Gazette Verbrauchermagazin

80 Jahre „Tag der Befreiung“

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Am 8. Mai 1945 unterzeichnet Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht im Hauptquartier der Roten Armee in Karlshorst.
Am 8. Mai 1945 unterzeichnet Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht im Hauptquartier der Roten Armee in Karlshorst.
Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Mai 2025

Am 8. Mai 1945 wurde mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands vor den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition der Zweite Weltkrieg in Europa beendet. Ein Krieg, der von Deutschland 1939 mit dem Angriff auf Polen begonnen wurde, der Millionen von Opfern kostete und weite Teile Europas verwüstete. Und zwölf Jahre nach dem 30. Januar 1933 wurden die Menschen von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit. In Berlin ist anlässlich des 80. Jahrestages der 8. Mai als „Tag der Befreiung“ ein einmaliger gesetzlicher Feiertag.

René Rögner-Francke, Bezirksverordnetenvorsteher

CDU-Fraktion

Der 8. Mai 1945 markiert eine Zäsur. An diesem Tag vor 80 Jahren endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der von Deutschland begonnene Eroberungs- und Vernichtungskrieg in Europa. Er war aber auch und vor allem der Tag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Viele Deutsche empfanden diesen Tag damals als Tiefpunkt in der Geschichte. Doch für viele Tausende in den Konzentrationslagern und Gefängnissen bedeutete der 8. Mai die Rettung in allerletzter Minute. Für viele aber kam sie zu spät. Wir gedenken der vielen Verfolgten und Gemarterten, die in den Ghettos zusammengepfercht, die in den Konzentrationslagern und Zwangsarbeiterlagern zur Arbeit gezwungen, gequält und ermordet wurden. Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte sollten sich immer mehr Deutsche der Tatsache bewusst werden, dass dieser 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war und dass dieses Datum untrennbar mit dem 30. Januar 1933, dem Tag der sog. „Machtergreifung“ verbunden war. Deshalb darf das, was damals im deutschen Namen geschah, in unserem Land nie vergessen werden.

René Rögner-Francke

B‘90/Grünen-Fraktion

Der 8. Mai 1945 und damit die Kapitulation des Naziregimes und die Befreiung vom Nationalsozialismus, war der Schlusspunkt von Diktatur, Krieg und organisiertem Massenmord. Dieser Barbarei war ein „geistiger und moralischer Verfall vorausgegangen“ – so Ludwig Erhard in seiner Rede zum 20. Jahrestag im Jahr 1965. Doch wann und wo begann dieser Verfall? Hannah Arendt hat den „Tod der menschlichen Empathie“ als deutlichstes Zeichen des Verfalls einer Kultur ausgemacht und damit den Beginn weit vor 1945 diagnostiziert. Dies muss uns natürlich zu der Frage führen, wie es heute um die Empathie steht. Und in der Tat ist sie vom zunehmenden Egoismus bedroht: Vom Billig-Schnitzel auf dem eigenen Teller, dem SUV in der eigenen Garage, der Abschiebung von Geflüchteten und dem Stopp der Unterstützung für die angegriffene Ukraine. All dies wird von bestimmten Parteien propagiert. Der 8. Mai kann also ein Anlass zum Reflektieren über diesen privaten und gesellschaftlichen Egoismus sein. Er wird damit für uns persönlich und als Gesellschaft zu einem erneuten „Tag der Befreiung“, am 8. Mai 2025 und darüber hinaus.

Carsten Berger

SPD-Fraktion

Achtzig Jahre nach der Befreiung Deutschlands nimmt rechtsradikale Gewalt wieder massiv zu, Juden*Jüdinnen haben Angst, auf der Straße erkannt zu werden und queere Menschen und migrantisierte Menschen bangen um ihre Sicherheit. Für uns als SPD-Fraktion sind Gedenken und aktives Arbeiten gegen Rechtsradikale zentrale, politische Aufgaben, nicht nur aufgrund unserer antifaschistischen Tradition. Unser Bezirk war das Zuhause vieler Widerstandskämpfer*innen und wir begrüßen, dass nun auch endlich allen Widerstandsgruppierungen, insb. auch Linken und Frauen, aktiv durch den Bezirk gedacht wird. Gleichzeitig wurden viele jüdische Menschen aus Steglitz-Zehlendorf deportiert und ermordet. Wir sind dankbar, dass ihnen, trotz großen politischen Widerstands, an der Spiegelwand gedacht werden kann und ihre Namen für alle Zeit sichtbar bleiben. Wir müssen diesen 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands als Mahnung verstehen, immer wieder als Demokrat*innen trotz aller Gegensätze für unsere vielfältige Demokratie zu kämpfen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die aus Auschwitz erwächst. Nie wieder Faschismus – nie wieder ist jetzt!

Alexander Niessen

FDP-Fraktion

Der 8. Mai 1945, den Walter Scheel erstmals 1975 als „Tag der Befreiung“ bezeichnete, war für viele Deutsche zunächst der Tag einer großen Niederlage. Die Waffen schwiegen und so über Jahrzehnte auch die Menschen im besetzten Nachkriegs-Deutschland. Da war die Scham über die Gräuel der menschenverachtenden NS-Diktatur und die schmerzhafte Erkenntnis, dass alles nur eine große Lüge gewesen war. Statt Ruhm, unermessliches Leid: 6 Millionen ermordete Juden, 50 Millionen getötete Zivilisten rund um den Globus. Erst nach und nach entwickelte sich die Erinnerungskultur und der 8. Mai zu einem Tag der Konfrontation, der fragt: Wo standest du? Was hast du getan? Und was tust du jetzt? Unsere erlernte Demokratie ist nicht das Gegenteil der damaligen Diktatur – sie ist ihr Widerstand. Geschichte vergeht nicht, sie konfrontiert uns weiter. Die Erinnerung an das Kriegsende vor 80 Jahren bedeutet für uns Freie Demokraten (FDP) daher, für die Gegenwart und Zukunft Verantwortung zu übernehmen. Dass Frieden und Freiheit keine Selbstverständigkeit sind, wissen wir seit dem 24.2.22. Es liegt an jedem Einzelnen, sie zu verteidigen. Jeden Tag.

Katharina Concu

AfD 

War der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung? Die Erlebnisgeneration sah das oft nicht so. Doch, es war eine Befreiung, auch für Deutschland, von einem brutalen, mörderischen nationalsozialistischen Regime, das mit den unzähligen Verbrechen, die es zu verantworten hatte, auch noch bereit war, das eigene Volk in seinen Untergang mitzureißen. Millionen haben ihr Leben gegeben, um den Tag der Befreiung zu ermöglichen. Die Sieger waren so großzügig, den Besiegten im Westteil Deutschlands die Freiheit zum künftigen weisen Gebrauch zurückzugeben. Das Grundgesetz und die in ihm enthaltenen Grundrechte sollen das garantieren. Nur, ohne Menschen, die den Geist einer Verfassung leben, bleibt sie ein Stück Papier. Schon Weimar hat dies bewiesen. Der neue Koalitionsvertrag atmet eben diesen Geist des Grundgesetzes nicht. Die verpflichtende Einführung der elektronischen Patientenakte, eines Bürgerkontos, einer digitalen Identität und die zum angeblichen Schutz der Meinungsfreiheit geplanten Maßnahmen lassen deutlich die Konturen eines dystopischen Überwachungsstaates à la Orwell erkennen. J.D. Vance mahnte uns: dafür sind wir befreit worden?

Volker Graffstädt

Die Linke 

Den Tag der Befreiung am 8. Mai 1945 wollten viele Deutsche bis zuletzt mit Waffengewalt verhindern. Von damals bis heute war der Faschismus nie wirklich verschwunden. Er war nur zu klein, um die Macht zurückzuerlangen, aber er war immer da – nicht nur am „rechten Rand“, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Forscher*innen, die diese Aussage seit Jahrzehnten belegen, wurden von der Mehrheitsgesellschaft und den politischen Verantwortlichen oft in die linke Ecke gedrängt, um dann dort ignoriert zu werden. Heute steht die faschistische AfD in den Umfragen bei 24 Prozent, trotz 80 Gedenktagen zum Tag der Befreiung und aller Mahnungen. Der Faschismus ist 2025 (nicht nur bei uns) wieder so mächtig, dass er in fast allen Parlamenten mit großen Fraktionen vertreten ist, jeden Abend in den Talkshows seine Propaganda verbreiten darf und die Themen des Bundestagswahlkampfs maßgeblich beeinflusst hat. Primo Levi, Überlebender von Auschwitz, sagte 1986: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“ Man sollte diesen Satz so lange lesen, bis man ihn wirklich verstanden hat.

Dennis Egginger-Gonzalez

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