Recht sprechen in alter Zeit
Historische Berliner Gerichtslaube im Park Babelsberg

Erschienen in Wannsee Journal Juni/Juli 2025
Eine transparente Rechtsprechung gab es bereits im Mittelalter: Im Sachsenspiegel, einem der ältesten Rechtsbücher, der zwischen 1220 und 1235 von seinem Autor Eike von Repkow verfasst wurde, ist festgehalten, dass Gericht unter freiem Himmel abzuhalten war. Heimlichkeit und Willkür konnten so vermieden werden. Die Öffentlichkeit sollte jederzeit die Möglichkeit haben, einem Prozess beizuwohnen. Dass dieses löbliche Ansinnen bei den mitteleuropäischen Wetterbedingungen auch mal ungemütlich werden konnte, liegt auf der Hand. Deshalb ersonnen unsere Vorfahren die Gerichtslaube. Sie war zu vier Seiten offen und gut einsehbar, sodass die Transparenz gesichert wurde. Aber sie war auch überdacht und hielt Richter, Anwälte, Angeklagte, Zeugen und das Publikum trocken.
Ein Geschenk für den Kaiser

Die Berliner Gerichtslaube in ihrer hochmittelalterlich-gotischen Fassung wurde um das Jahr 1270 gebaut. Sie schloss sich an das erste Rathaus der Stadt an, das an der heutigen Rathausstraße/Ecke Spandauer Straße in Berlin-Mitte stand. Seine Überreste sind im Märkischen Museum zu sehen. Das Rathaus wurde nach der Fertigstellung des Roten Rathauses 1871 abgerissen. Die Gerichtslaube ließ man abtragen und am Schloss Babelsberg neu aufbauen. Das historische Gebäude aus Backstein war ein Geschenk der Berliner Bürgerschaft an Kaiser Wilhelm I., der eine besondere Vorliebe für das Mittelalter hatte. Die überwiegend aus Originalteilen bestehende Gerichtslaube mit Kreuzrippengewölbe und dem Mittelpfeiler mit Steinreliefs, die mittels tierischer Symbolik die Verfehlungen der Menschen illustrieren, hat heute keine Funktion mehr. In kaiserlicher Zeit befand sich im Obergeschoss ein Teezimmer.
Von Adlern und Affen

Die Steinreliefs am Mittelpfeiler zeigen mittelalterliche Gleichnisse: Den Adler als Zeichen für die Raubgier, den Affen als Metapher für den missratenen Menschen und das Schwein als Symbol für Unmäßigkeit und Unkeuschheit. Zwei Engel, zwischen denen eine Schlange emporragt, sollen die Versuchung symbolisieren. Der Mittelpfeiler selbst erinnert an die früher übliche Gerichtslinde, unter der der Thing abgehalten wurde. Dort wurde Recht gesprochen, aber auch Verwaltungsangelegenheiten organisiert. Heute ist die Gerichtslaube ein interessantes Ausflugziel nicht nur für historisch interessierte Menschen. Sie ist ein wunderbarer Aussichtspunkt und zugleich ein spannendes Zeugnis der Rechtsprechung in alten Zeiten.