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Gedenken und Nachdenken

Pacelliallee bekommt Stelen und Stolpersteine

Erschienen in Gazette Zehlendorf April 2022
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Die Pacelliallee ist benannt nach Eugenio Maria Giuseppe Pacelli (1876 – 1958), der 1939 Papst Pius XII. wurde. Die Rolle des Kirchenmannes während der Zeit des Nationalsozialismus ist umstritten. Eine geforderte Umbenennung der Straße wird es jedoch nicht geben. Dennoch gibt es Veränderungen – sie wird zu einer Allee des Gedenkens und Nachdenkens. Ende Februar wurde die erste Stele an der Pacelliallee enthüllt.

Entlang der Pacelliallee – bis 1949 Cecilienallee – lebten bis zur Machtergreifung durch die Nazis auch vermögende Juden. Sie wurden schikaniert, einige konnten fliehen und starben verarmt und fern ihrer Heimat. Im Februar wurde an der Pacelliallee 19 – 21 eine Stele enthüllt und Stolpersteine für Clara und Richard Semmel verlegt. Der Unternehmer Richard Semmel (1875 – 1950) hatte 1919 das Textilunternehmen Arthur Samulon übernommen, in dem er vor vielen Jahren als Lehrling angefangen hatte. Die gut gehende Firma in Berlin-Mitte erlaubte es ihm, sich 1922 ein großes Grundstück an der Pacelliallee in Dahlem zu kaufen. Vier Jahre später stand eine große, beeindruckende Villa dort, umgeben von einem parkähnlichen Grundstück. Semmel war auch begeisterter Kunstsammler – er galt als einer der wichtigsten Sammler Berlins – und betätigte sich als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei politisch.

Als die Nazis an die Regierung kamen, bekam Semmel Drohungen. Als er im Januar 1933 besorgt seinen Winterurlaub abbrach, warnte man ihn schon am Bahnhof in Berlin davor, in sein Haus zurückzukehren. Es gelang ihm und seiner Frau nach Holland zu flüchten. Von dort aus gingen sie nach Chile und schließlich nach New York. Das Ehepaar war verarmt. Seine Villa konnte Richard Semmel zwar über einen Anwalt verkaufen, aber der Käufer, Lebensmittelfabrikant Wilhelm Kühne, bekam sie zu einem so geringen Preis, dass für Semmel nichts mehr übrig blieb. Auch seine Kunstwerke wurden in alle Welt verstreut und weit unter Wert verkauft. Nach Kriegsende bemühte sich Richard Semmel um Entschädigung. Er erhielt aber lediglich ein Gemälde aus seiner Sammlung zurück. Auch die Bemühungen seiner Erben waren erfolglos.

Heute befindet sich in der Villa die Botschaft der Republik Irak. Bei der feierlichen Stolpersteinverlegung waren auch Nachkommen der Familie Semmel anwesend.

Die enthüllte Stele wurde von dem Unternehmen Carl Kühne KG finanziert.

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