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Eugen-Gerstenmaier-Platz in Lichterfelde

Langjähriger Bundestagspräsident mit Platzbenennung geehrt

Eugen-Gerstenmair-Platz in Lichterfelde.
Eugen-Gerstenmair-Platz in Lichterfelde.
Erschienen in Lichterfelde West Journal April/Mai 2020
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Ein Theologe, der sich dem Widerstand gegen Hitler anschloss: Eugen Gerstenmaier war eines der wenigen Widerstandsmitglieder, die überlebten. Statt der Todesstrafe wurde er zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Der 1906 in Baden-Württemberg geborene Gerstenmaier arbeitete zunächst als kaufmännischer Angestellter. Doch es zog ihn zu anderen Zielen: Er holte das Abitur nach und begann zu studieren. Seine Fächer waren Philosophie, Germanistik und Evangelische Theologie. 1933 stellte er sich im Kirchenkampf, bei dem es in der Evangelischen Kirche einen Streit zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen gab, auf die Seite von Friedrich von Bodelschwingh, der der Bekennenden Kirche nahe stand. Im gleichen Jahr kam Gerstenmaier wegen seiner kirchlichen Aktivitäten zum ersten Mal in Haft. Wegen seiner Aktivitäten für die Bekennende Kirche bekam er vom Nazi-Regime keine Lehrerlaubnis. Er galt als Regimegegner. 1939 musste er als Kriegsverpflichteter im Auswärtigen Amt arbeiten. Dort bekam er erstmals Kontakt zu Mitgliedern des Kreisauer Kreises.

Widerstand gegen Hitler

Seit 1942 gehörte er dieser Widerstandsgruppe an. Gerstenmaier und Fritz-Dietlof von Schulenburg planten bereits 1940 ein Attentat auf Hitler, das aber nicht ausgeführt wurde. Eugen Gerstenmaier konnte durch seinen Dienst im Auswärtigen Amt reisen und nahm so Kontakt zu Geistlichen in Schweden auf und organisierte Begegnungen mit Widerstandskämpfern in Deutschland. Während des Attentats am 20. Juli hielt er sich mit Pistole und Taschenbibel im Berliner Bendlerblock bereit. Nach dem geglückten Umsturz war er laut Stiftung 20. Juli 1944 als Militärbevollmächtigter für die Gebiete des Reichskirchen- und Reichserziehungsministeriums vorgesehen. Während viele Mitglieder der Widerstandsgruppe zum Tode verurteilt wurden, gelang es Gerstenmaier dank prominenter Fürsprecher und seines einfältig wirkenden Auftretens vor dem Volksgerichtshof, der Todesstrafe zu entgehen. Er wurde zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt, aus dem ihn die Amerikaner im April 1945 befreiten.

Wohnraum für Flüchtlinge

Nach Kriegsende setzte er sich dafür ein, Wohnraum für die zahlreichen ankommenden Flüchtlinge bereitzustellen. Durch seine Initiative wurden Übergangswohnheime gebaut, die getrennte Wohnheiten für jede Familie hatten. 1953 begann der Bau der Eugen-Gerstenmaier-Siedlung in Wolfach. Die Siedlung wurde 1972 abgerissen und mit Wohnblöcken bebaut.

Gerstenmaier war 1949 in die CDU eingetreten. Nach der Funktion als Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Bundesvorsitzender von 1956 bis 1966 war er seit 1954 Bundestagspräsident. Dieses Amt übte er bis 1969 aus und war somit bisher der Bundestagspräsident mit der längsten Amtszeit. Er starb 1986.

In der NS-Zeit hatte Eugen Gerstenmaier mit seiner Familie in der Hortensienstraße in Lichterfelde gelebt. Ihre Wohnung wurde 1943 ausgebombt und sie fanden Unterschlupf bei der Familie von Yorck in der Hortensienstraße 50. Nahe der Hortensienstraße wurde im Jahr 2010 der Eugen-Gerstenmaier-Platz nach dem Theologen, Widerstandskämpfer und Politiker benannt.

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