Steglitz
Feuer und Flamme für Tabakpfeifen
Kristijan Pavic pflegt alte Handwerkskunst

06.11.2025: Als die Geschwister Silvio und Mario Schobinger vor mehr als 10 Jahren das Goerzwerk in Lichterfelde kauften, hatten sie Großes im Bezirk vor. Und sie haben es geschafft: Längst hat sich der Firmencampus – intaktes Denkmal deutscher Industriegeschichte aus dem Jahr 1915 – zu einem Areal entwickelt, an dem vor der Kulisse reizvoller Gründerzeit-Architektur einer wachsenden Zahl an Handwerksbetrieben, Start-ups und produzierendem Gewerbe Platz für modernes Arbeitsleben gegeben ist. Seit Sommer diesen Jahres gehört auch Kristijan Pavic – Freund des Jugendstil und Art Déco – mit seiner Tabakpfeifen-Manufaktur zur Community, in deren fast schon familiärer Atmosphäre er sich willkommen und umsorgt fühlt. Findet er hier doch bereichernde Synergien ebenso wie Raum für Kreativität. Er, der sich den Blick für Bewahrenswertes erhalten hat, ist hier mit Polier- und Drechselmaschine eingezogen und an mehreren Tagen in der Woche in einem gemütlichen Arbeitscontainer dabei, Qualitätspfeifen von Hand zu fertigen. „Ohne Stress und mit viel Feuer und Flamme für diese kunstvollen Rauchutensilien und ein aussterbendes Handwerk“, wie er mit leuchtenden Augen verrät.

Die notwendige Fingerfertigkeit dafür bringt der gelernte Steinbildhauer und Steinmetz aus seinem Hauptberuf mit. Wie viel Verständnis für jede Art von Kunsthandwerk der gebürtige Berliner besitzt, dessen Eltern in den 60ern aus dem ehemaligen Jugoslawien kamen und maßgeblich zur deutschen Wirtschaftsentwicklung beitrugen, beweisen nicht zuletzt die Tätowierungen, die gelungen seine Haut schmücken.
Kultiviertes Rauchen mit Kristijan Pipes
Betritt man den rund 35 Quadratmeter großen Container auf dem weitläufigen Gelände des Goerzwerk, taucht man ein in eine besondere Welt. Klassische Hintergrundmusik harmoniert dabei mit dem warmen Duft von Holz und Tabak. Kristijan Pavic, der hier die Kunst des Pfeifenmachens zelebriert und so seine Leidenschaft zum Nebenberuf gemacht hat, passt in seiner geerdeten Art bestens in diese entschleunigende Atmosphäre. Stress muss draußen bleiben, hat hier keine Chance. Pavic´ Pfeifen – jede für sich nicht im Akkord, sondern mit viel Herz und Präzision als Einzelstück hergestellt – können von Liebhabern kultivierten Rauchens erstanden werden. Nur bis zu 25 Pfeifen jährlich verlassen die Werkstatt, aktuell stehen fünf fertige zum Verkauf. Im Durchschnitt arbeitet der Künstler 16 Stunden hochkonzentriert an einem dieser kleinen, aber feinen Rauchkunstwerke.

Zur Liebe für diese besonderen Rauchutensilien fand Pavic eher zufällig in Augsburg: Dort begleitete er einen Freund in ein historisches Tabakfachgeschäft in der Altstadt. Fasziniert vom Tabakduft, kaufte er seine allererste Pfeife. „Ich war von nun an Feuer und Flamme, für alles, was brennt“, erzählt er schmunzelnd. Inzwischen besitzt Kristijan etliche Pfeifen, wobei zwei Pfeifen jeweils für eine Tabaksorte reserviert sind. Dabei erklärt der Pfeifenmacher, der naturbelassene bekömmliche Tabaksorten bevorzugt, das Pfeiferauchen zum besonderen Genuss: „Ein guter Tabak und kultiviertes Rauchen sind wie ein guter Wein oder edler Käse.“ Auch hier gilt für ihn: Die Dosis macht das Gift. So raucht man Pfeife schließlich nicht auf Lunge, sondern mit Zeit und Muße zur Entspannung. Pavic´ Großvater rauchte sein Leben lang Pfeife – und wurde immerhin 95 Jahre alt.
Eine Pfeife sollte nie heißgeraucht werden, „kaltes“ Rauchen ist die Kunst, die ebenso Zeit benötigt, wie zuvor die Herstellung von Hand einer edlen Pfeife. Längst werden Pfeifen auch maschinell hergestellt, doch das ist ein anderes Thema. Noch bis in die 60er-Jahre lag die Pfeifenherstellung in der Hand von Drechslern, die dies als Nebengeschäft ausführten. Ein Lehrberuf war Pfeifenmacher nie. Ab den 70ern entwickelten sich Tabakspfeifen dann zum Kunstwerk, weitaus mehr als bloßes Rauchwerkzeug. Wurde im frühen 20. Jahrhundert von der breiten Masse das Rauchen billigen Feinschnitt-Tabaks in preiswerten Pfeifen (75 Pfennig pro Stück) den der besseren Gesellschaft vorenthaltenen teureren Zigaretten und hochpreisigen Zigarren vorgezogen, ist Pfeiferauchen inzwischen ein besonderer Luxus. In speziellen Treffen wie beispielsweise der Berliner Pfeifen Session kommen Pfeifenraucher, -macher und -sammler zusammen, um ihre gemeinsame Leidenschaft für selbstgemachte Pfeifen zu pflegen.

Beste Rohstoffe für langlebige Tabakpfeifen
Doch wie entsteht eigentlich aus einem Holzstück eine wertvolle Pfeife, die ihren Preis hat und bestenfalls und bei guter Pflege noch an Kinder und Enkel weitergegeben werden kann? In der Werkstatt von Kristijan Pavic präsentiert sich als faszinierendes Ausgangsmaterial und Beispiel für beste Rohstoffe die warzige Bruyère-Faserwurzelknolle, Wasserreservoir der berühmten, auf kargem Boden wachsenden Baumheide Erica arborea. Von über Generationen erfahrenen Sammlern wird sie u. a. in Italien in der Toscana bei geeignetem Reifegrad geerntet und ist Grundlage der von Kristijan Pavic gefertigten „Bruyère“-Edelholz-Tabakspfeifen. Am Sammelort in Italien war er noch nie, obwohl seine Frau Italienerin ist. Doch es steht fest auf seiner To-Do-Liste. Bruyère-Holz gilt als besonders hart, hitzebeständig und besitzt einen neutralen Geschmack. Nach der Begutachtung durch spezielle „Coupeure“ von Qualität, Maserung und Größe werden die Wurzeln in Stücke geschnitten. Ausgiebiges Kochen entfernt aus dem Holz Bitter- und Gerbstoffe, die den späteren Tabakgeschmack beeinflussen könnten. Nach der Trocknung von bis zu drei Jahren können die Holzstücke (Ebauchons) schließlich zur Pfeife weiterverarbeitet werden.

In den Regalen von Kristijan lagern etliche dieser Stücke, von denen er jedes für bis zu 60 Euro erworben hat. „Der Ausschuss kann groß sein“, erklärt der Fachmann, zeigen sich Risse oder Hohlräume doch manchmal erst bei der Bearbeitung zur Pfeife und machen dann schlechtenfalls vorangegangene Arbeit zunichte. Beim ersten Aufzeichnen der Pfeifenform auf das jeweilige Holzstück achtet Pavis genau auf den Verlauf der Maserung, um Stabilität der Pfeife zu gewähren. Die jahrelange Erfahrung kommt ihm dabei zugute. Bis es soweit war, kostete es ihn etliches Lehrgeld. Inzwischen ist er versiert an Drechselbank und Polierkissen, jede Bohrung sitzt, Mundstück und Kopf passen präzise, und der „Biss“ ist V-förmig gut gefächert, um den Rauch gleichmäßig nach innen zu verteilen. Bei einem alten Berliner Pfeifenmacher lernte er das kunstvolle Handwerk und sogar, wie man eine simulierte Driftwood(Treibholz)-Oberfläche erreicht. – Ein Geheimnis, das heute nur noch zwei bis drei Pfeifenmacher beherrschen. Die Mundstücke von Pavic´ Pfeifen sind meist aus Ebonit-Hartgummi oder Acryl, werden aus Stangen passgenau zugeschnitten.

Am Ende einer jeden Pfeifenherstellung von Hand steht das Polieren, das die besondere Maserung hervorhebt: Mit viel Geduld, zuerst grobem und dann immer feiner werdendem Schleifpapier, bis abschließend Carnaubawachs von der brasilianischen Carnaubapalme letzten Glanz bringt. – So von Hand gefertigt, steht nach den aufwendigen Arbeitsgängen Sägen, Schleifen, Feinschleifen und Polieren dem Pfeifenraucher nun ein besonderes Einzelstück zur Verfügung, das sorgfältig eingeraucht und pfleglich behandelt Würdigung findet.
Wer Interesse an der Handarbeit und den Pfeifen von Kristijan Pavic hat, findet weitere Informationen und Kontakt unter Kristijan Pipes www.kp-pipes.com oder über E-Mail kppipes@web.de.
Jacqueline Lorenz



