Zehlendorf Mitte
Von der Seelen-Oase zum Symbol der Einheit
Grünes Kleinod Schönower Park

29.09.2025: Wer heute durch den Schönower Park schlendert, dem mag ein kleines, fast unscheinbares Ensemble aus drei jungen Bäumen auffallen. Eine Rotbuche, eine Kiefer und eine Eiche, gepflanzt in einem perfekten Dreieck. Eine in einen Granitblock eingelassene Tafel verrät, was es damit auf sich hat: Es ist Zehlendorfs „Einheitliches Wiedervereinigungsdenkmal“, das am 3. Oktober 2015 gepflanzt wurde.
Die Buche für den Westen, die Kiefer für den Osten und die starke Eiche für das wiedervereinte Deutschland – eine wachsende Metapher für das Zusammenwachsen unseres Landes, initiiert von Werner Erhardt aus Wunsiedel/Oberfranken und unter der Schirmherrschaft der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch diese drei Bäume, so symbolträchtig sie auch sind, wurzeln in einer noch viel tieferen, faszinierenderen Zehlendorfer Geschichte. Sie stehen auf einem Boden, der schon einmal für Heilung und Erholung geschaffen wurde.

Ein Visionär am Teltower Damm
Es geht zurück ins Jahr 1853: Zehlendorf ist noch ein beschauliches Dorf, die Schönower Feldmark erstreckt sich friedlich und unberührt. Hier, fernab vom Lärm der wachsenden Metropole Berlin, aber doch praktisch an der neuen Bahnlinie gelegen, findet der Nervenarzt Dr. Heinrich Laehr (1820 – 1905) den idealen Ort für seine Vision. Er kauft das Bauerngut „Schweizerhof“ und gründet eine für ihre Zeit revolutionäre Einrichtung: eine „Privatheilanstalt für psychisch Kranke weiblichen Geschlechts“.

Laehrs Ansatz war bahnbrechend. Statt seine Patientinnen aus wohlhabenden Kreisen in streng geführte Anstalten zu sperren, schuf er eine Oase der Ruhe und Geborgenheit, allerdings gehörten auch leichte Formen der Landarbeit zur Therapie. Über Jahrzehnte kaufte er Land hinzu, bis ihm ein gewaltiges Areal von über 100 Hektar gehörte – eine eigene Welt zwischen dem heutigen S-Bahnhof Zehlendorf und dem alten Dorfkern von Schönow.
Therapie im Grünen
Das Herzstück seines Konzepts war die Natur. Mehr als die Hälfte des Geländes verwandelte Laehr in eine Parklandschaft, die heute in den Heinrich-Laehr-Park, den Schweizerhofpark und eben jenen Schönower Park aufgeteilt ist. Dies war kein bloßer Selbstzweck, sondern integraler Teil von Laehrs Therapie.
Viele Kilometer verschlungene Spazierwege führten durch die Anlagen. Der heutige Heinrich-Laehr-Park war als Wildpark angelegt, in dem Rot- und Damwild durch das dichte Gebüsch streifte. Die Patientinnen konnten hier die Natur hautnah erleben – eine Therapie für die Seele. Daran erinnert bis heute der Name der Straße „Laehr’scher Jagdweg“.

Privatfriedhof im Park
Heinrich Laehr starb 1905 und fand, wie schon seine 1902 verstorbene Frau und Mitarbeiterin Marie, seine letzte Ruhestätte auf einem kleinen Privatfriedhof mitten im heutigen Schönower Park. Das monumentale Grabmal mit der Skulptur der „Schwermütigen Frauen“ ist bis heute ein stiller Zeuge dieser Ära.
Nach seinem Tod gingen die Parkanlagen schrittweise in den Besitz des Bezirks über und wurden für alle Zehlendorfer geöffnet. Zwar wurden die Wegenetze in der Nachkriegszeit vereinfacht und größere Wiesenflächen geschaffen, doch der Geist von Laehrs Vision ist bis heute spürbar. Der alte Baumbestand lässt die ursprüngliche Größe der aus privater Hand geschaffenen Parkanlagen noch immer erahnen.
Und so schließt sich im Schönower Park ein Kreis. Wo einst Heinrich Laehr mit der heilenden Kraft der Natur die Seelen einzelner Menschen stärken wollte, wachsen nun drei Bäume als Symbol für die Heilung und das Zusammenwachsen einer ganzen Nation.