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Kaum Hoffnung für Verkehrsschule Schöneberg?

Über Jahre wurde kein Ausweichquartier gefunden

Kleine Leute lernen spielerisch in der Verkehrsschule.
Kleine Leute lernen spielerisch in der Verkehrsschule.
Erschienen in Gazette Schöneberg & Friedenau April 2024
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Eigentlich sollte es in diesem Jahr auf dem 4.500 Quadratmeter großen Schöneberger Gelände am Sachsendamm 25 für Klein und Groß eine fröhliche Jubiläumsfeier anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Verkehrsschule Schöneberg geben. Doch derzeit steht niemandem der Sinn nach feiern. Zu Ende Juli 2024 ist der Nutzungsvertrag mit der Jugendverkehrsschule nun, wie es scheint, unwiderruflich vom Eigentümer des Grundstücks, der KGG GmbH & Co. KG, gekündigt worden. Zur Krieger-Unternehmensgruppe, hinter der Kurt Krieger steht, gehört auch Höffner. Wer allein den Eigentümer für das AUS der Schule verantwortlich macht, sollte sich jedoch mit den Hintergründen vertraut machen.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

2005 wurde Kurt Krieger mit der Krieger Grundstück GmbH – sie wurde später der KGG GmbH & Co. KG angegliedert – Eigentümer des Verkehrsschulgeländes. Zwischen dem Investor und dem Land Berlin wurde dazu ein Nutzungsvertrag geschlossen, welcher der Schule Nutzungsrecht einräumte. In dem Vertrag war festgelegt, dass bei Kündigung seinerseits der Eigentümer die Kosten für ihren Umzug und ihre Einrichtung an neuem Standort zu bewerkstelligen und zu tragen habe. Das Ausweich-Grundstück zur Betreibung der Verkehrsschule sei vorab innerhalb von drei Monaten vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg bzw. Land Berlin zu benennen.

Im März 2022 kündigte dann das Krieger-Unternehmen das bestehende Nutzungsverhältnis, da es das Grundstück am Sachsendamm einer neuen baulichen Nutzung zuführen wollte. Gleichzeitig bat es um Zuweisung eines neuen Grundstückes, um die notwendigen Baumaßnahmen für einen Umzug der Verkehrsschule dorthin vornehmen zu können. Als der Bezirk kein geeignetes Grundstück anbieten konnte, räumte Eigentümer Krieger ihm eine Verlängerung der Nutzung bis 15. Juli 2023 ein – wiederum mit der Aufforderung an den Bezirk, ihm einen neuen Standort zu benennen. Dazu erklärte damals Tobias Dollase, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Weiterbildung und Kultur: „Dieses gewonnene Jahr wird der Bezirk nutzen, die Suche für ein adäquates Grundstück zur Sicherung des Fortbestandes der Jugendverkehrsschule in Tempelhof-Schöneberg voranzutreiben. Im damaligen Kaufvertrag für das Grundstück steht auf jeden Fall die Verpflichtung des jetzigen Eigentümers, bei Kündigung am Sachsendamm den Umzug und die Bauten auf dem Ersatzgrundstück zu finanzieren. Das Grundstück muss und wird dann der Bezirk stellen.“- Doch ein Jahr später anstelle eines neuen Grundstücks dasselbe Prozedere: Kein geeigneter Standort, aber wiederholte Nutzungsverlängerung bis Juli 2024. – An diese letzte Kündigung will Investor Krieger nun festhalten.

Miteinander statt aneinander vorbei

Aktuell prüft der Bezirk zwar einen Ersatzstandort für die Verkehrsschule, der aber liegt ca. zwei Kilometer entfernt am südlichen Eingang der Friedrich-Ebert-Sportanlage in der Bosestraße. – Doch bis das notwendige Verfahren zur Einziehung dieser Fläche mit Verkehrsgutachten abgeschlossen ist, dürfte es Bürokratie-bekannterweise dauern. Das weiß auch Investor Kurt Krieger und gibt zu bedenken: „Wenn der Bezirk ein Grundstück nachweist, dauert es in Berlin mindestens ein bis zwei Jahre, bis wir eine neue Jugendverkehrsschule fertiggestellt haben.“ Außerdem erklärt er in einem Schreiben vom 26. Februar diesen Jahres: „...Seit Vertragsabschluss führen wir Gespräche über die zur Verfügungstellung eines Ersatzgrundstückes, welches uns der Bezirk benennen muss. Seit 2017 haben wir die Gespräche mit dem Bezirk intensiviert und sogar einen eigenen Mitarbeiter abbestellt, um den Bezirk dabei zu unterstützen. Die von uns gemachten Grundstücksvorschläge wurden nicht angenommen...17 Jahre nach dem ersten vertragsgemäßen Kündigungstermin und vielen Gesprächen möchten wir nunmehr das Problem des Ersatzgrundstückes vertragskonform lösen und werden keiner Verlängerung mehr zustimmen. 17 Jahre sind ausreichend, um in Berlin ein Ersatzgrundstück zu finden…“ – Anders sieht das der Bezirk, der keinen Sinn in der Kündigung sieht, da planungsrechtlich zulässige Nachnutzungsmöglichkeiten fehlten, bzw. ein neuer Bebauungsplan errichtet werden müsse. In einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion wird Kurt Krieger sein Verhandlungsstil in scharfem Ton vorgeworfen: „...Es macht den Eindruck, dass Herr Krieger sich aufgrund unerfüllter Bauwünsche am Bezirk rächen möchte. Er trifft damit aber lediglich die Kinder und Jugendlichen, denen er die Jugendverkehrsschule nimmt. Zwar konnte das Bezirksamt die Kündigung bis zum 31. Juli 2024 hinauszögern, ansonsten bleibt Herr Krieger aber stur. Es ist für uns absolut unverständlich, dass ein – immerhin – gebürtiger Schöneberger die Belange Schöneberger Kinder und Eltern in diesem Fall so geringschätzt und damit auch den Ruf seines Unternehmens beschädigt. Herr Krieger weiß selbst zu genau, dass es für die Bebauung des Grundstücks und die Gestaltung des Planungsrechts eine gute Zusammenarbeit mit uns Fraktionen und der Verwaltung braucht. Wir bitten ihn daher sein Vorgehen zu überdenken. Unsere Fraktion steht für lösungsorientierte Gespräche jederzeit zur Verfügung.“

Noch zeigt die Ampel rot

Zweifelsohne sind die Kinder sowie die betreibende Wendepunkt gGmbH, die u. a. in Verkehrsschulen seit Jahren engagierte Arbeitskräfte sozialverträglich beschäftigt, mit ihrem in Schöneberg zwölfköpfigen Mitarbeiterteam die eigentlich Leidtragenden der drohenden Schließung. Die zweite Verkehrsschule im Bezirk in der Friedenstraße in Tempelhof dürfte aufgrund der Entfernung kein annehmbarer Ersatz sein. Immerhin aus 21 Schulen und etlichen Kitas rings um den Sachsendamm kommen monatlich rund 2.000 kleine Verkehrsteilnehmer in die Verkehrsschule Schöneberg, um Verkehrsregeln zu lernen, im Verkehr mit dem Fahrrad sicherer zu werden oder um ihre Radprüfung abzulegen. Auch Erwachsene finden hier Angebote zur Förderung der Fahrradmobilität. Von Wendepunkt betrieben, finden hier Erste-Hilfe-Kurse ebenso statt wie fröhliche und zugleich bildende Geburtstagsfeiern und Workshops. Für Klein und Groß – mit und ohne Migrations- oder Fluchthintergrund – ginge hier eine überaus wichtige Einrichtung und Austauschstätte verloren, verbummelt durch halbherziges Handeln im Bezirk. Dass ein Investor sein erworbenes Gelände baulich auch nutzen möchte, dürfte kaum verwunderlich sein. Statt intensiver Grundstücksersatzsuche von Anfang an, überreizte der Bezirk das Wohlwollen des Eigentümers.

Im Februar hatte Wendepunkt nun „5 vor 12“ zur Demo auf dem Gelände aufgerufen, der zahlreiche junge und ältere Nutzer nachkamen. Bezirksstadtrat Tobias Dollase stand Rede und Antwort. Die Frage, warum man beispielsweise bei der Planung des Stadtquartiers „Schöneberger Linse“ oder bei der Überlegung zur Nachnutzung des Alten Straßenbahndepot an der Belziger Straße nicht einen Umzug der Verkehrsschule dorthin mitbedacht hätte, beantwortete er damit, dass der Bezirk mit seiner Verkehrsschule vom Gelände am Sachsendamm im Grunde gar nicht weg wolle.

Es bleibt nur zu wünschen, dass Eigentümer und Bezirk mit dem nötigen Respekt, gebotener Ehrlichkeit und im richtigen Ton zurück zu Gesprächen und einer für alle befriedigenden und nachhaltigen Lösung für eine Zukunft der Schöneberger Verkehrsschule finden; zugunsten vieler kleiner Verkehrsteilnehmer, die dann doch noch etwas zu feiern hätten, falls die Ampel für die Verkehrsschule Schöneberg von Rot auf Grün schaltet.

Jacqueline Lorenz


Update: Die Jugendverkehrsschule bleibt für ein weiteres Jahr an ihrem Standort, wie die CDU-Fraktion Tempelhof-Schöneberg am 17. April 2024 mitteilte.

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