Ruhestätte bedeutender Persönlichkeiten
Die Ehrengräber auf dem Friedhof Lindenstraße

Erschienen in Wannsee Journal Dezember/Januar 2025
Der Friedhof Wannsee, Lindenstraße, auch bekannt als Neuer Friedhof Wannsee oder Friedhof Wannsee II, ist mehr als eine gewöhnliche Begräbnisstätte in Berlin. Angelegt in den Jahren 1886/1887, diente er ursprünglich als Friedhof für die Bewohner der neu entstandenen Villenkolonie Alsen. Der Friedhof war von Anfang an für Verstorbene aller Konfessionen offen, auch jüdische Bewohner der Kolonie konnten sich hier bestatten lassen. Heute beherbergt dieser Friedhof eine Reihe von Ehrengräbern des Landes Berlin und ist damit die letzte Ruhestätte für Persönlichkeiten, die auf vielfältige Weise das öffentliche Leben in Deutschland geprägt haben.

Wilhelm Conrad
Zu den hier beigesetzten Persönlichkeiten gehört Wilhelm Conrad (1822–1899), ein Bankier und der Gründer der Villenkolonie Alsen. Er erwarb das Land am Wannsee und trieb die Entwicklung voran, zu der auch die Anlage des Friedhofs gehörte. Sein Engagement führte zur Entstehung des Prominenten-Wohngebiets Wannsee.

Emil Fischer
Ein bedeutender Wissenschaftler, der hier seine letzte Ruhe fand, ist der Chemiker Emil Fischer (1852–1919). Fischer erhielt 1902 als erster deutscher Chemiker den Nobelpreis für Chemie für seine wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Zucker- und Purinsynthesen. Er lehrte an verschiedenen Universitäten, war Mitbegründer der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, heute Max-Planck-Institut. Seine Forschung hatte großen Einfluss auf die organische Chemie.

Ferdinand Sauerbruch
Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) ist der prominenteste Mediziner, der mit einem Ehrengrab in Wannsee vertreten ist. Der international renommierte Chirurg, wurde für die Entwicklung der nach ihm benannten Sauerbruch-Kammer zur Ermöglichung von Brustkorboperationen und für innovative Prothesen bekannt. Sauerbruch leitete lange Jahre die chirurgische Abteilung der Berliner Charité, wobei seine Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus als ambivalent betrachtet wird.

Agnes Gräfin Minotto
Im Bereich der Kunst liegt hier die Schauspielerin Agnes Gräfin Minotto, die sich Agnes Sorma nannte (1862–1927), begraben. Gerhart Hauptmann sagte über sie, sie wäre die „Königin der Anmut“. Sie war eine gefeierte Darstellerin auf deutschen und internationalen Bühnen und wurde unter anderem für ihre Interpretation der Nora in Henrik Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ gefeiert. Agnes Minotto starb in ihrem Haus in Crownsend, Arizona, und fand ihre letzte Ruhestätte in der Familiengrabstätte der Minottos in Wannsee. Bis 2015 war ihre letzte Ruhestätte ein Ehrengrab der Stadt Berlin.

Johannes Otzen
Ebenfalls auf dem Friedhof bestattet ist der Architekt Johannes Otzen (1839–1911). Er war nicht nur für den Bau zahlreicher Kirchen im neugotischen Stil bekannt, sondern auch als Hochschullehrer und Stadtplaner tätig. Otzen entwarf unter anderem die Kapelle des Friedhofs, auf dem er seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Seine Grabstätte war bis 2009 ein Ehrengrab.

Hermann von Helmholtz
Hermann von Helmholtz (1821 – 1894) hatte bereits eine große Karriere hinter sich, als er 1870 als Professor an die Friedrichs-Wilhelms-Universität berufen wurde. Nur wenige Jahre später leitete der Mediziner, Physiologe und Physiker die Universität, bevor er 1888 zum ersten Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in der damaligen Stadt Charlottenburg wurde.

Eduard Arnhold
Der Kunstmäzen und Unternehmer Eduard Arnhold (1849 – 1925) machte sein Vermögen als „Kohlekönig“ – er dominierte den gesamten Handel mit schlesischer Steinkohle in Berlin. Er saß im Zentralausschuss der Reichsbank berufen und mehreren Aufsichtsräten, unter anderem bei der AEG und Agfa. Seine Frau Johanna und er gehörten zu den bedeutendsten Kunstmäzenen ihrer Zeit, außerdem gründeten sie das „Johannaheim“, ein Waisenhaus für Mädchen.

Karl Richard Greeff
Karl Richard Greeff (1862 – 1938) war Professor für Augenerkrankungen. Ab 1897 bis zu seiner Pensionierung leitete er die Abteilung für Augenkranke an der Berliner Charité. Er unternahm Reisen unter anderem nach Russland, Indien und Ägypten, um das Trachom zu erforschen. Seine Sammlung historischer Augenspiegel und Instrumente befindet sich heute teilweise im Graefe-Museum in Heidelberg und im Medizinhistorischen Museum im Kaiserin-Friedrich-Haus in Berlin.
Hugo Vogel
Der Maler Hugo Vogel (1855 – 1934) war vor allem für seine Historienbilder und Porträts bekannt. Er ließ sich 1886 in Berlin nieder und erhielt im folgenden Jahr eine Professur an der Berliner Akademie. Diese verlor er 1892 im Zuge der sogenannten „Munch-Affäre“, woraufhin er der fortschrittlicheren Gruppe „Vereinigung der XI“ beitrat. Im Ersten Weltkrieg begleitete er Paul von Hindenburg als Porträtmaler an die Front. Vogel schuf zahlreiche große Fresken mit historischen Themen, unter anderem in den Rathäusern von Berlin und Hamburg sowie im Ständehaus in Merseburg. Bekannte Werke sind die Ausgestaltung des Großen Festsaals im Hamburger Rathaus und ein Porträt des Hamburger Senats.

Martin Hahn
Professor Dr. Martin Hahn (1865 – 1934) war ein bedeutender deutscher Mikrobiologe und Hygieniker. Er war maßgeblich an der Bekämpfung von Epidemien beteiligt, unter anderem bei der Choleraepidemie 1892 in Hamburg. Während des Ersten Weltkriegs war er mit der Impfung von Truppen gegen Typhus, Cholera und Ruhr befasst.1922 übernahm Hahn die Leitung des von Robert Koch gegründeten Hygiene-Instituts.

Paul Strassmann
Professor Dr. Paul Ferdinand Strassmann (1866 – 1938) war ein deutscher Gynäkologe und Geburtshelfer, der sich besondere Verdienste um die Geburtshilfe erwarb. Er eröffnete im Jahr 1900 seine eigene Frauenklinik in Berlin, die er bis 1936 leitete. Dort führte er auch Lehrveranstaltungen durch. Strassmann wurde international bekannt für die nach ihm benannte Strassmann-Operation (Fundusplastik), eine chirurgische Methode zur Korrektur von Gebärmutterfehlbildungen. Er setzte sich für die natürliche Geburt und die Rechte der Gebärenden ein. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor Paul Strassmann aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1935 die Lehrbefugnis und musste seine Klinik 1936 unter Zwang schließen und verkaufen.

Hans und Luise Richter
Dr. Hans Richter, (1876 – 1955) war Jurist und Notar. Er war ein Nachfahre der bedeutenden deutsch-jüdischen Familie Beer-Meyerbeer-Richter; seine Mutter Cornelie war eine Tochter des berühmten Komponisten Giacomo Meyerbeer und sein Vater der Maler Gustav Richter. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde Hans Richter nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verfolgt und zur Aufgabe seines Berufs gezwungen. Er und seine Frau Luise (1891–1978) waren von Deportation bedroht. Dennoch gelang es ihnen, wesentliche Teile des wertvollen kulturellen Erbes ihrer Familie, darunter Möbel, Gemälde, Plastiken und persönliche Dokumente aus über zwei Jahrhunderten, zu verstecken und so für die Nachwelt zu erhalten. Hans Richter verstarb am 13. Februar 1955 in Berlin-Wannsee. Der kulturelle Nachlass der im Jahr 2000 durch die Nachfahren gegründeten Hans-und-Luise-Richter-Stiftung dem Stadtmuseum Berlin übergeben.



