, sonst werden wir mit den Wildschweinen so leben müssen.

Gaby Grabowski

B‘90/Grünen-Fraktion

Wildschweine gehören im Berliner Südwesten längst zum Alltag – zum Frust vieler Anwohnerinnen und Anwohner. Umgewühlte Gärten, beschädigte Grünflächen und Begegnungen auf Spielplätzen verunsichern – besonders Familien. In Kleinmachnow wurden seit April über 160 Tiere erlegt, doch viele Bürgerinnen und Bürger fordern weitergehende Maßnahmen. Auch in Zehlendorf stellen wir uns die Frage: Wie gelingt ein sicheres Zusammenleben von Mensch und Wildtier? Wir setzen auf Prävention und rechtssichere Lösungen. Entscheidend ist: Es darf keine (auch nicht indirekte) Fütterung geben. Offen liegende Abfälle, Kompost oder ungesicherte Tonnen locken Wildschweine in Wohngebiete – mit teils gefährlichen Folgen. Bei Fütterung drohen Bußgelder bis zu 5.000 Euro. Wir brauchen sichere Infrastruktur – umzäunte Gärten, geschlossene Tonnen und dichte Hecken. Die Jagd in Wohngebieten ist nicht erlaubt. Ziel muss sein, Wildschweine wieder stärker in den Wald zurückzulenken. Weil Wildtiere keine Gemeindegrenzen kennen, braucht es abgestimmtes Handeln mit Nachbarkommunen und den zuständigen Akteuren. Nur so kann eine langfristige Lösung entstehen.

Alexander Kräss

SPD-Fraktion

Wildschweine haben sich im Laufe der Zeit durch ihre Anpassungsfähigkeit zu einem festen Bestandteil der städtischen Fauna entwickelt, ähnlich wie Füchse und Waschbären. Berlinweit wird ihre Anzahl auf 4.000 Individuen geschätzt. Wegen fehlender Feinde haben sie ihre natürliche Scheu verloren. Auf der Suche nach Nahrung richten sie teilweise massive Schäden in Grünanlagen und Gärten an. Gärten lassen sich natürlich durch feste Zäune schützen, was für die Parks leider nicht möglich ist. Das Füttern von Wildtieren ist verboten und wird mit einem Bußgeld geahndet. Es sollte auch im Eigeninteresse unterbleiben, da durch Zufüttern Konflikte zwischen Menschen und Tier vorprogrammiert sind. Wildschweine sind schlau und kommen immer wieder zurück – und fordern dann u.U. mit Nachdruck weitere Fütterungen ein. Stadtjäger können im Stadtgebiet Wildschweine aus Sicherheitsgründen nur bedingt erlegen. Wir setzen uns für eine möglichst friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Wildschweinen ein, gekoppelt mit Aufklärung über richtiges Verhalten bei Kontakt mit ihnen, insbesondere zur Zeit der Aufzucht der Frischlinge.

Rainer Ziffels

FDP-Fraktion

Alle Jahre wieder durchwühlen Wildschweine insbesondere nach der Paarung Vorgärten und Parks in Steglitz-Zehlendorf auf der Suche nach Essbarem. Die Auflockerung mag sich zwar positiv auf Böden auswirken, verursacht jedoch auch aufgrund der großen Hinterlassenschaften der Tiere jährlich hohe Instandsetzungskosten für den Bezirk und seine Bürger. Alle Jahre wieder informieren öffentliche Stellen über Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung und unterstreichen, dass das Füttern von Wildschweinen verboten ist und Bußgelder von bis zu 5.000 Euro drohen. Wir Freie Demokraten (FDP) setzen uns dafür ein, dass die Wildschweinpopulation artgerecht und kontrolliert bei uns im Bezirk leben kann. Dazu gehört die Erkenntnis, dass Wildschweine nicht Teil eines Großstadt-Streichelzoos sind. Es gilt, Abstand zu den Tieren zu halten, damit sie ihre Scheu nicht verlieren und weiter in Wohngebiete vordringen. Bezirk und Land müssen die Bestände überwachen und die Voraussetzungen schaffen, um Wildunfälle und die Ausbreitung von Seuchen wie die Afrikanische Schweinepest zu verhindern. Dabei darf eine Bejagung der Tiere nicht ausgeschlossen werden.

Katharina Concu

AfD 

In der Onkel-Tom-Straße wird ein Rollerfahrer von einem Wildschwein schwer gerammt. In Zehlendorf-Süd wird ein Hund von einer Bache fast tot gebissen. Ein Behördengänger „entfernt“ das Tier. Bloß keine Öffentlichkeit, dann haben wir alle Tierschützer auf dem Plan, wird er wiedergegeben. Mehrere 100.000 Euro-Schaden verursachen die Tiere jährlich: Durchpflügte Parkanlagen, Rabatten und Sportplätze zeichnen das Bild des Bezirks. Mit der Einführung der Biotonne, die anders als Kompost auch Essensreste, Fleisch, Fisch und Milchprodukte bereithält, haben die Wildschweine und Ratten ihren duftenden Go-Inn. Die Happy-Meal-Box ist täglich verfügbar. Beste Bedingungen: Vier Mal im Jahr bekommen die Tiere mittlerweile Nachwuchs – etwa fünf pro Wurf. Der Bürger schützt sich nach Maßen. Die verantwortliche Politik sieht keinen Handlungsbedarf, keine Möglichkeiten oder die Verantwortung bei den Bürgern. Doch das Gegenteil ist richtig: Berlin muss ein integriertes Wildtiermanagement verfolgen. Die Kombination aus Bejagung, Prävention, technischer Abschirmung und Aufklärung hat sich als wirksam erwiesen, so Experten. Mit der AfD geht das.

Peer Döhnert

Die Linke 

Wildschweine sind anpassungsfähige Wildtiere mit ökologischer Funktion, etwa bei der Durchmischung von Waldböden. In Steglitz-Zehlendorf werden sie häufig in Gärten, Parks und auf Straßen gesichtet. Hauptursachen sind milde Winter, fehlende natürliche Feinde und ein reiches Nahrungsangebot in der Stadt. Zudem haben die Tiere gelernt, dass von Menschen nur eine geringe Gefahr ausgeht. Jäger und einige Parteien wollen den Konflikt zwischen Mensch und Wildtier vor allem durch Abschüsse lösen. Die Linke in Berlin hingegen fordert ein ganzheitliches Wildtiermanagement und steht damit auf der Seite der Umweltverbände. Viel kann durch Aufklärung erreicht werden: Die Tiere dürfen nicht gefüttert werden, in Grünflächen sollten keine Lebensmittel zurückgelassen werden, stabile Zäune, geschlossene Tore sowie gesicherte Komposthaufen und Mülltonnen schützen vor unliebsamen Wildschweinbesuchen. Kommt es doch zur Begegnung, bleibt man am besten ruhig und zieht sich langsam zurück. Wildschweine gehen Auseinandersetzungen i.d.R. aus dem Weg. Besondere Vorsicht ist jedoch bei Bachen mit Frischlingen geboten oder wenn Hunde mitgeführt werden.

Dennis Egginger-Gonzalez

Titelbild

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