Gazette Verbrauchermagazin

Klimanotstand in Steglitz-Zehlendorf

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Erschienen in Gazette Steglitz und Zehlendorf Oktober 2019

Nicht erst seit den sehr heißen Sommertagen in den beiden vergangenen Jahren wird über die spürbare Klimaveränderung und einen möglichen Klimanotstand sehr kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wird vor dem Hintergrund zahlreicher aktueller Aktionen und Initiativen mittlerweile auch auf kommunaler Ebene geführt. Zu diesem Themenkomplex liegen zwischenzeitlich auch Anträge von Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf zur Beratung vor. Nachfolgend stellen die sechs Fraktionen in der BVV ihre Sicht zu diesem Thema dar.

CDU-Fraktion

Was geschieht, wenn die Bezirksverordnetenversammlung den „Klimanotstand“ ausruft?

Nichts!

Was geschieht, wenn die Bezirksverordnetenversammlung es ablehnt, den „Klimanotstand“ auszurufen?

Auch nichts!

Einen Beschluss, der zu nichts führt, können wir uns sparen. Solches Verhalten wird bezüglich der „AfD“ zu Recht als Populismus kritisiert, hier zeigt die Öko-Linke ihren Populismus, natürlich nur wieder einmal im Interesse der „besseren Welt“.

Notstand bedeutet im Übrigen eine Lage, in der eine unmittelbare Gefahr droht. Ganz persönlich meine ich, dass davon jedenfalls so lange nicht auszugehen ist, wie ich Mitglieder der Grünen noch in großen Verbrennungskraftfahrzeugen sehe und diese mir von ihren Urlaubsflugreisen berichten.

Wir beschäftigen uns mit Klimaschutz ausschließlich sachlich, so wird unsere Bezirksbürgermeisterin alles ihr Mögliche tun, auch in diesem Bereich sachlich erfolgreich zu sein. Bürgerliche Politik misst sich an Ergebnissen, nicht an Parolen.

Torsten Hippe

SPD-Fraktion

In den letzten Monaten wurde die Ausrufung des Klimanotstandes in Städten und Kommunen in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Frei nach dem Motto „Global denken – lokal handeln“ sehen wir die Bezirke als wichtige Akteure bei der Bekämpfung der Auswirkungen der Klimakrise. Deshalb fordern wir in einem Antrag aktuell das Bezirksamt auf, dem Klimaschutz bei zukünftigem Handeln oberste Priorität einzuräumen. Wenn wir die Umsetzung unserer Klimaziele noch annähernd erreichen wollen, dann muss ein Umdenken geschehen – auch in Steglitz-Zehlendorf. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten. Ein erster Schritt kann sein, dem Klimaschutzbeirat im Bezirk eine wesentlich präsentere Rolle zu ermöglichen und ihn stärker in die Debatte in den Ausschüssen einzubeziehen.

Für uns als SPD-Fraktion ist es aber auch wichtig, dass Umweltschutz nicht eine Frage des Geldbeutels sein darf. Wir werden uns zukünftig dafür einsetzen, dass Umweltschutz gemeinsam mit der sozialen Frage gedacht wird – und nicht gegeneinander ausgespielt wird. Dieser Herausforderung wollen wir uns stellen. Wir freuen uns auf die Diskussion in den kommenden Wochen.

Olemia Flores Ramirez

B‘90/Grünen-Fraktion

Es ist mittlerweile offensichtlich, dass sich unser Klima im Wandel befindet. Am Amazonas und in der Arktis brennen wesentlich größere Flächen als je zuvor, Gletscher schmelzen messbar und auch die Turbulenzen in klarer Luft behindern den Flugverkehr messbar mehr als noch vor kurzer Zeit. Dennoch fällt die Bilanz der Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere z. B. der CO2-Einsparung ernüchternd aus: das Ziel einer weltweiten Erhöhung der Temperatur im Durchschnitt um nur 1,5 Grad ist bei einem „Weiter so“ definitiv nicht zu erreichen. Auch Deutschland liegt hier weit hinter den gesteckten Zielen zurück. Was hilft nun in dieser Situation? Im föderal organisierten Deutschland kann und muss die Initiative dort auch von den Kommunen ausgehen, wo die Verantwortung dafür liegt: in lokalen Maßnahmen, die die internationalen und nationalen Rahmenmaßgaben konkret umsetzen. Hier helfen nur effektive Maßnahmen: Klimaneutrales Bauen, groß angelegte Flächenentsiegelungen, Mobilitätswende, Erhalt und Vergrößerung des Stadtgrüns und Einiges mehr. Wir werden uns dafür einsetzen!

Carsten Berger

AfD-Fraktion

Als Notstand gilt ein gefährlicher Zustand, zu dessen Beseitigung außergewöhnliche und ggf. außergesetzliche Mittel angewandt werden. Die Ausrufung eines „Klimanotstandes“ setzt zweierlei voraus: erstens, dass eine gefährliche Situation besteht und zweitens, dass die eingesetzten Mittel geeignet sind, die Gefahr zu beseitigen. Wir haben aber keinen Notstand: es gab Zeiten, wo das Klima noch wärmer war: z. B. konnten im 10. bis 12. Jahrhundert norwegische Siedler auf Grönland Viehzucht betreiben. Auch das Bekämpfen des „Klimakillers“ CO2 ist mitnichten das geeignete Mittel. Ein kausaler Zusammenhang zwischen CO2 und Klimaerwärmung ist nicht bewiesen, auch wenn eine angebliche Mehrheit dies behauptet. Mehrheit ist kein wissenschaftliches Kriterium. Vor 500 Jahren „wussten“ alle, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht und die Sonne um die Erde kreist. Nur Kopernikus war anderer Ansicht. Wer hatte am Ende recht? In Wahrheit geht es beim „Klimanotstand“ um die Implementierung neben- und übergesetzlicher Maßnahmen und Institutionen. Der „Klimanotstand“ soll dazu dienen, tiefe Eingriffe in Eigentumsrechte vorzunehmen, die Mobilität der Menschen einzuschränken und all das mit einer moralischen Rechtfertigung zu versehen. Dabei wird die AfD nicht mitmachen.

Peer Döhnert

FDP-Fraktion

Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Eine Herausforderung, der sich auch unser Bezirk mit lokalen Lösungen stellen muss. Der Klimawandel macht sich bereits heute in unserem Bezirk bemerkbar: Die Hitze in den Sommermonaten verursachte alleine in diesem Jahr im Bezirk erhebliche Schäden in den Grünanlagen und an den Straßenbäumen. Viele haben bei lang anhaltender Hitze gesundheitliche Probleme, Starkregenereignisse lösten Überflutungen im Stadtgebiet aus. Hier hilft keine Symbolpolitik, wie die Ausrufung eines so genannten „Klimanotstands“. Dadurch wird im Bezirk kein Baum neu gepflanzt oder fossile Brennstoffe eingespart. Die FDP bekennt sich zur Nachhaltigkeitsagenda 2030 der Vereinten Nationen und zum Pariser Klimaabkommen und möchte die vertraglichen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, auch durch lokales Handeln umsetzen. Dazu müssen in unserem Bezirk Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung engagiert vorangetrieben werden. Die FDP will keine neuen Verbote und Regelungen einführen, wir setzen auf attraktive Angebote für klimafreundlicheres Verhalten der Bevölkerung.

Rolf Breidenbach

Linksfraktion

99,94 % der Klimaforscher erkennen einen menschengemachten Klimawandel. Wir rasen auf Kipppunkte zu, an denen unser Klima unumkehrbar ins Hitzechaos abdriftet. Deutschland verfehlt krachend seine zugesagten Klimaziele. Deshalb müssen wir sofort auf allen Ebenen handeln. Sämtliche politischen Entscheidungen in unserem Bezirk (mit 307.000 Einwohner*innen auf Platz 22 der größten Städte Deutschlands) sollen nach Vorstellung der Linksfraktion auf Klimaneutralität überprüft werden. Luft, Boden, Wasser und Arten gehören konsequent geschützt. Unser Verbesserungspotential ist enorm. Im Bezirk gibt es viele schnell realisierbare Ansatzpunkte: neue und bessere Radwege, Ausbau des ÖPNV (Straßenbahn, Stammbahn), konsequenter Grünflächenschutz, Solarmodule auf öffentlichen Dächern, Blühstreifen, Fassaden und Dachbegrünung etc. Aber das ist einfacher gesagt als getan. Klimanotstand bedeutet, sich mit mächtigen Interessen anzulegen. Es gibt keinen grünen Kapitalismus! Die derzeit erfolgreichste Wirtschaftsstrategie zerstört unsere Lebensgrundlage. In den Industrienationen müssen insbesondere die wohlhabenden Menschen ihr Konsumniveau reduzieren!

Hans-Walter Krause

TitelbildTitelbild

© Gazette Verbrauchermagazin GmbH 2022