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Klimafreundliche Wärmeversorgung im Bestand – was kann der Bezirk tun?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Foto: Julian Hochgesang / unsplash.com
Foto: Julian Hochgesang / unsplash.com
Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juni 2022

Die Wärme- und Energieversorgung steht zurzeit besonders im Focus. Klimaneutral und dezentral soll sie sein, Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten vermieden werden. Wie die Fraktionen der BVV zur Zukunft von Heizung und Strom stehen, lesen Sie in den folgenden Beiträgen:

B‘90/Grünen-Fraktion

Dezentrale Nahwärmeversorgung macht krisenunabhängig, ist leicht steuerbar und kann nachhaltig bewirtschaftet werden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine macht offensichtlich, was klimapolitisch schon lange geboten ist: fossile durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Deshalb unterstützt das Bezirksamt die Siedlervereine Eichkamp und Heerstraße bei der Umstellung der Wärmeversorgung in den Eigenheimen. Nicht nur hier ist das Potenzial riesig! Mit einer guten Wärmedämmung können durch Wärmetauscher Niedertemperatur-Heizungen in einem Nahwärmenetz betrieben werden, die preisgünstig ca. 1000 Tonnen CO2 einsparen. Seit drei Jahren planen die Anwohner*innen eine Bürgergenossenschaft, beraten von einer Sanierungsmanagerin. Mit ca. 100 Nahwärme-Interessenten beginnt die konkrete Phase. Der Bezirk sollte sich mit den Schulen als Ankerkunde beteiligen. Damit schützt er wirtschaftlich das Klima und spart 200 Tonnen CO2 ein. Ein Projekt zum Nachahmen.

Mehr zu Wärmepumpen? www.gruenlink.de/2jj0

Sibylle Centgraf

SPD-Fraktion

Klimanotstand, Abhängigkeit von russischem Gas, explodierende Energiepreise. Die aktuellen Krisen verdeutlichen uns: eine kostengünstige, klimaneutrale und unabhängige Wärmeversorgung ist nur möglich, wenn diese lokal aus erneuerbaren Energien gespeist wird. Den kompletten Umbau unserer Wärmeversorgungssysteme kann ein Bezirk natürlich nicht alleine stemmen. Was der Bezirk jedoch machen kann, ist mit gutem Beispiel vorangehen und anhand von Pilotprojekten und der bestmöglichen Unterstützung von Privatinitiativen Perspektiven aufzeigen, was möglich ist. In Zusammenarbeit mit der TU baut die Bezirksgärtnerei einen Eisspeicher, mit dem sie sich und die angrenzende Försterei bald klimaneutral und unabhängig mit Wärme versorgt – davon brauchen wir mehr. Nach Vorbild der Siedlung Eichkamp muss der Bezirk die Gründung weiterer Nahwärme-Energiegenossenschaften unterstützen. Der Rückkauf des Stromnetzes durch das Land Berlin muss genutzt werden, um mehr Fernwärme-Stationen wie am Emser Platz zu bauen. Bezirk und Land müssen Bestandseigentümer:innen dabei unterstützen Fördermittel vom Bund und der EU zu gewinnen, um schnell mehr Wärmepumpen zu installieren. Nur im Zusammenspiel vieler solcher Maßnahmen, kommen wir dem Ziel näher.

Nico Kaufmann

CDU-Fraktion

Die Transformation im Wärmesektor ist besonders wichtig, damit Berlin seine Klimaziele bis 2045 – die CO2-Emissionen auf ein klimaneutrales Niveau zu senken – erreicht. Denn dieser ist aktuell für rund die Hälfte der CO2-Emissionen verantwortlich. In unserem Bezirk sind beispielsweise noch verhältnismäßig viele Heizölheizungen im Betrieb, laut Treibhausgasbilanz aus dem Jahr 2016 3917 Stück. Eine wichtige Aufgabe, die der Bezirk übernehmen kann, ist die Datengrundlage für Maßnahmen im Bereich der Wärmewende aktuell zu halten. Anstatt mit Zahlen von 2016 zu arbeiten, sollten wir über Daten verfügen, wie es heute aussieht und wo es nachzusteuern gilt. Das Bezirksamt sollte schnellstmöglich, die Treibhausgasbilanz für die Jahre ab 2017 veröffentlichen. Die Grundlagendaten liegen im Energieatlas vor. Darüber hinaus kann der Bezirk Anreize für private Immobilieneigentümer schaffen, ihre Wärmeversorgung auf klimafreundliche Energieträger umzustellen, indem er die eigenen Liegenschaften umrüstet. Dadurch werden Investitionen in Fernwärmenetze attraktiver und für alle bezahlbarer. Leider ist die energetische Gebäudesanierung von Schulen im Rahmen der Schulbauoffensive Berlins nicht vorgesehen – hier wird eine Chance versäumt.

Susanne Zels

FDP-Fraktion

Gebäude bzw. deren Wärmeversorgung sind für ca. ein Sechstel der bundesweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Um die von Land, Bund und EU gesetzten Ziele zur Klimaneutralität zu erreichen, müssen daher auch in unserem Bezirk vor allen Dingen Bestandsbauten schnellstmöglich auf eine klimagerechte Wärmeversorgung umgestellt werden. Wärmenetzen kommen dabei eine Schlüsselrolle zu. Nahwärmenetze, wie sie im Eichkamp realisiert werden, könnten auch an anderen Stellen im Bezirk entstehen. Dazu wäre jedoch nicht nur eine gezielte Förderung solcher Projekte vonnöten, sondern auch eine umfassende Einbeziehung der bezirkseigenen Liegenschaften. Zum einen bedarf es aller Gebäude in einem festgesetzten Umkreis, um eine effiziente und kostengünstige Wärmeversorgung zu gewährleisten. Zum anderen können gerade große Gebäude und Grundstücke wie Rathäuser oder Schulen die zur klimaneutralen Energiegewinnung nötigen Flächen stellen. Mit vom Bezirk eingebrachter Solarenergie, Geothermie oder Abwasserwärme könnte es gelingen, verschiedene erneuerbare Energiequellen zu sammeln bzw. an die Verbraucher zu verteilen und so klimaneutrale Quartierskonzepte schnell und langfristig umzusetzen.

Stefanie Beckers

Linksfraktion

Berlin soll bis 2050 klimaneutral werden. Da die Hälfte der Energieerzeugung in Heizungsrohren landet, muss auch die Wärmeversorgung radikal umgebaut werden. Jahrzehntelang wurde die Energiewende von SPD und CDU im Bund verschleppt, weiter auf Kohle und Gas gesetzt. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise ein riesiger Fehler, spürbar durch massive Preissteigerungen gefördert durch Putins Krieg in der Ukraine. Die Profite landen bei großen Energiekonzernen.

Die Energieversorgung muss nicht nur erneuerbar, umweltfreundlich, unabhängig, sondern auch demokratisiert werden. Dies bedeutet die Überführung von Strom und Wärme in die öffentliche Hand. Mit der Übernahme des Stromnetzes von Vattenfall hat der rot-rot-grüne Berliner Senat hier einen großen Schritt gemacht. Gewinne landen nun nicht mehr beim schwedischen Konzern, sondern werden direkt reinvestiert.

Der Bezirk kann mit der Förderung von Nahwärme-Projekten, die die Energieerzeugung und -verteilung lokal organisieren, unterstützen. Solarthermie, Wärmepumpen und Biomasse lassen sich hocheffizient direkt vor Ort nutzen und vor allem genossenschaftlich organisieren. Die Energiewende und die Kontrolle über Netze und Preise gehören in die Hände der Berliner:innen!

Frederike-Sophie Gronde-Brunner

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