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Kunst muss unter‘s Volk

Mobile Tagesgalerie im LIO

Tagesgalerie im LIO.
Tagesgalerie im LIO.
Erschienen in Lankwitz & Lichterfelde Ost Journal April/Mai 2024
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Der Kiez um den Kranoldplatz ist bekannt für engagierte und aktive Anwohner, die etwas aus ihrer Gegend machen wollen. Eine weitere Aktion in diese Richtung ist im September vorigen Jahres an den Start gegangen und hat inzwischen bereits etliche Freunde gefunden, die auch bei der ersten mobilen Tagesgalerie diesen Jahres gerne im LIO vorbeischauten: Denn dort verwandelt sich immer am letzten Freitag eines Monats das Foyer des Einkaufszentrums in Lichterfelde Ost für einen Tag bis etwa 18 Uhr in eine Galerie, in der man Kunst erleben und dabei mit den jeweiligen fünf ausstellenden Künstlern ins Gespräch kommen kann. Nach erledigtem Einkauf den auf Leinwand gebannten fernen Marktplatz eines fremden Landes mit den Augen erkunden oder nach dem Sport in die blaue Aquarell-Dünung auf der Leinwand eintauchen – was kann belebender und spannender sein? Und vielleicht entdeckt man gerade hier zwischen Bäckerei, Drogeriemarkt und Vietnamesischem Imbiss das Kunstobjekt, welches einem schon so lange für seine vier Wänden gefehlt hat und das man in keiner Galerie hatte finden können? Eine Kiez-Künstlerguppe hat das Kunstformat „Kunst im LIO“ im letzten Herbst ins Leben gerufen, das LIO-Foyer dazu farblich aufgehübscht und zum „Foyer des Arts“ gemacht. Zur Gruppe gehören Ulrike Meyer, Gesine Wenzel, Albert Heiser, Bruno Jod und Hardy Tasso. Doch sie betonen alle, dass dieses Ausstellungsformat auch offen für andere interessierte Kunstschaffende ist und laden diese dazu ein, mit ihnen zu kooperieren und die Ausstellungen zu bereichern.

Kunst für alle

„Kunst gehört unter‘s Volk“, erklärt das künstlerisch vielseitige Gründungsmitglied Bruno Jod. Regelmäßig dabei ist er mit seinen Werken aus Malerei, Aquarell, Zeichnung, Graffiti, Theater, Film und Fotografie, Architektur und Chaos. An diesem letzten Freitag im Monat stellt er, der einstige HfbK-Meisterschüler von Prof. Fred Thieler und u. a. Lehrende am Beethoven-Gymnasium Berlin, seine farbenfrohen Grafik-Postkarten vor, die – wie auch die Kunstprojekte der anderen Künstler – an diesem Tag erworben werden können.

Während es draußen stürmt und wie aus Kübeln gießt, herrscht im LIO-Foyer eine entspannte Atmosphäre, geht es auf einigen Gemälden sogar eher sommerlich zu – so wie auf dem Gemälde von Klaus Hohle, der an diesem Freitag als Gastkünstler dabei ist: Auf einem seiner Gemälde, das einen sommerlichen Marktstand im Iran längst vergangener Tage abbildet, scheint er die Sonne in jeder Frucht eingefangen zu haben. – Ein Betrachter erkennt darin sogar die frühere Heimat und erinnert sich wehmütig: „Ach ja, das ist meine alte Heimat – als es noch den Schah gab.“

Viel war der Diplomdesigner und Künstler in vergangenen Jahren unterwegs: Teheran, Nepal, zu Fuß durch Australien – seine Bilder erzählen von dieser Zeit und seinen Eindrücken. Wie etliche der in der Tagesgalerie ausstellenden Künstler hat auch er über den Kontakt zur Gründungsgruppe hierher ins Foyer gefunden: So kennt er Mitorganisatorin Gesine Wenzel von den in den Ladengeschäften stattgefundenen Ausstellungen „Kunst im Kiez“ 2015-2019 und von der einmaligen „Pop Up Galerie“ 2019 her. – Die Lücke, die diese Formate künstlerisch hinterlassen, will „Kunst im LIO“ nun wenigstens etwas füllen. – Auch wenn das künstlerische Angebot im Kiez mit den regelmäßigen Kunst- und Kulturaktivitäten der Petruskirche und der von Albert Heiser seit 2021 geführten Creative Game Galerie manch Highlight auf dem Gebiet der Kunst vorweisen kann.

Fische am Kaminfeuer und Lyrik zum Anschauen

Während Gesine Wenzel und Ulrike Meyer an diesem regnerischen Freitag im LIO nicht mit dabei sind, bringt Albert Heiser mit seinem farbintensiven Kaminfeuer fast spürbar knisternde Wärme ins Foyer, lässt Hardy Tasso seine Holzfische („Meine Fans“), die eigentlich eher aus einer Laune heraus entstanden sind, durch die Tagesgalerie schwimmen. Inzwischen haben sie in jeder Größe junge und alte Freunde gefunden.

Tassos künstlerisches Profil ist schillernd, die Kunst findet bei ihm reichlich Ansatzpunkte: Schauspieler, Wissenschaftsautor, Fotograf – nur einige seiner kunstverbundenen Berufungen. Im Alter nun hat ihn die Fotografie ganz ergriffen, mit der er sich ganz fraktalen Mustern der Natur und Experimenten mit Licht widmet. Über Bildbearbeitung will er die ursprüngliche Natur der Dinge hervorheben – auch wenn eigentlich damit seine Aufnahmen zu Verfälschungen der Natur werden. Im LIO beeindrucken seine bei 180 Stundenkilometern aus dem Zugfenster geschossenen Fotos, die, farblich verstärkt, nun wiedergeben, was das Auge in der Kürze der Zeit kaum hatte wahrnehmen können, der Fantasie jetzt jedoch reichlich Futter bietet. Und dann ist da Lea Martin, zum ersten Mal dabei. Über Facebook erfuhr die Verlagsfrau, Autorin und Literaturwissenschaftlerin von „Kunst im LIO“. Dass sie – weil eine andere Künstlerin kurzfristig ausgefallen ist – nun gleich an diesem Freitag mit dabei ist, freut sie umso mehr. Worte mit Bildern tanzen lassen will sie, die an diesem Tag Texte und Bilder als literarisch miteinander Verschworene präsentiert: „Ich möchte damit in gewisser Weise Werbung für die Lyrik machen. Gebührt ihr doch als Seele der Literatur eine viel größere Aufmerksamkeit.“ – Aus diesem Schattendasein heraus der Lyrik hier im LIO-Foyer eine Bühne geben und sie vor dem Untergang bewahren zu müssen, fühlt sich die Künstlerin berufen – und hat dazu passend das Thema Liebe gewählt.

Der Anfang ist gemacht, es geht weiter…

– Und so hat auch diese Tagesgalerie einmal mehr ihr Ziel erreicht und mit leuchtenden Aquarellen, detaillierten Grafiken, außergewöhnlichen Fotografien und hölzernen Zaungästen dem Lichterfelder Publikum vor ungewöhnlicher Kulisse Kunst jeglichen Genres präsentiert. – Das dankt es dann auch mit aufmerksamem Interesse und dem Kommentar: „Eigentlich wollte ich mir nur ein Brötchen holen – jetzt habe ich noch kostenlosen Kunstgenuss dazubekommen. – Eine super Idee, diese Tagesgalerie!“

Das Kunstleben im Kiez wird weiterhin mit dem regelmäßigen Angebot „Kunst im LIO“ wiederbelebt und für alle auf unkomplizierte Art und Weise sichtbar gemacht. Die Organisatoren der Tagesgalerie freuen sich auf neue Künstler in ihrer Runde und über ein großes interessiertes, neugieriges Publikum.

Termine für das erste Halbjahr 2024 von „Kunst im LIO“: Jeweils Freitag 26. April, 31. Mai, 28. Juni.

Teilnehmende Künstler am 26. April werden Gesine Wenzel, Albert Heiser, Bruno Jod, Ulrike Meyer, Hardy Tasso und Barbara Bock (Zeichnungen und Mischtechniken) sein.
Kontakt für Interessierte unter info@kunst-im-lio.de

Jacqueline Lorenz

Titelbild

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