Gazette Verbrauchermagazin

Osteweg

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Dezember 2019

Seit Anfang 2018 plant der Senat eine Modulare Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) am Osteweg. Dieses Vorhaben widerspricht eklatant den Plänen des Bezirks, dort eine dringend benötigte Schule mit Sporthalle im Wohnquartier in Lichterfelde zu errichten. Auch die Ablehnungen von beteiligten Genehmigungsbehörden gegen die konkrete Bauplanung der MUF fand beim Senat keine Beachtung, der seinerseits vielmehr im Oktober 2019 mit den Bauarbeiten begann. Auch die BVV Steglitz-Zehlendorf befasste sich mehrmals mit diesem Thema, deren Fraktionen ihre Sicht hierzu im Folgenden darstellen.

CDU-Fraktion

Der Senat ignoriert am Osteweg den vorhandenen Bedarf an Schul- und Sportraum. Seit dem Abzug der Amerikaner entwickelt der Bezirk den Standort als Wohnquartier. Damit verhindert Rotrotgrün dort die Schaffung der nötigen Infrastruktur zur Bildung der Kinder. Das ist ein stadtentwicklungs- und bildungspolitisches Armutszeugnis. Rotrotgrün setzt damit auch die verfehlte Politik zur Unterbringung von Flüchtlingen, die ein Bleiberecht haben, fort, denn die „Kasernierung“ dieser Menschen in containerartigen Plattenbauten, ist kein Beitrag zur Integration. Unerhört ist das Verfahren: es wurde nicht nur der Wunsch von 3000 Anwohnern ignoriert, dort eine Schule zu bauen, es wurde noch nicht einmal der Dialog mit den Anwohnern geführt und dabei am Denkmalschutz manipuliert. Unehrlich ist das Verhalten von Rotrotgrün im Bezirk, weil man vor Ort vortäuschte, für die Schule zu sein, politisch im Land dagegen aber nichts unternahm. Die Schlussfolgerung kann nur sein, dass diese Fehlentscheidung ab 2021 rückgängig gemacht wird, der Containerbau abgerissen, eine neue Regierung dort eine Schule baut und die Flüchtlinge in Wohnungen umziehen! Bernhard Lücke

SPD-Fraktion

Wir stehen zum Schulstandort Osteweg. Doch leider hatte das Bezirksamt nie vor, dort eine Schule zu errichten. Der Schulstandort wurde 2014 mangels Interesse aufgegeben und in die Vermarktung des Liegenschaftsfonds gegeben. Erst als der Senat auf die Idee gekommen ist, dort einen Flüchtlingsstandort zu errichten, wurden die alten Pläne herausgeholt. Leider wurde zu keinem Zeitpunkt weder der Bedarf einer Schule an diesem Standort dem Senat gemeldet, noch geeignete Pläne eingereicht oder ein belastbarer Finanzierungsbedarf beziffert. Die nach Ablauf von Fristen eingereichten Unterlagen genügen den Ansprüchen nicht und sind nur „neuer Wein in alten Schläuchen“. Bedingung für die Errichtung des Schulstandortes war auch die Benennung eines alternativen Flüchtlingsstandortes. Aber auch hier gab es keine nennenswerten Aktivitäten des Bezirksamts. Es ist leicht auf die Zuständigkeiten des Senats zu verweisen, doch der Bezirk hat auch eigene Hausarbeiten zu erledigen und Engagement zu entwickeln. Das Objekt Osteweg ist leider ein Beispiel von „schwarze Peter“ Spiel zum Verdruss aller Beteiligten.

Norbert Buchta

B‘90/Grünen-Fraktion

Aktuell geht es bei der Diskussion um das Grundstück am Osteweg 63 um die Errichtung einer Unterkunft für 250 Geflüchtete, die Bausenatorin Lompscher unbedingt durchsetzen möchte. Auf Senatsebene übte sie über die Obere Denkmalschutzbehörde entsprechenden Druck auf die im Bezirk zuständige Untere Denkmalschutzbehörde aus, hier einen zustimmenden Bescheid zu erstellen und möchte jetzt Tatsachen durch Baustelleneinrichtung schaffen.

Wir als Grüne in der BVV wollen eine Unterkunft für Geflüchtete weder verhindern noch verweigern. Wir wollen aber nicht nur eine Unterkunft, sondern ein Zuhause. Das geht nur dezentral, in einzelnen Wohnungen. Darüber hinaus sehen wir den großen Bedarf an Schulplätzen: hier zusammen als Ensemble mit dem Osteweg 53 könnten 1000 Schüler*innen an einer Gemeinschaftsschule mit Sporthalle unterrichtet werden. Dies ist aufgrund der wachsenden Bevölkerungszahl im Einzugsbereich dringend nötig.

Die Kommunikationslage ist jedoch unübersichtlich: verschiedene Akteur*innen kommunizieren nicht direkt miteinander und Transparenz ist nicht gegeben, die Bevölkerung gar nicht beteiligt. Daher möchten wir die Beteiligten an einen Tisch bringen und freuen uns, dass alle Fraktionen unserem Antrag „Runder Tisch zur Lösung der Probleme am Osteweg“ (Drs. 1645/V) zugestimmt haben. Tonka Wojahn

AfD-Fraktion

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Flüchtlingsheim am Osteweg kommen wird, ist sehr hoch, wenn nicht schon ausgemacht. Das wurde in der November-BVV-Sitzung seitens der Linksfraktion mehr als deutlich. Wenn der Senat es durchdrückt, dann wird Kultursenator Lederer (Linke) einen entscheidenden Anteil daran haben, denn der Vorgang liegt zurzeit auf seinem Tisch. Der gemeinsame Schulstandort für die Anna-Esslinger-Gemeinschaftsschule ist dann auf Jahrzehnte passé. Die Grundschule (Am Rohrgarten in Düppel) und der Oberstufenzweig (Tietzenweg in Lichterfelde) werden nicht zusammengelegt werden können, es gibt keinen anderen und besser geeigneten Standort im Bezirk als den Osteweg. Aus den Erfahrungen der Integration ist bekannt, dass diese MUF-Unterkünfte kontraproduktiv sind, die Unterbringung in Wohnungen ist die bessere Lösung. Grüne und AfD lieferten Alternativstandorte, doch wer interessiert sich dafür?

Machtpolitische Spiele scheinen wichtiger zu sein als eine auf Jahrzehnte angelegte und funktionierende Stadtplanung. So ist es, wenn der Sozialismus regiert – bitte sehr.

Peer Döhnert

FDP-Fraktion

Der Schulstandort Osteweg bleibt in Gefahr, denn das Ping-Pong-Spiel zwischen Senatsverwaltung und Bezirksamt steht 1:0 für den Senat. Frau Lompscher schafft Fakten. Sie wird die MUF bauen, das zeigt ihr Schild an der Baustelle „berlinbaut Zukunft“.

Für 50 Jahre eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete – keine Wohnungen – es bleibt Kasernierung.

Die Erleichterung in der BVV am 23.10.19, als wir einstimmig dem Dringlichkeitsantrag zu einem „Runden Tisch Osteweg“ zustimmten, verwandelt sich bei mir in Skepsis. Da versucht ein Teil der Zählgemeinschaft, so kurz vor Weihnachten die Bürgerinitiative und die politischen Mitbewerber einzulullen. Drei Wochen sind seit dieser BVV vergangen, keine Infos über einen Termin. Der Abend der FDP wurde aus Rücksicht auf einen möglichen „Runden Tisch“ verschoben. Das bürgerliche Steglitz-Zehlendorf soll Ruhe geben!?

Nur der Schulstandort für 1000 Kinder ist Zukunft. Auch Kinder von Geflüchteten wollen und müssen zur Schule gehen. Diese Botschaft geht an die Senatorinnen Lompscher und Scheeres, denken Sie zukunftsgewandt, nicht ideologisch! Die FDP steht fest zur Bildung! Mathia Specht-Habbel

Linksfraktion

Die Argumente sind ausgetauscht und mehrfach wiederholt. Entsprechend werden die Wortbeiträge der anderen Fraktionen hier aussehen – ohne, dass wir sie zum jetzigen Zeitpunkt kennen: Das Land trägt die alleinige Schuld, der Bezirk will nur das Beste, kann aber gegen den R2G-Senat nichts ausrichten. Das stimmt so nicht: Wenn es ein stringentes Konzept des schwarz-grünen Bezirksamtes bezogen auf Schulentwicklung gegeben hätte und CDU und Grüne ihrer Verantwortung nachgekommen wären, Standorte im Bezirk für die Bebauung mit MUF2.0 zu benennen, dann hätten wir dieses unsägliche Kuddelmuddel nicht. Die Linksfraktion S-Z ist der Meinung, dass die Art und Weise der Diskussion und die Stimmung das politische Klima belastet. Für unser aller Zusammenleben und für die Geflüchteten, die im Osteweg unterkommen werden. Die ein Anrecht darauf haben, sich angenommen und aufgenommen zu fühlen. Die dringend auf gute Nachbarschaft angewiesen sind und auf die Bereitschaft zur Integration. Diese muss übrigens von allen Beteiligten aufgebracht werden, damit sie gelingt!

Hans-Walter Krause

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