Gazette Verbrauchermagazin

Neuplanung am Dreieck Funkturm – Was erwartet der Bezirk?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Dezember 2019

Mit modernisierten Verkehrssystemen die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. Die Planungen der Deutschen Einheit Straßenplanungs- und –bau GmbH (DEGES) liegen vor. In den folgenden Beiträgen nehmen die Fraktionen der BVV zu dem Thema und den Plänen Stellung.

SPD-Fraktion

Seit über 50 Jahren teilt die breite Schneise der Autobahn A 100 (Stadtring) unseren Bezirk und belastet die Anwohner*innen mit Lärm und Schadstoffen. Die A 100 ist im Bereich Charlottenburg stark sanierungsbedürftig und soll an mehreren Abschnitten (Dreieck Funkturm, Westendbrücke, Rudolf-Wissel-Brücke und Dreieck Charlottenburg) durch Neubauten ersetzt werden. Das eröffnet Möglichkeiten, die rein autoorientierten Nachkriegsplanungen zu korrigieren, um nicht nur dem Verkehr, sondern den Bedürfnissen der Stadt und ihrer Bewohner*innen gerecht zu werden. Die jetzt von der zuständigen DEGES vorgestellte Planung für das Dreieck Funkturm ist nur ein „weiter so“ und nimmt die verschiedenen Beschlüsse der BVV und des Abgeordnetenhauses sowie die Interessen der Anwohner*innen zur Neugestaltung nicht auf. Vorschläge, wie z. B. die Verlegung der Ausfahrt Messedamm, zeigen, dass es den Planer*innen bisher um verkehrliche, aber nicht um stadtverträgliche Lösungen ging. Diese müssen jetzt zügig vom Land und Bezirk eingefordert werden. Die Jahrhundert-Chance, die Stadtautobahn und ihre Randbereiche wie auch den Anschluss der AVUS (A 115) bewohner*innen- und umweltorientiert für eine bessere Zukunft zu gestalten, muss genutzt werden!

Martin Burth

CDU-Fraktion

Die anstehende grundlegende Sanierung und der Umbau des Autobahndreiecks Funkturm sind grundsätzlich richtig, denn die insgesamt 25 Brückenbauwerke bedürfen einer Sanierung und die Fahrbahnführung ist sicher an einigen Stellen verbesserungswürdig. Hauptaugenmerk muss aus Sicht der CDU-Fraktion aber unbedingt darauf liegen, die Anwohner nicht noch stärker zu belasten. Dies erfüllt die von der Planungsgesellschaft des Bundes DEGES vorgelegte erste Planung überhaupt nicht. Der geplante Wegfall der Anschlussstellen am Rathenauplatz und unter dem ICC zugunsten einer neuen Anschlussstelle an der Jafféstraße würde alleine auf der Jafféstraße zu einer Verkehrszunahme von 13.000 Autos täglich (plus 40 Prozent) führen. Noch gar nicht einkalkuliert sind der so gut wie ständige Logistikverkehr für das Messegelände sowie der Zu- und Abfahrtsverkehr des Zentralen Omnibusbahnhofs. Dies alles würde zu massivem Ausweichverkehr in die umliegenden Wohnsiedlungen führen, die zusätzlich noch durch die geplante Höherlegung der AVUS um 4,50 Meter belastet werden. Wir fordern daher, die Planung grundlegend zu verändern und insbesondere die bisherigen Anschlussstellen zu belassen, um einen Verkehrsinfarkt zu verhindern!

Christoph Brzezinski

B‘90/Grünen-Fraktion

Als Eigentümer der Autobahnen will der Bund das bröckelnde Autobahndreieck Funkturm nicht nur sanieren, sondern auch neu gestalten. Das böte eine Chance für Berlin und unseren Bezirk, neue Flächen für die Stadt zu gewinnen und eine moderne Mobilitätspolitik umzusetzen, um Belastungen mit Lärm und Abgase zu verringern. Die DEGES-Planungsgesellschaft hat einen Entwurf vorgelegt, der dies nicht berücksichtigt: Ihr Ziel ist eine optimale Verkehrsführung, die weder das städtebauliche Potenzial hebt noch das Ziel hat, weniger Autos in die Stadt fahren zu lassen. Um die Transparenz der Planung herzustellen wurde die Bürgerbeteiligung fast zu spät begonnen. Die im weiteren Verfahren von der DEGES geplanten Beteiligungs-Werkstätten sollten die Anliegen der Anwohner*innen wie des Bezirks ernsthaft aufgreifen, um die bisherige Planung zu verbessern. Nur so kann das bisher ungenutzte Potenzial an dem Autobahndreieck gehoben werden: durch das Integrieren der Bedarfe des Bezirkes, der Stadt und der Anwohnenden. Die DEGES sollte die Anwohner*innen besser einbinden und gemeinsam mit ihnen und Berlin eine gute Gesamtlösung finden statt den Umbau allein aus veralteten verkehrlichen Gesichtspunkten und Schätzungen fortzuführen.

Jenny Wieland / Alexander Kaas Elias

FDP-Fraktion

Die Neuplanung des Autobahndreiecks Funkturm ist eine große Chance für Charlottenburg-Wilmersdorf und ganz Berlin. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten frühzeitig eingebunden werden. Die Autobahn prägt unseren Bezirk. An vielen Stellen zerschneidet sie ihn auch. Sie ist wichtige Lebensader einer pulsierenden Metropole. Der Umbau des Autobahndreiecks muss die Mobilität von morgen berücksichtigen. Es wird auch weiterhin Platz für den individuellen Verkehr gebraucht, eine Reduzierung der Kapazitäten ins Blaue hinein lehnen wir daher ab. Die Autobahn muss so angelegt werden, dass fließender Verkehr möglich ist, Staus reduziert und neuer Stadtraum gewonnen werden kann. Die Planungen um das Autobahndreieck Funkturm müssen zwingend mit der Überdeckelung der A 100 zusammengedacht werden. Eine Umgestaltung des Knotenpunkts darf auch nicht ohne Veränderungen des Messegeländes einhergehen. Wir fordern daher, im Zuge des Autobahnumbaus endlich auch die Flächen um das ICC und den ZOB zu einem hauptstadtangemessenen Ort umzugestalten. Die geplante Anschlussstelle an der Jafféstraße sehen wir skeptisch, da insbesondere der Siedlung Eichkamp starker Durchgangsverkehr droht. Eine Unterführung und die Verbesserung des Lärmschutzes sind zwingende Mindestvoraussetzung für die dort geplante Autobahnabfahrt.

Johannes Heyne & Felix Recke

AfD-Fraktion

Seit den 60er-Jahren braust der Verkehr über das Autobahndreieck am Funkturm, das in seiner Verschlungenheit der Laokoon Gruppe gleicht. Mit 230.000 Fahrzeugen pro Tag ist es Deutschlands am stärksten belastetes Autobahndreieck. Der Zustand macht einen Neubau erforderlich. Das weiß man schon lange; inzwischen kann es jeder anhand der Sperrungen und Verengungen erkennen. Das wird die Nutzer vorerst weiter beeinträchtigen, aber auch Chancen bieten, zu modernisieren und den Verkehrsfluss zu beschleunigen. Die mit Planung und Bau beauftragte Autobahn-Planungsgesellschaft, DEGES, hat am 31. Oktober 2019 ihre Planungen einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. 2023 soll es losgehen und sieben Jahre dauern. Der Flächenverbrauch vermindert sich und Zu- und Abfahrten werden entwirrt. Damit kann der Verkehr das Dreieck schneller passieren, was zu weniger Emissionen führt. Der Lkw-Parkplatzwird in Richtung Potsdam verschoben mit dem Effekt, dass auch eine eventuelle Quelle von Fäkalemissionen, die den Halensee belastet, wegfällt. Der Bezirk erwartet eine geringere Belastung an Lärm- und Staubemissionen. In weiteren Beteiligungsschritten will die DEGES Anwohner und Betroffene in den Planungsprozess einbeziehen.

Hans Asbeck

Linksfraktion

Freitagnachmittag und wie immer Stau auf der Stadtautobahn am Dreieck Funkturm, nichts geht mehr. Dass eine Neuplanung dieses vielbefahrenen Abschnittes der A 100 erfolgen muss, ist spätestens dann allen klar, wenn man wie tausende Autofahrer*innen täglich in der Blechkarawane steht oder auch als Anwohner*innen mit dem Lärm und der Schadstoffbelastung jeden Tag leben muss. Die Umgestaltung muss aber sowohl den Anforderungen eines noch weiter zunehmenden Auto- und Güterverkehrs nach der Eröffnung des neuen Flughafen BER und damit verbunden verbesserten Sicherheitskonzepten in der Streckenführung dieses Unfallschwerpunktes genügen als auch dem Klima- und Umweltschutz mit weniger Lärmbelastung und einer drastischen Reduzierung der Emission von Schadstoffen aus Verbrennungsmotoren und Feinstaub durch Abrieb gerecht werden. Letzteres könnte durch eine Überdeckelung der Fahrbahntrasse und Reinigung der Autoabgase durch Filtersysteme im Tunnelbauwerk erreicht werden. Durch wohlüberlegt geplante Anschlussstellen an den Stadtverkehr, könnten Verkehrsströme elegant aus den umliegenden Kiezen ferngehalten und die Flächen über der Überdeckelung für Parkanlagen, Wohnen und soziale Infrastruktur genutzt werden.

Sebastian Dieke

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