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Geiselnahme in Schlachtensee

Vor 25 Jahren überfielen die „Tunnelgangster“ die Commerzbank

Breisgauer Straße Ecke Matterhornstraße: Wo früher die Commerzbank war, sind nun mehrere Geschäfte.  Die rote Linie zeigt den ungefähren Verlauf des Tunnels.
Breisgauer Straße Ecke Matterhornstraße: Wo früher die Commerzbank war, sind nun mehrere Geschäfte. Die rote Linie zeigt den ungefähren Verlauf des Tunnels.
Erschienen in Wannsee Journal Juni/Juli 2020

Am 27. Juni 1995 begann für 16 Menschen in Schlachtensee eine Zeit voller Angst. Vier Männer überfielen die Commerzbank an der Breisgauer-/Ecke Matternhornstraße. Die Kunden, die sich zu der Zeit in der Bank aufhielten sowie die Angestellten mussten sich auf den Boden legen und wurden an den Händen gefesselt.

Forderung 17 Millionen DM

Die durch einen in der Bank ausgelösten Alarm informierte Polizei hatte das Gebäude schnell umstellt, so dass ein Entkommen für die Geiselnehmer unmöglich schien. Diese stellten zwischenzeitlich ihre Forderungen: Einen Fluchtwagen, einen Hubschrauber und 17 Millionen DM. Außerdem wollten die Täter, dass das niedrige Gitter, das die Rasenfläche vor der Bank umgab, von Männern in Badehose weggeflext wurde.

Zermürbendes Warten

Die Polizei übergab schließlich 5,62 Millionen DM. Die Gangster zwangen den Filialleiter, das Geld reinzuholen, das ein Polizist – ebenfalls nackt bis auf Badehose und Socken – vor dem Eingang zur Bank deponiert hatte. Ein zermürbendes Warten begann. Ein Ultimatum, das die Polizei den Geiselnehmern gesetzt hatte, verstrich. In der Bank schien alles ruhig. Mehrere Anrufe der Polizei in der Bank blieben ohne Erfolg. Doch dann ging der Filialleiter ans Telefon und teilte mit, dass von den Geiselnehmern schon seit geraumer Zeit nichts mehr zu hören und zu sehen war. Kurz vor vier Uhr stürmten die Einsatzkräfte der Polizei die Bank. Die Geiseln waren unverletzt – von den Gangstern fehlte jede Spur. Über 200 Schließfächer hatten die Täter aufgebrochen. Im Keller wurde zumindest das Rätsel gelöst, wie die Männer entkommen konnten – ein Loch im Boden führte in einen Fluchttunnel.

Sechs Verhaftungen

Bei der Suche in der Umgebung fiel der Polizei eine Garage auf, deren Fenster offen stand. In der Garage fanden sie schließlich das andere Ende des Tunnels. Der Mieter der Garage wollte nichts bemerkt haben. Da seine Aussagen widersprüchlich waren, besorgte die Polizei einen Durchsuchungsbefehl für eine weitere Garage in der Nähe der ersten. Hier fanden sie Klebeband, das an den Lüftungsrohren in dem Tunnel benutzt wurde. Und: An einem Stück Klebeband befand sich ein Teil eines Fingerabdrucks, der zur Ergreifung des ersten Täters führte. Die weiteren Täter waren schnell gefasst. Die Schlagzeilen änderten sich. Goss die Presse erst Häme über die Polizei aus, wurden jetzt die zuvor fast schon bewunderten Bankräuber verspottet. Sechs Männer wurden überführt und zu Gefängnisstrafen zwischen sechs und 13 Jahren verurteilt. Ein Teil der Beute wurde gefunden. Wie viel in den Schließfächern erbeutet wurde, ist nicht bekannt.

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