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Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz: Der langsame Tod einer Institution?

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf diskutiert

Erschienen in Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf Juli 2025

Monatlich erscheint in der Gazette Charlottenburg und Wilmersdorf ein Thema, zu dem die in der BVV vertretenen Fraktionen Stellung nehmen. Das Thema wird „reihum“ von einer der Fraktionen bestimmt. In dieser Ausgabe hat die SPD-Fraktion das Thema vorgeschlagen.

CDU-Fraktion

Von einer Verschärfung beim Weinfest am Rüdesheimer Platz kann keine Rede sein. Es geht vielmehr um die Umsetzung eines rechtskräftigen Gerichtsbeschlusses aus dem Jahr 2019. Wer jetzt Stimmung macht, verkennt entweder die tatsächliche Lage oder ignoriert bewusst geltendes Recht. Ohne entsprechende Anpassungen droht dem Weinfest mittelfristig ein gerichtliches Verbot, und das wäre sein endgültiges Aus. Das Bezirksamt handelt daher nicht willkürlich, sondern schafft Rechtssicherheit – im Interesse der Veranstalter ebenso wie der Besucher.

Wir als CDU-Fraktion stehen fest zum Weinfest als einem wichtigen Ort des gesellschaftlichen Miteinanders. Unser Ziel ist es, diese Tradition zu bewahren! Dafür müssen wir gemeinsam überlegen, wie das Weinfest künftig gestaltet werden muss, damit es rechtssicher durchgeführt werden kann und gleichzeitig das Miteinander vor Ort gestärkt wird. Auf Bundesebene ist eine Prüfung des Immissionsschutzgesetzes erforderlich, während auf Bezirksebene alle relevanten Akteure an einen Tisch gebracht werden sollten. Nur so kann das Fest in neuem Glanz erstrahlen!

Simon Hertel

B‘90/Grünen-Fraktion

Der Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz ist ein großartiges Sommer-Event, bei dem sich seit nunmehr 40 Jahren die Winzer aus Rüdesheim präsentieren. Leider gab es Beschwerden und Klagen von Anwohnenden wegen Ruhestörung, die gerichtlich inzwischen bis zum Bundesverwaltungsgericht durchgefochten sind. Das Ergebnis sind behördliche Auflagen, damit das beliebte Fest weiter stattfinden kann: Sonntagsruhe, an allen anderen Tagen maximal 250 Personen auf dem Plateau und Schluss mit der Ausgelassenheit um 22 Uhr. Deswegen endet der Ausschank eine halbe Stunde früher. Mit dem Ambiente des denkmalgeschützten Rüdesheimer Platzes, der vorbildlich mit vom Bezirk selbst gezogenen Stauden bepflanzt ist, ist der Weinbrunnen eine herausragende Sommerattraktion, die wir bewahren wollen. Dazu wird es beim nächsten Besuch des Landrats unseres Partnerkreises Rheingau-Taunus Gespräche geben.

Sibylle Centgraf

SPD-Fraktion

Seit über 50 Jahren gibt es den Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz. Längst kein „Geheimtipp“ mehr, ist er weit über die Bezirksgrenzen bekannt. Eine Institution des „Rheingau-Viertels“! Die Attraktivität führte in der Vergangenheit zu Konflikten, sodass es zu Anwohnerklagen und letztendlich zu einem Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes gekommen ist. Das BA erteilte bereits in den letzten Jahren daher entsprechende Auflagen zur Durchführung des Weinbrunnens. Aus Sicht vieler Anwohner:innen haben sich die Auflagen dieses Jahr nochmal verschärft. Auf Kritik daran reagiert das grün geführte BA empfindlich, sodass die grüne Bezirksbürgermeisterin der Eröffnung sogar fernblieb. Es entsteht der Eindruck, dass den grünen BA-Mitgliedern der Weinbrunnen wohl ein Dorn im Auge ist. Der Weinbrunnen am Rüdesheimer muss weiterhin bestehen bleiben.

Constanze Röder

Linksfraktion

Der Weinbrunnen auf dem Rüdesheimer Platz ist für viele ein fester Bestandteil des Berliner Sommers – ein Ort der Begegnung und Symbol der Partnerschaft mit dem Rheingau. Doch inzwischen ist klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Lärmbeschwerden, ein laufendes Gerichtsverfahren aber auch abgelehnte Vorschläge des Bezirks – all das gefährdet die Zukunft der Veranstaltung.

Umso wichtiger ist es, dass Bezirksstadtrat Schruoffeneger das Gespräch mit allen Beteiligten weiterhin sucht. Denn klar ist auch: Der Weinbrunnen kann nur bleiben, wenn Lärmschutz und die nötigen Ruhezeiten für Anwohner:innen ernst genommen werden. Zwölf Wochen Weinausschank im Jahr sind weiterhin möglich – mit gut abgestimmten Pausenregelungen und einem neuen Konzept, das Rücksicht nimmt, ohne den Charakter des Fests zu zerstören. Der für September geplante Termin mit dem Landkreis Rheingau bietet die Chance, gemeinsam neue Perspektiven zu entwickeln. Daraus sollte ein tragfähiges Konzept entstehen, das den Weinbrunnen erhält – rücksichtsvoll, verbindend und zukunftsfähig.

Frederike-Sophie Gronde-Brunner

FDP-Fraktion

Auflagen über Auflagen, schlechte bis keine Kommunikation zwischen Winzern und Bezirksamt und keine tragfähige Lösung in Sicht. Dem beliebten und traditionsreichen Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz droht tatsächlich das Aus, wenn nicht alle beteiligten Parteien inklusive der klagenden Anwohner begreifen, dass es hier keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben kann. Ja, der Weinbrunnen ist nicht geräuschlos, und die in den letzten Jahren bereits erfolgten Auflagen sind für die Veranstalter mühsam. Doch beides kann in gemäßigter Form für alle erträglich sein. Bestehende rechtliche Spielräume müssen nur genutzt und die Kommunikation dringend verbessert werden. Ein Weinbrunnen, gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt, erfreut weder Gäste, noch Betreiber oder Anwohner. Hier verschärft sich ein unnötiger Konflikt an einem Ort, der für das Gegenteil stehen sollte, in einer Großstadt, die solch letzte Inseln dringend braucht. Sonst stirbt nicht nur der Weinbrunnen, sondern auch langsam und Stück für Stück die Lebensqualität in unserem Bezirk.

Stefanie Beckers

AfD-Fraktion

Totgesagte leben länger. Überleben wird der Weinbrunnen am Rüdesheimer Platz, jedoch leider ziemlich angeschlagen: Öffnungszeiten verkürzt, der Sonntag fällt ganz aus, Absperrungen, Eingangskontrollen, nur noch 250 Besucher sind erlaubt. Der Zugang zum Park unterhalb ist eingeschränkt, niemand soll dort den Wein der Winzer trinken. Absurd: Wein aus dem Supermarkt nebenan ist erlaubt. Interessen der Anwohner sind wichtig. Aber das Bezirksamt hat sich hier in eine zu strenge Auslegung des Gerichtsurteils verrannt. Winzer und Stammgäste sind aufgebracht. Die Presse spricht von „Regelwut“ bei diesem Vorgehen gegen die beliebte bürgerliche Tradition, die seit 1967 besteht. Man ahnt es: Die Grünen geben dabei den Ton an, die CDU, ihre Zählgemeinschaftspartnerin, haben sie offenbar im Schlepptau. Die Grüne Bezirksbürgermeisterin blieb der diesjährigen Eröffnung des Weinbrunnens fern – wegen befürchteter Proteste gegen die Auflagen, wie der Tagesspiegel schrieb. Wer nur Huldigungen entgegennimmt, aber kritische Stimmen nicht aushält, ist für dieses Amt und den Bezirk eine Belastung.

Michael Seyfert

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