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Professor Ferdinand Sauerbruch

Eine Büste an der Delbrückstraße erinnert an eine Legende

Erschienen in Dahlem & Grunewald Journal Oktober/November 2023
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An der Richard-Strauss-/Ecke Delbrückstraße steht eine etwas verwitterte Büste. Kein Wunder, denn schon seit 1985 wird mit ihr an den berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch erinnert, der schon zu Lebzeiten eine Legende war. Er hatte seit 1950 an der Privatklinik gearbeitet, die sich einst hier befand. Vermutlich, um mit seinem bekannten Namen Patienten anzulocken. Er selbst war damals gesundheitlich schon stark beeinträchtigt.

Der am 3. Juli 1875 in Barmen im heutigen Wuppertal geborene Mediziner besaß ein Haus in der Koblanckstraße 1 in Wannsee. Er entdeckte das zum Verkauf stehende Grundstück bei einem Spaziergang mit seiner damaligen Frau Ada und Margarete Oppenheim. Dem leidenschaftlichen Reiter gefiel das Anwesen vor allem deshalb, weil es einen Pferdestall hatte und die Möglichkeit bot, einen Reitplatz zu bauen. Zu seinen Patienten und Freunden zählte unter anderem der Maler Max Liebermann, von dem das bekannte Portrait Sauerbruchs stammt. Das Haus steht nicht mehr, es wurde abgerissen und ein Schulungszentrum errichtet. Heute ehrt die Sauerbruchstraße in Wannsee den berühmten Professor. Mit seiner zweiten Frau Margot, die selbst Internistin war, lebte er bis zu seinem Tod in der Herthastraße 11 in Grunewald.

Ferdinand Sauerbruch war eine umstrittene Persönlichkeit. Vor allem seine Rolle im Nationalsozialismus war zwiespältig. Er gehörte zu den wenigen, die am Trauerzug von Max Liebermann teilnahmen und warnte im Januar 1937 vor Hitler, den er seit 1920 kannte. Er nannte ihn einen Grenzfall zwischen Genie und Wahnsinn. Andererseits war er Mitglied des Reichsforschungsrats, unterstützte Forschungsprojekte der SS und bekam das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen.

Sein Ruhm beruhte vor allem auf der Einführung eines Verfahrens, dass die operative Eröffnung des Brustkorbs ermöglichte. Normalerweise wird dabei der im Brustkorb herrschende Unterdruck aufgehoben und die Lunge kollabiert. 1904 konstruierte Sauerbruch eine Kammer, in der ein Unterdruck herrschte, so dass Brustoperationen von den Druckverhältnissen her problemlos durchgeführt werden konnten. Außerdem entwickelte er eine Oberarmprothese, bei der ein Kanal durch die Oberarmmuskulatur geführt wurde. Obwohl sich der sogenannte „Sauerbruch-Arm“ als problematisch erwies, da häufig Entzündungen im Kanal auftraten, half er vielen Soldaten. Einer seiner Patienten war Claus Graf Schenk von Stauffenberg, der jedoch eine andere Prothese als den Sauerbruch-Arm erhielt. Der Vorteil der von Sauerbruch entwickelten Prothese bestand darin, dass die noch vorhandenen Bewegungsreflexe des Oberarms für die Prothese des Unterarms genutzt werden konnten. Der bekannte Kunstmaler und Bildhauer Herbert Weber, der im Ersten Weltkrieg beide Hände verlor, wurde von Professor Sauerbruch erfolgreich operiert. Durch die beiden Weltkriege wurde der „Sauerbruch-Arm“ weit verbreitet. Aber auch bei der Heilung von Tuberkulosekranken sowie in der Herz-, Magen- und Speiseröhrenchirurgie trug Sauerbruch zu erheblichen Fortschritten bei.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Sauerbruch kurzzeitig Gesundheitsstadtrat in Berlin, doch schon im Oktober 1945 wurde er aufgrund des Vorwurfs, zur Steigerung des Ansehens des Nationalsozialistischen Regimes beigetragen zu haben, wieder entlassen. Er operierte noch einige Zeit in einer Privatklinik in Grunewald, obwohl seine Fähigkeiten aufgrund von Demenz nachließen. Nach seinem Tod im Jahr 1951 fand er auf dem neuen Friedhof in Wannsee an der Lindenstraße seine letzte Ruhestätte.

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