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Schlosspark Theater Berlin: „Eines langen Tages Reise in die Nacht“

Eigenblut ist kein Himbeersaft

Foto: DERDEHMEL/Urbschat
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Erschienen in Gazette Zehlendorf Februar 2023
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Eugen O´Neills autobiografisch angelegte Tragödie „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ (Long Days Journey into Night) erhielt im Jahr 1957 den Pulitzerpreis. Doch an Aktualität hat das Stück des Dramatikers und Literatur-Nobelpreisträgers bis heute nichts verloren. – Wohnt doch unter jedem Dach ein Ach.

Und so hält Regisseur Torsten Fischer mit seiner gelungenen Inszenierung im Schlosspark Theater dem Zuschauer mit einem akzentuierten Bühnenbild geschickt in Szene gesetzt den Spiegel vors Gesicht. Die verkorkste Familie, die er da auf die Bretter bringt, will man nicht sein eigen nennen, Ähnlichkeiten zu besonders liebenswerten Individuen seiner Verwandtschaft mag mancher aber dennoch erkennen.

Großes unverfälschtes Theater, wie es von Zeit zu Zeit einfach sein muss, wird da in Steglitz von einem durch und durch schauspielerisch überzeugendem Team geboten. Monolog-textsicher, gesten- und variantenreich sind ihnen die Rollen passgenau auf den Leib geschneidert.

Sehenswert und berührend

Allen voran in der Rolle der morphiumsüchtigen Mutter Mary fesselt Judith Rosmair. Zäh und zerbrechlich zugleich flüchtet sie sich in längst vergangene Jugendzeiten, die Realität und das in der Familie herrschende Elend verdrängend. Sie schwebt, torkelt und tanzt über die Bühne, schön und abstoßend zugleich. An ihrer Seite Peter Kremer als ihr Ehemann James. – Angeblich einst ein erfolgreicher Schauspieler, versäuft er nun sein letztes bisschen Talent und investiert geizerfüllt lieber in Immobilien anstatt in notwendige Heilbehandlungen seiner morphiumsüchtigen Frau und des schwindsüchtigen Sohnes Edmund (Fabian Stromberger), der sich gekonnt und beinahe ansteckend hustend durchs Stück kränkelt. Zwischen Hass und Liebe zu dieser eigentlich so unerträglichen Familie hin- und hergerissen brilliert Igor Karbus als James Tyrone jr. Saufend, heulend, prügelnd versucht er sich aus seinen widersprüchlichen Gefühlen zu befreien. Seine tiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit macht ihn dem Zuschauer da direkt sympathisch, während man seine auf ihrer Morphiumwolke schwebende Mutter am liebsten unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückbefördern möchte. Lebenslügen werden gepflegt, kurze Einsichten zur Unkenntnis vernebelt. Der Wahrheit will hier niemand ins Gesicht sehen. – Dabei bleibt das Stück stets im Fluss und hält das Publikum über sämtliche Gefühlshöhen und -tiefen im Griff, das tief berührt ist und sich mittendrin meint.

Der aufbrausende Applaus am Ende des Stückes klingt nach zwei Stunden Gefühlschaos ebenso anerkennend wie erlösend zugleich, ein wenig Bedrückung bleibt wohl in jedem zurück. – Gut so, denn Eigenblut ist nun mal kein Himbeersaft.

Jacqueline Lorenz

Schlosspark Theater

„Eines langen Tages Reise in die Nacht“ steht bis zum 19. Februar 2023 auf dem Spielplan des Schlosspark Theater Berlin.

Kartentelefon: 030 – 789 56 67-100

www.schlossparktheater.de

Titelbild

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