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Streiterin für das Frauenstimmrecht

Vor 100 Jahren starb Minna Cauer

Erschienen in Gazette Charlottenburg August 2023
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An ihrem früheren Wohnort in der Schöneberger Mansteinstraße 8 gibt es eine Gedenktafel, im Rathaus Charlottenburg einen Minna-Cauer-Saal, in Moabit ist eine Straße nach ihr benannt und ihr Grab auf dem St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg ist bereits seit 1952 ein Ehrengrab. Minna Cauer, die 1841 als Wilhelmine Theodore Marie Schelle geboren wurde, war eine Kämpferin für die Frauenrechte. Ihren Berufswunsch als Lehrerin konnte sie zunächst nicht verwirklichen. Es sah – wie zu jener Zeit üblich – nach einer Karriere als Hausfrau und Mutter aus.

Mit 21 Jahren heiratete sie den Arzt August Latzel, ein Jahr später kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Ehe- und Mutterglück währten nur kurz. Erst starb das Kind im Alter von zwei Jahren an Diphterie, kurz danach der Ehemann. Ohne Ernährer musste sich Minna schnell umorientieren. Der Wunsch, Lehrerin zu werden – einer der wenigen Berufe, die (unverheirateten) Frauen damals offen standen – wurde nach einer einjährigen Ausbildung Wirklichkeit. Ihre erste Stelle trat sie als Hauslehrerin in Paris an, anschließend lehrte sie in einer Mädchenschule in Hamm. Dort lernte sie Eduard Cauer kennen. Er wurde ihr zweiter Ehemann. Eduard Cauer wurde Stadtschulrat in Berlin und zog mit seiner Frau und der Familie, zu der auch zwei Söhnen und zwei Töchter aus seiner ersten Ehe gehörten, nach Berlin. Minna und Eduard Cauer betätigten sich auch politisch. Sie bekamen Kontakt zu liberalen Politikern und Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung. Als Eduard im Jahr 1881 starb, zog Minna nach Dresden. Sie studierte intensiv Frauengeschichte und veröffentlichte erste Schriften über prominente Frauen.

Ihr Weg führte zurück nach Berlin, dort gehörte sie, die als mitreißende Rednerin galt, zu den Gründerinnen des Vereins Frauenwohl. Hier sammelten sich diejenigen, denen die bereits vorhandenen politischen Frauenvereine zu defensiv waren. Zu dem Hauptanliegen von Minna Cauer und ihren Mitstreiterinnen gehörte das Wahlrecht für Frauen. In Preußen galt zu jener Zeit noch das Dreiklassen-Wahlrecht, für dessen Abschaffung die Sozialdemokraten sich einsetzten. Die Frauenvertreterinnen forderten, dass Frauen nicht nur wählen durften, sondern auch jede Stimme gleichermaßen zählte. Sie setzten sich aber auch gegen sexuelle Gewalt und Belästigung ein sowie für die Arbeiterinnen und Dienstbotinnen.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution wurde das Dreiklassenwahlrecht abgeschafft und das Frauenwahlrecht am 30. November 1918 gesetzlich festgeschrieben. So konnten Frauen erstmals am 19. Januar 1919 bei der Wahl der Deutschen Nationalversammlung ihre Stimmen abgeben. Minna Cauer, die sich mit ganzer Kraft für dieses Recht eingesetzt hatte, konnte ihren Erfolg noch erleben. Sie starb im August 1922 – nur wenige Monate zuvor musste sie die Ermordung von Walther Rathenau erleben, mit dem sie befreundet war.

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