Gazette Verbrauchermagazin

50 Jahre Platten Pedro

Das ganz besondere Schallplatten-Antiquariat mit skurrilem Original

Paradies für Plattensammler.
Paradies für Plattensammler.
Erschienen in Gazette Charlottenburg April 2019
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1953 hat er angefangen Platten zu sammeln. Peter Patzek, weltweit in der Sammlerszene besser als „Platten Pedro“ bekannt, rechnet nach: „132 Semester hab´ ich also zum Thema Platten studiert“, überschlägt er schnell im Kopf. Man kann ihn daher durchaus als Fachmann in Sachen alte Platten bezeichnen, hier in seinem Laden am Tegeler Weg.

Am 19. April 2019 wird sein Schallplatten-Antiquariat 50 Jahre alt, und dazu will „Pedro“ ruhig ein paar Flaschen seines Lieblingsrotweins in seinem italienischen Supermercator an der Sophie-Charlotte-Straße besorgen: „Obwohl ich eigentlich gar nichts trinke.“ Auch wenn das Datum auf den Karfreitag fällt: Das Geburtstags-Antiquariat öffnet seine Tür an diesem Tag dennoch von 10–12 Uhr für Gratulanten und Geschäftsfreunde; nicht für den Verkauf, „sondern zum Quatschen und so“, wie sein Inhaber verrät.

Auch an diesem Tag dürften in den zwei Geschäftsräumen die über 100.000 Vinyl-Schallplatten im Mittelpunkt stehen, die gemeinsam mit einigen Schellack-Raritäten in den bis Deckenhöhe gefüllten Regalen auf sammelfreudige Abnehmer warten. Unzählige tönende „Leckerbissen“ sind darunter, weshalb sich neben den Berliner Stammkunden auch täglich Sammler aus aller Welt die Klinke in die Hand geben. Sie verlassen dann häufig mit strahlenden Augen über das gefundene Platten-Highlight das Geschäft – zusätzlich den ein oder anderen markigen Spruch von Platten Pedro im Gepäck, der seit 50 Jahren Herz des Antiquariats ist: skurril, manchmal etwas frech, aber immer auch ein bisschen Philosoph und auf jeden Fall liebenswertes Original.

Platten Pedro, der Sammler

Wer den Laden betritt, sollte zuerst nach unten schauen. Denn da steht so manches, das den Weg in die Regale noch nicht gefunden hat oder darauf wartet, vom Hausherrn gesichtet zu werden. „Ich gelte als etwas schlampig“, erklärt Pedro selbstkritisch und fügt hinzu, „aber ich habe ein super Gedächtnis, weiß genau, wo was zu finden ist.“

Gerade dieses geordnete Chaos macht wohl den Reiz seines Antiquariats aus. Nach meinem Besuch bei ihm, kann ich das nur bestätigen.

Stoppelbart, lässige Frisur, kalte Zigarette im Mundwinkel („Ich rauche grundsätzlich nie im Laden, nur davor“), immer in Bewegung. Als Pedro sein Alter nennt, mag man ihm das kaum glauben: Am 16. Dezember hat er seinen 77. Geburtstag gefeiert. „Als ich in meinem Ausweis mein Geburtsdatum gelesen habe, bekam ich einen richtigen Schreck“, schmunzelt er, und man kann ihm dabei einen gewissen Stolz anmerken. Vielleicht hat ja auch der Tee zu seiner jugendlichen Ausstrahlung beigetragen, den er über den Tag kannenweise trinkt. Ein Rezept dafür gibt er gleich weiter: Eine halbe Chili ohne Kerne, viel gewürfelter Ingwer und reichlich Zitronensaft aufkochen, abseihen und mit Rohzucker oder Agavensaft süßen, darauf schwört er. Und sein Fahrrad steht immer griffbereit im Hinterzimmer, mit ihm fährt er zu Kunden.

Wer weiß? Er, der sich in jungen Jahren für kurze Zeit als erfolgloser Liedermacher versucht hat, sieht nun vielleicht sogar einem späten musikalischen Erfolg entgegen: Die Gitarre hat er wieder rausgeholt und „versächselt“ aktuell internationale Welterfolge, indem er sie in sächsischen Dialekt übersetzt. Da wird aus „Dream a little Dream of me“ bei Pedro schnell mal ein „Dräum doch under´m Boom mid miar…“

Dabei ist der Plattenfreund sich sicher, dass seine Sammelleidenschaft die Basis all seines Handelns ist. Er sieht sie als kulturelle Variante, die aus Interesse an immer Neuem entsteht und Inspiration zugleich ist.

Paradies für Plattensammler

Versteckt hinter Plattenregalen, auf denen ein einsamer Globus an den Rest der Welt erinnert, liegt Pedros Rückzugsort mit PC, auf dem Bildschirm wartet ein Kartenspiel auf ihn als Spielpartner. Von seinem Platz aus hat der Ladeninhaber genau den Plattenspieler im Blick, welcher aber meist nur „zum Reinhören“ für Kunden angeworfen wird. Gleich daneben unter einer ansehnlichen Staubschicht als besonderes Schmuckstück aus Pedros Privatsammlung ein „Tefifon“, dessen Geschichte der fachkundige Ladenbesitzer sofort parat hat: Das Wiedergabegerät wurde von dem deutschen Unternehmer Karl Daniel erfunden und von 1959 -1965 hergestellt:

Es besaß Kassetten mit endlosem Kunststoff-Schallband, in das – ähnlich wie bei der Schallplatte – spiralförmige Rillen eingraviert waren, die von einer Abtastnadel gelesen wurden. So war auf einer Kassette Platz für bis zu vier Stunden Musik. Jedoch setzte sich das Modell nicht durch, bedingt durch seine nur mittelmäßige Tonqualität, die in etwa zwischen der einer Schellackplatte und der einer Vinylplatte lag. 1965 wurde die Herstellung eingestellt.

Ein weiteres „Lieblingskind“ von Pedro hat seinen Platz gleich neben der Ladentür bezogen: Mit der Musikbox hat er sich einen lange ersehnten Wunsch erst kürzlich erfüllt. „Doch an der Aktualisierung der Beschriftung muss ich noch arbeiten“, gibt er zu, als sich ein Titel in der Box partout nicht finden lassen will.

Überall im Geschäft dagegen prangen Pedros markige Sprüche auf Schildern: Gleich nach Betreten des Ladens baumelt da etwas versifft eine Kamera von der Decke mit Pappschild“: „Achtung, Sie werden gefilmt“.

Daneben macht der Inhaber schriftlich und unmissverständlich darauf aufmerksam, dass hier ER die Preise macht, schließlich sei sein Antiquariat kein Flohmarkt. Überhaupt die Schilder: Pedro liebt sie aus Pappe und Papier. Mit Filzstift beschriftet, finden sie sich als Wegweiser zwischen den Platten, und auch im Schaufenster prangt Handgeschriebenes.

Warum auch nicht? Auf das Wesentliche kommt es an. Und das findet sich reichlich im Laden: Raritäten aus Jazz, Blues, Rock, Pop, natürlich die Beatles, auch Deutsche Schlager und Operette oder Latino-Platten; das Angebot ist breit, auch wenn nicht alles Pedros überschäumende Begeisterung erweckt. Sogar eine LP mit der königlich-englischen Hochzeitsmusik anlässlich der Trauung von Prinzessin Anne und Mark Phillips aus dem Jahr 1973 hat deren Ehe um 27 Jahre überlebt und wartet geduldig auf einen anglophilen Abnehmer.

Es gibt noch viel zu tun

Platten für sein Antiquariat finden den Weg zu Pedro häufig über Ankauf und Haushaltsauflösungen. Oft sind damit nette kleine Geschichten verbunden, die Pedro anschaulich zu erzählen weiß.

So hatte er aus dem Nachlass des Fernsehproduzenten Wolfgang Rademann („Traumschiff“), der 2016 verstarb, dessen Plattensammlung übernommen, mit etlichen Jazzraritäten. „Ich nehme bei so großem Angebot dann auch mal Platten mit, die ich sonst weniger suchen würde“, betont der Musikfreund. So waren im Fall Rademann auch frühe LPs des Komponisten und Jazz-Musikers Fritz Schulz-Reichel, genannt „Der schräge Otto“, dabei, die Pedro eigentlich wenig interessant fand. Er erzählt: „Vor ein paar Tagen kam doch wirklich ein Kunde vorbei, der genau diese LP´s schon länger gesucht hatte.“

Vorbei kommen sie aus aller Herren Länder, seine Kunden: Da ist das Pärchen aus Finnland, das nach umfangreichem Stöbern dann mit zwei Jazz-Platten abzieht und sich noch nebenbei mit Pedro über dessen Reisepläne in den hohen Norden fürs nächste Jahr unterhält. – Natürlich auf Englisch, das bei Pedro reichlich amerikanischen Slang hat.

Doch Sammler Pedro hat viele Interessen: Architektur und Malerei hat es ihm angetan, er reist zu angesagten Ausstellungen und ist auch mit den Berliner Museen gut bekannt. Aus der Geschichte der Toskana weiß er erstaunliches zu erzählen, und gerade hat er eine neue Leidenschaft für sich entdeckt: Briefmarken. Und da spricht wieder aus Pedro der Philosoph, wenn er in Anlehnung an Hemingway sagt: „Der alte Mann geht zum Meer. Seefisch ist arg bedroht, Briefmarken sind es aber nicht.“

An diesem Morgen hat ein Bekannter kistenweise Marken-Alben vorbeigebracht, die in Pedro´s Wohnung in der 2. Etage verfrachtet werden müssen, er sieht´s als Fitnessprogramm. In seiner Wohnung übrigens, die er mit Kater Bedrian bewohnt, herrscht Ordnung: „Alles mit alten edlen Möbeln eingerichtet“, betont er. Auch das ist Platten Pedro.

Seine Frau, mit der er 44 Jahre verheiratet war, starb vor acht Jahren, fünf Kinder hat er („vier sind adoptiert“) und etliche Enkel im Alter zwischen einem Jahr und 22 Jahren. Noch denkt er, der weiß, was Sammler wünschen, nicht ans Aufhören.

Doch vielleicht übernehme ja später einmal eine seiner Enkelinnen den Laden, erklärt er mit hoffnungsfrohem Zwinkern. Doch bis dahin taucht er für sich und seine Kunden weiterhin begeistert in die tönenden Scheiben der Beatles, Bee Gees und wie sie alle heißen, ein, auf der Suche nach ganz besonderen Raritäten.

Einen Besuch ist nicht nur Pedros Antiquariat wert, auch seine Webseite ist typisch für ihn und äußerst lesenswert: www.platten-pedro.de

Jacqueline Lorenz

Platten Pedro

Inhaber: Peter Patzek

Tegeler Weg 102
10589 Berlin-Charlottenburg

Telefon: 030 – 344 18 75

E-Mail: PlattenPedro@gmx.de

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10.07-15.53 Uhr Samstag 9.59-13.02 Uhr

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