Erschienen in Lankwitz Journal Dezember/Januar 2021
Nur 2,4 Hektar groß und fast verborgen: Wer den 1879 angelegten Friedhof Lankwitz betritt, findet sich in einer grünen Oase wieder. Ursprünglich wurde der Friedhof, der im Westen an die Lorenzstraße grenzt, für die Verstorbenen der Villenkolonie Lichterfelde Ost angelegt. In älteren Quellen wird er noch als Alter Friedhof Lichterfelde Ost bezeichnet. Doch da er auf Lankwitzer Gebiet liegt, ist er ganz offiziell der Städtische Friedhof Lankwitz. Die Anlage erfolgte als Quartiersfriedhof im Stil des 19. Jahrhunderts, denn das Gelände ist durch die Wege in gleichmäßige Quartiere aufgeteilt.
Vermutlich ist die älteste erhaltene Grabstätte auf dem Friedhof auch die prominenteste. Etwa 25 Meter vom Haupteingang entfernt, ist auf der linken Seite das Ehrengrab des Flugpioniers Otto Lilienthal, der in der Boothstraße in Lichterfelde Ost sein Haus hatte. Nach seinem Absturz in den Rhinower Bergen war er in Berlin an den Folgen verstorben. Am 14. August 1896 fand am Vormittag die Beerdigung statt. Auf dem Grabstein stehen die Worte, die angeblich seine letzten waren: „Opfer müssen gebracht werden“. Andere Quellen hingegen besagen, Otto Lilienthal sagte nach seinem Absturz „Ich muss etwas ausruhen, dann machen wir weiter.“ (Manuel Ruoff: Fliegen wie die Vögel, aus der Preußischen Allgemeinen Zeitung, Mai 2008). Neben Otto Lilienthals Grab ist seine Ehefrau Agnes bestattet.
In einem weiteren Ehrengrab ist ein weniger bekannter Zeitgenosse Lilienthals bestattet. Arthur Hobrecht wurde 1872 zum Oberbürgermeister von Berlin gewählt. Da die Stadt erst ein Jahr vorher zur Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs wurde, hatte der frisch gebackene Oberbürgermeister zahlreiche Aufgaben zu bewältigen. Eines seiner wichtigsten Anliegen war Hygiene. Er wollte Berlin zur saubersten Stadt Europas machen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, holte er nicht nur seinen Bruder, den Stadtbaurat James Hobrecht ins Boot, sondern auch den berühmten Sozialhygieniker und Arzt Rudolf Virchow. Mit dem Hobrechtplan wurde Berlin tatsächlich zur Stadt mit der modernsten Entwässerung und nicht nur die sauberste Stadt Europas. Berlin galt als die sauberste Stadt der Welt. Doch mit seinen Plänen für eine Provinz Groß-Berlin war Hobrecht seiner Zeit voraus. Er legte sein Amt 1878 nieder. 1912 starb er in seinem Haus in der Bahnhofstraße 42 in Groß-Lichterfelde, das erst 1921 zu Berlin gehören sollte.
Die Anthropologin und Hochschullehrerin Dr. Lieselotte Block ist ebenfalls auf dem Friedhof Lankwitz begraben, sie hat allerdings kein Ehrengrab. Sie arbeitete in der NS-Zeit am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie. Nach dem Krieg habilitierte sie sich an der Technischen Universität Berlin, und lehrte dort anschließend Anthropologie.
Doch auch wer kein Grab besuchen möchte, kann auf dem Friedhof Lankwitz Grün und Ruhe genießen. Auf dem Areal mit der 1889 erbauten Backsteinkapelle lässt sich zwischen hohen Bäumen und zwitschernden Vögeln eine kleine Auszeit vom Alltag nehmen – gar nicht weit weg von der lebendigen Stadt.
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