Gazette Verbrauchermagazin

Thomas Mertens und die Kammer des Entdeckens

Antike Bücher und Kunst-Raritäten

Thomas Mertens in seiner Wunderkammer „Buch und Kunst“.
Thomas Mertens in seiner Wunderkammer „Buch und Kunst“.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau Januar 2019
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RehbeinReiseland

Vor dem Schöneberger Ladengeschäft von Thomas Mertens begrüßen zwei Schweine als rosige Eyecatcher potentielle Kunden und weisen den Weg in die Wunderkammer von Thomas Mertens. Und auch das Schaufenster lässt bereits erahnen, was den Neugierigen hinter der Ladentür an kunsthistorisch wertvoller Vielfalt erwartet:

Alles andere als ein bloßes Sammelsurium an Überbleibseln vergangener Tage findet hier der suchende Sammler und Kunstfreund. Antike hochwertige Bücher, seltene Fotografien, ausgefallene Bilder und rare Kunstgegenstände laden zum Entdecken und Finden. Im Hintergrund waltet als Herr dieser Wunderkammer der Kunsthistoriker Thomas Mertens, der qualifiziert und unaufdringlich berät, und der über nahezu jedes Objekt interessante Geschichte(n) zu berichten weiß.

Hier, in der Winterfeldtstraße, wo bereits vor dem Zweiten Weltkrieg namhafte Antiquitätengeschäfte existierten, hat Mertens seit dem Jahr 2000 ein ganz besonderes Antiquariat aufgebaut, das weit über das herkömmliche hinausgeht.

Als „Untermieter“ hat das Ladengeschäft die Kreativtischlerei Rüdiger Weidemann an seiner Seite, die mit traditionellem Handwerk modernen Möbelbau und integrierte Formen der Natur nachhaltig kombiniert, woraus u. a. aussagestarke Skulpturen hervorgehen.

Handel mit Wandel

Thomas Mertens hat in Düsseldorf und Trier Kunstgeschichte studiert und fand so zum Antiquitätenhandel. „Damit kann man auf bequeme Art und Weise Geld verdienen“, entschied er für sich. Ein Sammler sei er aber nie gewesen, fährt er fort, das würde sich schlecht mit dem Geschäft vereinbaren lassen. Doch er gibt zu, dass ihm manchmal ein Stück besonders am Herzen liegt, wenn es eine ganz besondere Geschichte hat oder eine herausragende Rarität ist.

Thomas Mertens lebt seit nunmehr über 30 Jahren in Berlin, heute unweit des Volkspark Schöneberg. Ab Ende der 80er-Jahre führte er gemeinsam mit dem Architekten Michael Pomplun in der Kreuzberger Großbeerenstraße ein Antiquariat, bis sie 2000 im Haus aus der Gründerzeit an der Winterfeldtstraße das dortige Ladengeschäft mit 40-jähriger Historie übernahmen: Bereits seit rund 25 Jahren galt es als renommiertes Antiquariat und war zuvor Sitz einer Schneiderei gewesen.

Heute führt Thomas Mertens das Geschäft alleine und bietet neben antiken wertvollen Büchern auch anderen ausgewählten Kunstschätzen Raum.

Seine 140 Quadratmeter große Wunderkammer ist für Händler-Kollegen auf der Suche nach dem Besonderen ebenso Anlaufstelle wie für anspruchsvolle Sammler und ist darüber hinaus Ansprechpartner für das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz.

Doch der Verkauf im Geschäft ist nur ein Standbein, der Online-Handel ein weiteres unverzichtbares. So bietet der Kunsthistoriker seine geschichtsträchtigen Objekte vom Buch bis zum antiken medizinischen Instrument beispielsweise auch über ZVAB.com, AbcBooks.de und Ebay an, wobei er – ganz auf Raritäten spezialisiert – sich damit von der Masse abhebt. Denn auf das Internet setzen mit ihrem Angebot inzwischen viele Händler, da dies für sie kostengünstiger und einfacher scheint als eine risikoreiche Geschäftsniederlassung.

Der erfahrene Kunsthändler bringt es auf den Punkt: „ Früher hatten wir einen Nachfragemarkt, heute führt der Angebotsmarkt.“

Herausragende Objekte findet Thomas Mertens, der regelmäßig europaweit unterwegs ist, auf Messen und Kunst-Auktionen, aber auch bei Privat-Anbietern und manchmal eher zufällig. Spannend sind für ihn in erster Linie die Kunst- und Buchmärkte in England, aber auch die in Paris und Mailand.

Akteure der Wunderkammer: Buch und Kunst

Die Dielen des Antiquariats knarren so geheimnisvoll wie es die Schätze sind, die in Regalen und in lockerer Anordnung nur darauf warten, aus ihrem Dornröschenschlaf wachgeküsst zu werden. Da sind zuerst die Hauptakteure, betagte Buchraritäten, deren ältester Vertreter aus dem Jahr 1507 stammt: „Gebetbuch mit Gesang“ hat ein erstaunlich rüstiges Erscheinungsbild; gleich gegenüber nur leicht vergilbt und zum Teil leicht wurmstichig ein besonderes Theologie-Highlight in Mertens Antiquariat: Martin Luthers vollständige Gesamtausgabe in zeitgenössischen Einbänden „Der Erste (bis Zwelffte und letzte Teil) der Bücher in 12 Bänden“, gedruckt von Hans Krafft im Jahr 1556. – Mit Schweinslederband und Holzdeckeln mit reicher Blindprägung für fünfstellige Summe zu erwerben.

„Ein gutes Buch hat inneren Wert“, betont Thomas Mertens, schließlich würden derartige Bücher auch als solide Geldanlage genutzt. Stolz ist der Händler auf eine weitere Rarität: Von Matthias Holtzwart von Harburg „Lustgart Newer deuttscher Poeteri“, eine prächtige Reimchronik der württembergischen Fürsten mit Erzählungen von 1568. – Für diese Zeit eher ungewöhnlich und einzigartig.

Und dann sind da noch die Pergamentrollen aus dem Jahr 1410 oder Sammlungen alter Drucke mit Wappen-Holzschnitt und Druckermarke, antike Bibeln in Leder gebunden und handvergoldet. Auch ein glückliches Händchen für ausgewählte alte Fotografien und historische Postkarten hat Thomas Mertens bewiesen: So meldete sich jüngst ein äußerst zufriedener Kunde bei ihm, der die einmal für 500 Euro von Mertens erstandene Postkarte des „Oberdada Johannes Baader vor der Bartabnahme“ nun auf einer Auktion für 18.000 Euro veräußern konnte.

Im Verkaufsraum fesseln den Betrachter antike Globen, seltene präparierte Meerestiere, ein Schaukasten mit Augenklappen der Firma R. Murach und immer wieder antike Spiele wie Schmidhammers „Lesespiel für die Kleinen“ oder das zauberhafte Mahjongg-Spiel aus China.

Entzückt kauft es eine Holländerin, der für ihren Berlin-Besuch Mertens Antiquariat empfohlen worden war. Sie, passionierte Spielesammlerin, hat hier gefunden, wonach sie schon lange gesucht hat. Auch der alte chinesische Holzstuhl mit der kurzen, aber dennoch bequemen Sitzfläche hat es ihr angetan.

Aber nicht nur alte, antike Raritäten, auch aus dem Bereich Moderne Kunst hält Thomas Mertens in seiner Wunderkammer das ein oder andere Kunst-Kleinod bereit. Das kann ein Druck von Hans Richter sein oder eine frühe Zeichnung von Gropius.

Eines aber ist allen Raritäten in Mertens´ Antiquariat „Buch und Kunst“ gemeinsam, egal ob antike Pergamentrolle oder 500 Jahre jüngerer Kunstdruck: Kunst-Liebhaber und Sammler, die unter den Antiquitäten ihr Wunsch-Objekt gefunden und erworben haben, sind dadurch nun glücklicher.

Jacqueline Lorenz

Antiquariat Thomas Mertens - Buch und Kunst

Winterfeldtstr. 51
10781 Berlin-Schöneberg
Mo.-Fr. 11-18 Uhr Sa. 11-14 Uhr

Tel. 030 – 251 92 03
Tel. 0176 – 48 274 224
E-Mail: antiquariat.mp@snafu.de
www.antiquariat-mertens.de

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